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Eurozone reformieren - Staatsbankrotte verhindern

Rede von Alexander Ulrich,

Rede im Bundestag am 10.06.2010, TOP 25
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Schlecht, Alexander Ulrich, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. (BT-Drs. 17/1058 und 17/1602)
(Rede zu Protokoll)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Antrag, um den es hier geht, sollte eigentlich gemeinsam mit dem „Euro-Schutzschirm“ abgestimmt werden. Die Koalition hat aber kalte Füße bekommen, ihn abgesetzt und ihm nun einen Randplatz eingeräumt - es gibt keine öffentliche Diskussion. Dies ist bedauerlich und unverständlich. Vielleicht zeigt es aber auch, dass die anderen Fraktionen sich nur ungern an ihre Beiträge aus der ersten Lesung erinnern möchten. Nach dem Motto was interessiert mich mein Geschwätz von gestern: So fragte die FDP noch spöttisch, ob DIE LINKE. alles besser wisse, die SPD warf uns Einfältigkeit vor, die CDU/CSU bezichtigte uns naiver Utopien und fragte ungläubig, ob wir denn etwa das Beistandsverbot aufheben wollten.

Das war am 25. März dieses Jahres. Nun, gerade einmal elf Wochen später, kann man klar sagen: Wir waren weder naiv noch einfältig - wir wussten es besser. Einige unserer Forderungen wurden mittlerweile umgesetzt. Das Beistandsverbot ist durch das Euro-Rettungspaket faktisch aufgehoben. Unsere Forderung, dass die EZB Staatsanleihen erwerben soll, um die Macht der Spekulanten und Rating-Agenturen zu brechen - übrigens ein wesentlicher Grund für die SPD, unseren Antrag abzulehnen - ist fast erfüllt: Die EZB hat eigenständig entschieden, Staatsanleihen aufzukaufen. Allerdings kauft sie diese nicht direkt, sondern über den Umweg privater und öffentlicher Banken. Somit verdienen die Banken weiterhin an den Staatsschulden - die zu einem großen Teil von ihnen selbst verursacht wurden! Wir fordern daher weiterhin: Die EZB sollte in gewissem Umfang direkt Kredite an Staaten vergeben. Es kann nicht sein, dass sich Banken billiges Geld bei der EZB leihen und es zu Wucherzinsen an Staaten verleihen. Die Steuerzahler müssen endlich von den Zinshaien befreit werden. In Japan ist dies gängige Praxis, ohne das es zu Inflation gekommen wäre.

Unsere dritte Forderung, ein Verbot des Handels mit Kreditausfallversicherungen, ist zumindest im Hinblick auf nackte Kreditausfallversicherungen erfüllt. Bisher konnten sich Spekulanten gegen einen Staatsbankrott versichern, auch wenn sie gar keine Kredite an den entsprechenden Staat vergeben haben. Diese finanziellen Massenvernichtungswaffen müssen jedoch vollständig und europaweit verboten werden, wir fordern weiterhin: Keine Feuerversicherungen für Brandstifter!

Die Kernforderungen aus dem Antrag - ein Ende des Lohn- und Steuerdumpings - sind jedoch nicht erfüllt. Ohne diese Kernforderungen wird es immer wieder zu neuen Schuldenkrisen kommen. Eine zentrale Forderung, um Krisen künftig zu verhindern, ist eine verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf der europäischen Ebene. Dabei geht es explizit nicht darum, die EU durch eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in die nächste Rezession zu sparen, wie die deutsche Bundesregierung es dieser Tage fordert und auch gleich vormacht. Die Bevölkerung soll nach dem Willen der Bundesregierung die Krise bezahlen.

