Zum Hauptinhalt springen

Fabio De Masi: Existenzen retten!

Rede von Fabio De Masi,

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein fieser psychologischer Trick der FDP, dass sie immer den Kollegen Herbrand vor mir sprechen lässt. Da fühle ich mich immer gleich kleiner.

(Markus Herbrand [FDP]: Höchstens kürzer!)

Aber Spaß beiseite. Ein Jahr Coronapandemie liegt hinter uns, und viele Menschen, die bisher die Einschränkungen und Maßnahmen im Großen und Ganzen mitgetragen haben, verlieren die Geduld, weil die Regierung nicht geliefert hat. Sie hat nicht geliefert beim Impfkonzept, das zu einem Impfdesaster geworden ist, wie wir dieser Tage beobachten können. Sie hat nicht geliefert bei den Überbrückungshilfen, die zu Zu-spät-Hilfen geworden sind. Das hat große Unsicherheit in diesem Land erzeugt.

Ich finde es bedauerlich, dass wir zum Beispiel in der Impfstoffdebatte immer nur darüber sprechen, was nicht geht, anstatt darüber zu sprechen, was geht. Wir sehen doch, dass technische Kooperationen möglich sind mit einem Mix aus öffentlichen Beihilfen für neue Fertigungslinien und einem Eingriff in das Patentregime, damit Lizenzproduktionen erfolgen können. In den USA ist das möglich, überall ist das möglich, nur in Deutschland nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbstverständlich ist es gut, wenn Sie jetzt einen erneuten Kinderbonus planen und auch den Hartz-IV-Empfängern einen Zuschlag geben wollen. Aber wir reden hier über 3 Milliarden Euro, die dafür in die Hand genommen werden. Alleine die Lufthansa hat 9 Milliarden Euro bekommen, und die Mehrwertsteuersenkung, die wirkungslos verpufft ist, hatte Kosten in Höhe von 20 Milliarden Euro verursacht. Deswegen sagen wir: Das ist zu wenig – nur 40 Cent am Tag seit Ausbruch der Pandemie. Diese Hilfen müssen verstetigt werden, um den Familien Sicherheit zu geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie rühmen sich für die auf 7 Prozent reduzierte Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Aber das Problem ist, um hier mal Peer Steinbrück zu paraphrasieren: 7 Prozent von nix ist nix. – Wenn man keine Umsätze hat – und das geht vielen Leuten so, die ihre Läden dicht haben, wie zum Beispiel bei mir in Hamburg-Sankt Pauli –, dann hilft das eben nichts. Deswegen wären direkte, zielgenaue Hilfen wichtiger und auch ein Unternehmerlohn für die Soloselbstständigen, die in der Kurve hängen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Herbrand [FDP])

Gleichwohl ist es wichtig, dass wir uns heute schon ehrlich machen und eine Debatte darüber führen, wie es nach der Bundestagswahl weitergeht. Es war richtig, dass Helge Braun die Schuldenbremse rasiert hat; denn die Schuldenbremse wird, wenn man nach der Krise zu ihr zurückkehrt, dazu führen, dass die Investitionen entweder reduziert werden müssen oder dass beim Sozialstaat abgebaut wird. Und weil die Linke das nicht möchte, sagen wir: Wir wollen eine Vermögensabgabe für die Milliardäre und Multimillionäre in diesem Land. Das wäre der gerechte Weg aus der Krise.

(Beifall bei der LINKEN)

Und auch bei all den Menschen, die jetzt in Kurzarbeit sind, drohen neue Belastungen. Deswegen haben wir gesagt: Wir wollen den Progressionsvorbehalt auf das Kurzarbeitergeld abschaffen. Hier hat die Regierung nicht geliefert. Ich hoffe aber sehr, dass Sie noch mal in sich gehen und überlegen, ob Sie nicht einige Hilfen für die Schwächsten in dieser Gesellschaft verstetigen können, damit wir den Zusammenhalt in diesem Land sichern.

Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird Ihnen das Herz brechen, aber ich möchte mich entschuldigen, dass ich diese Debatte heute früher verlassen werde, weil ich dem Wirecard-Untersuchungsausschuss beiwohnen muss. Ich möchte das hier nur ansprechen, damit das nicht als Desinteresse wahrgenommen wird.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Warum muss ich ausgerechnet als Letzter sprechen?)

Es ist das erste Mal in dieser Legislaturperiode, und es geht noch weiteren Kollegen so.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)