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Eva-Maria Schreiber: Chance verpasst - Lieferkettengesetz voller Lücken.

Rede von Eva-Maria Schreiber,

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Geehrte Minister Müller und Heil! Es ist wohl sehr selten, dass Die Linke sich mit Herzblut für einen Gesetzentwurf der Regierung eingesetzt hat. Wir haben es diesmal getan, für ein starkes Lieferkettengesetz, um die Menschen zu schützen, die für uns in Afrika oder Südamerika Kakao oder Bananen ernten oder in Asien Kleider nähen.

Heute endlich, zehn Jahre nach Einführung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, stimmen wir darüber ab. Minister Heil, Sie sprechen vom stärksten Gesetz Europas, und Sie, Minister Müller, sprechen von einem Meilenstein zur Durchsetzung der Menschenrechte in globalen Lieferketten. Leider ist das in meinen Augen nur die Verpackung; denn inhaltlich stimmen wir heute über einen Gesetzentwurf ab, der mit Ihrem ursprünglichen, sehr guten Entwurf nicht mehr viel zu tun hat. Und die Verantwortung dafür trägt der Wirtschaftsflügel der CDU als verlängerter Arm der Industrie- und Arbeitgeberverbände.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wieder einmal! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Wie immer!)

In den letzten anderthalb Jahren erlebten wir ein Intermezzo aus Verzögerung, Verschiebung, Blockade und Verwässerung. Kanzlerin Merkel und Minister Altmaier haben sich permanent auf höchster Ebene mit den Unternehmensverbänden getroffen. Von solchen exklusiven Terminen konnten Menschenrechtsverteidiger, Gewerkschaften oder die Zivilgesellschaft nur träumen. Kein Wunder, dass dieses Gesetz nur noch ein blasser Schatten dessen ist, was es ursprünglich einmal war und was es sein könnte. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen!

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei brauchen wir ein starkes Gesetz; denn schwere Menschenrechtsverstöße sind in Lieferketten noch immer alltäglich. Ich denke beispielsweise an Kinderarbeit beim Kakaoanbau in Westafrika. Oder nehmen wir die Katastrophe von Brumadinho in Brasilien im Jahr 2019: Hier bescheinigte der TÜV Süd die Stabilität eines Staudamms, obwohl die Mängel bekannt waren. Der Damm brach, 272 Menschen starben. Ein starkes Lieferkettengesetz hätte deren Tod womöglich verhindert.

Aber ob das Gesetz einen substanziellen Beitrag zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt leisten wird, das werden wir sehen; zu groß sind seine Lücken. Erstens fehlt eine zivilrechtliche Haftung. Zweitens wird nicht einmal eines von 1 000 Unternehmen von der Regelung betroffen sein. Drittens gelten für Plantagen oder Minen, also die Teile der Lieferketten, wo die meisten Menschenrechtsverletzungen passieren, eben keine vollumfänglichen Sorgfaltspflichten von Anfang an. Und viertens sucht man Ideen wie Klima- oder Geschlechtergerechtigkeit vergeblich.

Trotzdem: Wenn man es sehr wohlwollend meint – und das tue ich –, könnte man von einem ersten kleinen, aber wichtigen Schritt von der Freiwilligkeit zur Verbindlichkeit sprechen. Deswegen werden wir das Gesetz nicht ablehnen; aber wegen der Lücken können wir beim besten Willen auch nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten.

(Beifall bei der LINKEN)