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„Europäische Menschenrechtspolitik darf nicht zu ideologisch motiviertem Support werden“

Rede von Monika Knoche,

Da die Fraktion DIE LINKE. im Vorfeld nicht in die Ausarbeitung des gemeinsamen Antrages „Belarus - Parlamentswahlen 2006“ der anderen Fraktionen einbezogen wurde und dieser wichtige Erfahrungen und Positionen der Linksfraktion im Bundestag nicht wieder spiegelt, begründet Monika Knoche ihre Enthaltung:

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Link, Sie hätten Ihre wertvolle Zeit nicht darauf verwenden müssen, Zitate aus Zeitungen zu suchen, um die Position der Linken zu erfahren. Sie hätten uns schlichtweg zu den Gesprächen über einen gemeinsamen Antrag einladen können. (Beifall bei der LINKEN Uta Zapf (SPD): Das haben wir gemacht! Sie haben nicht darauf reagiert! Dr. Werner Hoyer (FDP): Das hat die Kollegin Zapf gemacht!) Wir hätten Ihnen dort sehr gern die Position dargelegt. Es besteht, meine sehr geehrten Herren und Damen, kein Zweifel: Lukaschenko ist kein Demokrat; er ist ein Autokrat. Es herrscht ein staatliches Diktat. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin Knoche, es gibt eine Zwischenfrage von Frau Zapf. Möchten Sie sie zulassen? Monika Knoche (DIE LINKE): Wenn Sie gestatten, würde ich einfach weitersprechen; vielleicht erübrigt sich dann Ihre Frage. (Dr. Werner Hoyer (FDP): Mangelnde Souveränität!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Monika Knoche (DIE LINKE): In Belarus ist kein Weg zu einer Demokratie zu erkennen. Im Gegenteil: Meinungsfreiheit und politische Betätigung, die nicht regierungskonform ist, werden starken Repressionen ausgesetzt. Das gilt auch für kommunistische Kräfte in diesem Land. Es gibt also keinen Grund, diese diktatorischen Strukturen zu verteidigen. (Beifall bei der LINKEN) Wer in Belarus Reformkräfte sucht, die das Land im postsowjetischen Prozess in ein demokratisches, nicht kapitalistisches System überführen wollen, wird kaum offizielle Repräsentantinnen finden. Das ist zum Beispiel für aufgeklärte Linke eine traurige Tatsache. Dennoch: Lukaschenko hat sich zur Einhaltung der OSZE-Standards verpflichtet. Daran ist der Wahlverlauf zu messen. Es ist abzusehen: Das Wahlergebnis wird, obgleich eine Opposition antritt, zugunsten des Amtsinhabers ausfallen. Nun kann man darüber reden wir hätten das gern mit den Antragstellenden getan , wie der innergesellschaftliche Prozess in Weißrussland hin zu einem demokratischen Gebilde gefördert werden kann. Aber auf die spezifischen Kenntnisse der Linksfraktion haben Sie keinen Wert gelegt. (Manfred Grund (CDU/CSU): Welche spezifischen Kenntnisse?) Wichtig ist, dass die Menschen in Weißrussland politisch wach sind und beobachten, was aus den Transformationsprozessen der ehemaligen Sowjetstaaten geworden ist. Das ist große Armut für viele und großer Reichtum für wenige. In Ex-Jugoslawien herrscht heute teilweise eine Mafiastruktur. Von Rechtsstaat kann vielerorts keine Rede sein. Natürlich beobachten die Menschen und wägen ab, welches Gesellschafts- und Wirtschaftssystem sie bekämen, würde der politische Begriff Demokratie realiter mit Lissaboner Wirtschaftsordnung gleichgesetzt werden. Für welchen anderen Reformweg sich die Bevölkerung entscheiden würde, wissen wir nicht, weil sie dazu keine Chance erhält. Wir sagen zu Ihrem interfraktionellen Antrag: Wenn Sie unser Petitum aufnehmen könnten, dass erstens ausgeschlossen werden muss, dass die zutreffende Kritik an den Verhältnissen missbräuchlich verwendet wird, um staatliche Souveränität aufzuweichen, dass zweitens die Unterstützung der reformwilligen Kräfte zweckfrei erfolgt und keinesfalls wie sie existieren antisemitische, rassistische Kräfte in der Opposition unterstützt werden (Uta Zapf (SPD): Ach du lieber Himmel!) und dass drittens demokratische Verhältnisse in Weißrussland immer auch bedeuten, dass die dortige Bevölkerung ihren Weg als Europäerinnen und Europäer das betone ich selbst bestimmen kann, dann hätten Sie unsere Unterstützung. Ich vermute allerdings, dass viel Sympathie für das besteht, was der Oppositionsführer Lebedko politisch ausführte, als er kürzlich in der „taz“ sagte, dass „für die Orange Revolution Europa eine Strategie fehle. Heute ist politische Wille spürbar, eine Strategie und einen konkreten Aktionsplan zu erarbeiten“. Ich sage: Die Orange Revolution hat weder mehr Freiheit und Demokratie noch wirtschaftlichen Benefit für die breite Bevölkerung gebracht. Da meine Redezeit leider sehr begrenzt ist, möchte ich mir zum Schluss nur noch einen Satz erlauben: Zum ideologisch motivierten Support darf europäische Menschenrechtspolitik nicht werden. Da wir genau das in der Intention Ihres Antrages nicht gewährleistet sehen, werden wir uns heute der Stimme enthalten. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin Uta Zapf das Wort. Monika Knoche (DIE LINKE): Also, diese Fraktion heißt Die Linke im Deutschen Bundestag. (Zuruf von der CDU/CSU: Noch!) Sicherlich sind viele Vertreterinnen aus den neuen Bundesländern mit einer PDS-Geschichte hier. Aber es gibt, wie Sie wissen, auch viele Linke aus ganz anderen Sozialisationen, die sich zu dieser neuen Formation zusammengefunden haben. Daher ist es ganz gut, von der Linken zu sprechen. Die Linke hat in der Tat, wie ich hier vorgetragen habe, eine sehr differenzierte Position zu Weißrussland (Carl-Ludwig Thiele (FDP): Hauptsache sozialistisch!) und die ist unmissverständlich zum Ausdruck gekommen. Deshalb wird es Ihnen auch im Nachgang nicht gelingen, uns in der Frage zu Belarus ein zweifelhaftes Demokratieverständnis anzudichten. Aber ich muss Ihnen sagen Sie haben ja eine gewichtige Gegenbemerkung gemacht : In der Runde der Parlamentarischen Geschäftsführer war eindeutig klar, dass der Linksfraktion kein Antrag zugegangen war. Darüber hinaus möchte ich Sie über folgende demokratische Gepflogenheiten in diesem Hause erinnern ich bin in meiner Vorzeit bei der Grünenfraktion eine Initiatorin von vielen Gruppenanträgen, die fraktionsübergreifend getragen wurden, gewesen : Es ist gute Übung in diesem Hause, sich an die Abgeordneten zu wenden und, bevor ein Antrag eine textliche Fassung hat, die Positionen zu kennen bzw. sie zu eruieren und zu einem gemeinsamen Text zu kommen (Beifall bei der LINKEN) und nicht nach dem Motto „Friss, Vogel, oder stirb!“ einen Antrag vorzulegen, zu dem dann gesagt wird: Schließt euch an oder ihr seid draußen. Für diese billige Feindbildprojektion möchten wir als Linke im Bundestag nicht zur Verfügung stehen. Das sei hiermit eindeutig gesagt. (Beifall bei der LINKEN Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)