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Fabio De Masi: Die EZB muss Staaten aus der Krise helfen!

Rede von Fabio De Masi,

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Fraktion unterstützt selbstverständlich den Wiederaufbau in Europa; denn wenn Italien und Spanien Fieber haben, kann auch Deutschland nicht gesund werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist offensichtlich, auch hier in Deutschland: Es ist eben teurer, in der Krise zu kürzen; denn wenn Unternehmen sterben, wenn Jobs vernichtet werden, dann brechen uns auch die Steuereinnahmen von morgen weg.

Weil jetzt bei diesem Aufbaufonds auch über die Verknüpfung mit dem Europäischen Semester gesprochen wird: Was nicht geht, ist, in der Coronakrise mit feuchten Augen für die Krankenschwestern und Ärzte in Italien, Spanien oder Deutschland zu klatschen und dann zu sagen: Geld gibt es nur, wenn man den Leuten ins Portemonnaie greift und wieder die Löhne und Renten kürzt. – Das müssen wir verhindern! Das wäre Gift für Europa.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben ja auch in Deutschland wieder die Debatte: Die Union will die Grundrente aussetzen, diskutiert über die Senkung von Mindestlöhnen und will den Soli auch für DAX-Manager und Bundestagsabgeordnete abschaffen. Es dürfen nicht wieder die Leute die Rechnung bezahlen, die den Laden am Laufen halten. 63-mal hat die EU-Kommission seit 2011 EU-Mitgliedstaaten aufgetragen, ihre Gesundheitsausgaben zu kürzen. Jeder Mensch in diesem Land versteht doch: Was die Krise jetzt teurer macht, ist, dass wir die Wirtschaft nicht mehr anfahren können, weil unser Gesundheitssystem sonst zusammenbrechen würde. Dieser Unsinn in Europa muss ein Ende haben!

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Petry [SPD])

Natürlich muss man auch Auflagen machen, wenn man Geld gibt. Aber warum denn nicht mal, anstatt der Krankenschwester ins Portemonnaie zu greifen, die Multimillionäre und Milliardäre in Europa zur Kasse bitten,

(Beifall bei der LINKEN)

warum nicht die Steueroasen austrocken?

Deswegen will ich – apropos Steueroasen – etwas zu den sparsamen Vier sagen, die der Kollege Lambsdorff angesprochen hat: die Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden.

(Christian Petry [SPD]: Das sind die knauserigen Vier!)

Wie heißt der erfolgreichste Autokonzern der Niederlande? Fiat – das habe ich von einem Kollegen gelernt; guter Hinweis –; denn der italienische Autobauer Fiat zahlt seine Steuern nur noch in den Niederlanden, weil die Niederlande eine dreiste Steueroase sind, die auch die anderen Länder in Europa abzockt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Bei Ihnen, Herr Kollege Gottschalk, ist wirklich Hopfen und Malz verloren. Eric Cantona – das ist ein französischer Fußballspieler – hat einmal gesagt, mit Leuten wie Ihnen zu diskutieren, sei, wie mit einer Taube Schach zu spielen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Johannes Schraps [SPD])

Die setzt man in drei Zügen schachmatt, die läuft über das Spielfeld, wirft die Figuren um, hinterlässt dann ihre Notdurft und meint, sie hätte im Schach gewonnen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Heiterkeit des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP])

Zurück zum Thema. Auch die Niederlande haben wie Deutschland chronische Leistungsbilanzüberschüsse. Das heißt: Sie haben mehr ins Ausland verkauft als von dort eingekauft. Es ist eben nun einmal so: Die Ausgaben der einen sind die Einnahmen der anderen und umgekehrt. Das heißt: Ohne die Schulden auch Italiens und Spaniens hätten die überhaupt keine Umsätze gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch Österreich – auch das muss hier gesagt werden – hat seit Einführung des Euro noch kein einziges Mal die Maastricht-Kriterien zur Staatsverschuldung erfüllt. Spanien hatte eine der niedrigsten Staatsschuldenquoten Europas vor der Euro-Krise.

Deswegen bin ich doch sehr verwundert über die teilweise absurden Debatten, die wir hier führen. Heute früh habe ich von einem Redner der Union gehört, man würde jetzt Zuschüsse in Europa machen, aber man sei standhaft geblieben bei den Coronabonds. – Das ist ein Widerspruch. Die Coronabonds wären nämlich billiger gewesen; denn würde die EZB diese Bonds kaufen, gäbe es null Zins- oder Haftungsrisiko für Deutschland, weil die EZB niemals in Euro pleitegehen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen will ich hier einmal vortragen, was ein sehr renommierter deutscher Ökonom, der übrigens auch die CDU berät, letztens geschrieben hat. Herr Südekum sagte: Wir bräuchten jetzt öffentliche Investitionen statt Kürzungen in Europa. Die Industriestaaten sollten aus dem Schuldenproblem der Coronakrise einfach herauswachsen. Er sagt auch:

"Einem weiteren Akteur kommt eine entscheidende Rolle zu: den Zentralbanken. Wenn sie als Käufer von Staatsanleihen zur Verfügung stehen, sind niedrige Zinsen garantiert. Und was immer die öffentlichen Haushalte dorthin abführen, fließt als Zentralbankgewinn wieder zurück. Wir leihen uns das Geld quasi selber. Solide Staaten mit einer soliden Währung können das."

Deswegen fordert Herr Südekum, das Mandat der Europäischen Zentralbank zu ändern, damit sie auch Staaten und nicht nur die Banken finanzieren kann – und das will auch Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein letzter Hinweis. Ich bin sehr dafür, dass wir die Debatte um den europäischen Aufbaufonds auch an die Digitalbesteuerung knüpfen; denn wir erleben ja jetzt in der Krise einen, der sich über Corona freut: Jeff Bezos, der mit Amazon jetzt seine Marktmacht ausbaut. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass die Multis in Europa ihre Steuern zahlen.

(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])

Ich will das hier auch noch mal sagen: Das gilt auch für die Lufthansa. Gestern kam heraus: Die Lufthansa macht mit zwei Mitarbeitern – angeblich in Malta – 200 Millionen Euro Gewinn. Das glaubt nicht mal ein Fünfjähriger. Deswegen müssen wir in Europa endlich für Steuergerechtigkeit sorgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)