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Eva-Maria Schreiber: Endlich Verantwortung für Deutschlands Kolonialverbrechen übernehmen

Rede von Eva-Maria Schreiber,

Geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Als Bismarck 1878 seine Schutzzollpolitik zur Sicherung der deutschen Wirtschaft einführte, dämmerte ihm, dass auch Deutschland Kolonien braucht. 1885, ein Jahr nach dem Beginn der Berliner Kongokonferenz, war Deutschland drittgrößte Kolonialmacht, und zwar bis zum Ende des Erstens Weltkriegs. Die Völker wurden ausgebeutet und unterdrückt. Es gab Hunderttausende Tote. Trotzdem geistert ein Mythos durch viele Köpfe – Herr Hampel hat es ja gerade bewiesen –, zum Beispiel durch den des Afrikabeauftragten der Bundesregierung Günter Nooke, der deutsche Kolonialismus sei ja gar nicht so schlimm gewesen. Damit muss endlich Schluss sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zur Erinnerung zwei Beispiele: fast 300 000 getötete Menschen in Tansania beim Maji-Maji-Krieg und die Verbrechen an Herero und Nama mit über 70 000 Toten in Namibia. Das sind Kriegsverbrechen, das ist Völkermord und muss auch so genannt werden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich halte es mit Richard von Weizsäcker, der sagte: „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“ In dem Fall heißt das: Deutschland muss endlich zu seiner historischen Verantwortung stehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD] und Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bis heute hat keine Bundesregierung offiziell um Verzeihung gebeten, etwa für den Völkermord an Herero und Nama. Bis heute fehlt eine Aufarbeitung der Gräueltaten der deutschen Kolonialmacht. Beides ist überfällig.

(Beifall bei der LINKEN)

Letztes Jahr war ich in Tansania und Kamerun. Eine drängende Frage begegnete mir überall: die nach der Rückgabe geraubter Kulturgüter und der Gebeine von Ahnen. Unsere Regierung verharrt in Nachforschungen. Die AfD – und das ist unglaublich – jammert in ihrem Antrag über dann leere Museen, als gäbe es keinen 3-D-Druck, und bezweifelt den Raub. Und über den Rest mag ich jetzt gar nicht reden. Schämen Sie sich!

(Beifall bei der LINKEN)

Generell fehlt bei vielen hierzulande die Einsicht, dass die koloniale Vergangenheit bis heute nachwirkt. Aber genau sie war die Grundlage für die Ungleichheit in den internationalen Beziehungen. Sie sorgt für die Ungleichheit in der Handelspolitik, bei der Verteilung von wirtschaftlichem Reichtum, Landbesitz und beim Zugriff auf natürliche Ressourcen. Das muss sich endlich ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit Jahren besteht die Linke darauf, dass sich der Umgang mit diesem Teil der Geschichte ändert. Ein erster Schritt wäre die Gründung einer unabhängigen Stiftung öffentlichen Rechts zur Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus – ich bin gleich so weit, Frau Präsidentin –, die auch über eine Rückgabe von Kulturgütern und menschlichen Gebeinen verhandelt. Dazu gehört, den Kolonialismus unmissverständlich als Verbrechen und Quelle für heutige Formen von Rassismus zu benennen. Er ist Grundlage für seine Ausbreitung im Globalen Süden und der dortigen Zerstörung der Umwelt. Das muss ein Ende haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Schlussendlich. Dazu gehört eine Umstrukturierung der Außen-, Wirtschafts-, Handels- und Entwicklungspolitik hin zu einer Politik, die nicht den Profit, sondern die Rechte aller Menschen im Blick hat.

Denn Menschenrechte sind unteilbar.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)