Es geht vielmehr um die Beseitigung der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte und die besondere deutsche Verantwortung hierfür. Denn das Ausland kauft wegen der deutschen Billiglöhne immer mehr Waren und Dienstleistungen bei uns als umgekehrt. Das treibt sie in die Schuldenkrise. Die Bundesregierung ist international isoliert - nicht nur DIE LINKE. kritisiert das deutsche Lohndumping, auch die französische und der amerikanische Finanzminister, der Vorsitzende der Euro-Gruppe und verschiedene Wirtschaftsnobelpreisträger. Der deutsche Wirtschaftsminister entgegnete, man dürfe nicht immer den Klassenbesten kritisieren. Mit anderen Worten: Die Regierung will Hartz IV, Leiharbeit, Befristungen und Hungerlöhne in ganz Europa. Darin sind wir Klassenbester, ohne Zweifel.

Aber was gut für Siemens ist, ist nicht gut für Deutschland. Beim Wachstum sollten wir doch lieber bei unseren Nachbarn abschreiben. Die Eurozone wuchs seit 1999 im Jahresdurchschnitt mit 1,4 Prozent, Frankreich 1,5 Prozent, und Deutschland 0,8 Prozent. Die deutschen Billiglöhne waren daher nicht nur schlecht für Europa sondern schlecht für Deutschland.

Hätte Herr Brüderle im Mathematik-Unterricht besser aufgepasst, dann wüsste er dass nicht alle gleichzeitig Vize-Exportweltmeister sein können. Wohin wollen sie den exportieren, wenn die ganze EU so wird wie Deutschland? Vielleicht auf den Mond? Da leben keine Menschen, nur hinter dem Mond. Da lebt die deutsche Regierung.

DIE LINKE. fordert daher einen Pakt für ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Deutschland muss die Verpflichtung aus dem eigenen Stabilitätsgesetz von Karl Schiller endlich ernst nehmen. Dies bedeutet nicht weniger zu exportieren sondern mehr für den heimischen Binnenmarkt zu tun. Etwa durch Mindestlöhne und ein Zukunftsprogramm in Bildung und Energiewende. Das ist die beste Medizin für Europa.
Eine sinnvolle Koordinierung der Wirtschaftspolitik in der EU umfasst auch die Steuerpolitik, was die Koalition an unserem Antrag ja zumindest nicht grundsätzlich abgelehnt hat, wenngleich sie es gesondert diskutieren will. Es gehört aber notwendigerweise zu dieser Diskussion dazu, denn wenn wir über Schulden reden, darf man nicht nur die Ausgabenseite betrachten, sondern muss auch auf die Steuereinnahmen schauen: Das Steuerdumping in der EU, das nicht nur in Griechenland große Löcher in die Staatskassen gerissen hat, muss endlich beendet werden! Unternehmen und Bezieher hoher Einkommen endlich angemessen an der Finanzierung der Krise beteiligt werden! DIE LINKE. fordert daher eine europaweite Mindestbesteuerung von Unternehmen und Einkommen.

Alle Fraktionen beziehen sich in ihrer Ablehnung unseres Antrags darauf, dass mit den vorgeschlagenen Maßnahmen gegen die Stabilitätspolitik verstoßen würde, derer sich insbesondere Deutschland immer wieder rühmt. Schauen wir aber auf die letzten Wochen und Monate, so zeigt sich ganz deutlich, wohin Frau Merkels Verteidigung der Stabilität uns geführt hat: Instabiler als jetzt waren der Euro, die Eurozone und die EU als ganzes wohl noch nie - ganz zu schweigen von den von der Krise besonders hart getroffenen Ländern wie Griechenland. Stabilität erreicht man nicht durch unsoziale Sparprogramme und ungehinderten Wettbewerb, Stabilität erreicht man durch eine sozialere und solidarischere Ausrichtung der EU. Wer also die europäische Integration will, der muss wollen, dass sie anders wird!

CDU, CSU, FDP und Grüne wollen mir ihrer Ablehnung des Antrags die gescheiterte Politik fortsetzen. DIE LINKE. will kein Europa der Banken und Konzerne. Deshalb werden wir weiter streiten: Für ein soziales und solidarisches Europa!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.