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Eva-Maria Schreiber: Ein starkes Lieferkettengesetz sieht anders aus!

Rede von Eva-Maria Schreiber,

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Minister Müller und Heil! Kolleginnen und Kollegen! Auf den ersten Blick scheint die Einigung auf ein Gesetz für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unternehmen erfreulich. Endlich gäbe es die Chance, Menschenrechte und Gerechtigkeit in der deutschen Wirtschaft stärker zu verankern. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Trotzdem: Auf Druck der Wirtschaftsverbände sowie unter freundlicher Mithilfe des Bundeswirtschaftsministers – der ist jetzt gerade nicht da; warum? – wurde der anfangs so gute Gesetzentwurf massiv verwässert. Wieder einmal haben sich die Lobbyisten durchgesetzt. Die Linke will den Entwurf in mehreren Punkten nachbessern. Drei möchte ich erwähnen.

Erstens. In vollem Umfang beziehen sich Sorgfaltspflichten derzeit nur noch auf direkte Vertragspartner. Das ist absurd; denn die meisten Menschenrechtsverletzungen passieren am Anfang der Lieferketten und treffen damit häufig die Ärmsten der Armen. Gerade sie gilt es, zu schützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dort, zum Beispiel in der Kobaltmine oder auf den Bananenplantagen, müssen Unternehmen ihre Risiken nur anlassbezogen ermitteln und ausschließlich dann etwas unternehmen, wenn sie substantiierte Kenntnis über eine mögliche Menschenrechtsverletzung erlangen. Das ist eine Aufforderung zum Wegschauen; denn je weniger die Unternehmen wissen, desto weniger müssen sie handeln. Dies widerspricht dem präventiven Grundgedanken der UN-Leitprinzipien fundamental und muss dringend verändert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Menschen, die im Ausland von Schäden durch Sorgfaltspflichtverletzungen betroffen sind, müssen vor deutschen Gerichten klagen können. Nur eine zivilrechtliche Haftungsregel gewährleistet dieses Recht. Die geplante Ausweitung der Vertretung von Betroffenen durch NGOs oder Gewerkschaften ist ein Ansatz, löst dieses Problem aber nicht. Ohne die Haftung fehlt dem Gesetz sein schärfstes Schwert.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Das UN-Leitprinzip Nummer 14 macht unmissverständlich klar: Alle Unternehmen tragen die Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte. Bleibt es bei der derzeitigen Regelung von Unternehmen ab 1 000 Mitarbeitenden, wäre von dem Gesetz jedoch nur circa 0,1 Prozent der deutschen Wirtschaft betroffen. Das darf so nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden haben die Mittel, Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten zu erfüllen. Kleine und mittlere Unternehmen in Risikosektoren wie der Automobil- oder Textilindustrie müssen ebenfalls dazu verpflichtet werden, im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit diesen gravierenden Lücken dürfen wir dieses Gesetz nicht verabschieden; sonst besteht die Gefahr, dass es kaum Wirkung hat und im schlimmsten Falle den Prozess auf europäischer Ebene ebenfalls aufweicht. Bessern Sie nach!

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)