Viele kleine und mittlere Unternehmen in der EU kennen das folgende Problem: Man erfüllt einen Auftrag für ein größeres Unternehmen aus einem anderen EU-Staat und dieses lässt sich danach ewig Zeit, die Rechnung zu bezahlen. Das Schlimme ist: Das kleine Handwerksunternehmen oder der kleine Zulieferbetrieb können dadurch schnell in eine finanzielle Schieflage geraten. Möglichkeiten zur Zwischenfinanzierung gibt es für diese nämlich kaum und auch Aufträge in der Größenordnung von nur ein paar Tausend Euro können hier von existenzieller Bedeutung sein. Im schlimmsten Fall kann sogar die Pleite drohen.
Ein anderes Beispiel: Verbraucherinnen und Verbraucher bestellen sich immer mehr Waren online aus allen Ecken der EU und bekommen diese per Post. Die bezahlte Ware wird dann aus irgendeinem Grund retourniert und der gezahlte Kaufpreis muss von der Verkäuferseite zurückerstattet werden. In manchen Fällen passiert das aber leider nicht und die Verbraucherinnen und Verbraucher gucken in die Röhre.
Sowohl das kleine Handwerksunternehmen als auch die Verbraucherinnen und Verbraucher aus diesen Beispielen könnten nun versuchen ihren Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Aber das ist zumeist aufwendig und langwierig, gerade wenn es um grenzüberschreitende Streitigkeiten geht. Insbesondere Verbraucherinnen und Verbraucher werden es sich zwei- oder dreimal überlegen, ob sie diese Strapazen wirklich wegen ein paar Hundert Euro auf sich nehmen wollen.
Die vorgeschlagene Verordnung könnte für genau solche Fälle zumindest ein Stück weit Abhilfe schaffen. Gläubigerinnen und Gläubiger sollen im Europäischen Mahnverfahren künftig einfacher an ihr Geld gelangen. Zu diesem Zweck soll das Verfahren bei Forderungen bis zehntausend Euro, statt wie bisher zweitausend Euro anwendbar sein. Das kommt insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen entgegen.
Darüber hinaus sollen Telefon- und Videokonferenzen das persönliche Erscheinen bei mündlichen Verhandlungen überflüssig machen, was wiederum Reisekosten spart.
Zudem soll das Europäische Mahnverfahren künftig bei deutlich mehr Streitigkeiten anwendbar sein, auch zwischen inländischen Streitparteien, solange ein bestimmter Auslandsbezug besteht, zum Beispiel bei der Vermietung eines Ferienhauses im Ausland.
Soweit die vorgeschlagene Verordnung hierdurch dem kleinen Handwerksunternehmen oder den geprellten Verbraucherinnen und Verbrauchern hilft, an ihr Geld zu kommen, begrüße ich das ausdrücklich.
Allerdings gibt es auch hier zwei Seiten der Medaille. Was für die Gläubigerinnen und Gläubiger gut ist, ist für die Schuldnerinnen und Schuldner naturgemäß eher schlecht. Das Mahnverfahren nach dem deutschen Zivilrecht ist mehrstufig ausgestaltet und bietet der Schuldnerseite daher mehr Reaktionsmöglichkeiten und somit mehr Schutz. Insbesondere wenn auf Schuldnerseite Verbraucherinnen und Verbraucher stehen, kann die im Europäischen Mahnverfahren quasi automatisch folgende Vollstreckbarkeit der Forderung unangemessen sein. Hier müsste noch nachgebessert werden.
Und bei dieser Gelegenheit noch einmal etwas ganz Grundsätzliches, meine Damen und Herren von der Bundesregierung: Das hehre Ziel die Mühlen der Justiz schneller und reibungsloser laufen zu lassen, erreicht man nicht nur durch Verfahrensvereinfachungen, die zudem irgendwann an die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit stoßen können. Der grundgesetzlich garantierte Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu den Gerichten darf nämlich keinesfalls missachtet werden. Viel wichtiger ist daher eine endlich ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung der Gerichte und Justizbehörden. Und hier, sehr geehrter Herr Maas, liegt leider noch ein ganzes Stück Arbeit vor Ihnen und den Landesregierungen.