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Europäische Ehescheidung

Rede von Jens Petermann,

204. Sitzung des Deutschen Bundestages, 8. November 2012
TOP 32: Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts
Drucksache 17/ 11049
Jens Petermann für die Fraktion DIE LINKE - Rede zu Protokoll

Sehr geehrte(r) Herr/Frau Präsident(in), meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Bundesregierung versucht mit diesem Gesetzentwurf die Verordnung der Europäischen Union Nr. 1259/2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts umzusetzen. Das geht wiederum auf die Rom-III-Verordnung der Europäischen Union zurück, die festlegt, welches Recht bei Ehescheidung und Trennung anzuwenden ist. Die Verordnung soll durch Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch umgesetzt werden.
Das heißt übersetzt, dass in jedem Mitgliedsstaat, der an der Verordnung beteiligt ist, das für Scheidungssachen zuständige Gericht auf die Scheidung und Trennung das einheitliche Recht eines Mitgliedstaates anwenden soll. Damit soll das vorteilsbezogene Nutznießen nebeneinander stehender Zuständigkeiten verschiedener Staaten unterbunden werden. Glücklicherweise bleibt aber das materielle Familienrecht unberührt.
Meine Fraktion und ich betrachten diese Initiative mit kritischen Augen. Die Europäische Union hat sich beim Erlass der Rom-III-Verordnung, welche den Regelungsbedarf ausgelöst hat, auf Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union gestützt. Danach kann der Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments auf dem Gebiet des Familienrechts mit grenzüberschreitendem Bezug Maßnahmen erlassen. Höchst fraglich bleibt dabei aber, ob das Familienrecht als höchstpersönliches Rechtsgebiet für das Funktionieren des Binnenmarktes der Europäischen Union überhaupt eine wesentliche Rolle spielt und damit in die Pflicht genommen werden kann. Meines Erachtens ist das nicht erforderlich. Aber nachdem die Verordnung mit der Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, muss nun das nationale Recht auch entsprechend angepasst werden.
Die Europäische Union besteht derzeit aus 27 Mitgliedsstaaten. Bei den Verhandlung zur Verabschiedung dieser Verordnung traten in der Arbeitsgruppe des Rates Probleme auf. Auf Grund dieser unüberwindbaren Schwierigkeiten konnte die auf dem Gebiet des Familienrechts erforderliche Einstimmigkeit für die Verabschiedung dieses Rechtsaktes nicht erreicht werden. Es gab Mitgliedstaaten, die nicht akzeptieren wollten, dass ihre Gerichte durch die Verordnung gezwungen werden sollten, je nach Sachlage auch fremdes Recht anwenden zu müssen. Darauf hin beschlossen lediglich 14 Mitgliedstaaten eine Verordnung zur verstärkten Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu erlassen, die nur für die beteiligten Mitgliedsstaaten gilt. Demnach bleiben nach Adam Riese 13 Mitgliedsstaaten – also fast die Hälfte der Mitglieder – die das nicht mitmachen. Das stellt natürlich die Sinnhaftigkeit des gesamten Unterfangens in Frage.
Demzufolge gilt die Rom-III-Verordnung nur für 14 Mitgliedstaaten. Für diese besteht nun gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Die Rom-III-Verordnung soll unmittelbar gelten, indem die Verordnung in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch aufgenommen werden soll. Daneben wird auch der Versorgungsausgleich für geschiedene Ehen mit Auslandsbezug der Rom-III-Verordnung unterworfen, wonach sich die Ehegatten das für ihre Scheidung zuständige nationale Recht selbst wählen dürfen. Damit stärkt man schon die Privatautonomie. Doch ein kleiner Haken bleibt auch bei dieser neuen Freiheit: Es wird teurer! Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen in der Bundesrepublik Deutschland Rechtswahlvereinbarungen notariell beurkundet werden. Deshalb müssen die scheidungswillen Ehepaare mit Auslandsbezug bei der Wahl des deutschen Familienrechts entsprechend dem Geschäftswert ihrer Ehe Notarkosten zahlen. Das ist zwar ein erheblicher Nachteil, gleichzeitig auch wieder eine hervorragende Einnahmequelle für Notare. Das Treffen einer Rechtswahlvereinbarung ist kein Zwang, sondern freiwillig. Wenigstens etwas Positives zum Schluss.