Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie uns über Europa reden. Stellen wir uns einmal für einen Moment vor, dass die Europäische Union gestärkt aus ihrer letzten Krise hervorgegangen ist:
Die größte Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg hat dazu geführt, dass die Verursacher der Krise mit höheren Steuern und Vermögensabgaben an den Krisenfolgen beteiligt wurden. Die Finanzmärkte wurden streng reguliert. Die Großbanken wurden unter demokratische Kontrolle gestellt. Die Finanztransaktionsteuer wurde eingeführt und brachte Milliardeneinahmen. Die EU nutzte die Krise, um ihre Institutionen zu demokratisieren, und über alle wesentlichen Fragen der EU gab es seitdem Volksabstimmungen. Die riesige Attacke gegen Soziales, Arbeitnehmerrechte, Umwelt und Demokratie durch die Wirtschaftsabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und CETA, wurde rechtzeitig erkannt und die Verhandlungen wurden daraufhin abgebrochen. Der von den Gewerkschaften vorgeschlagene Marschallplan für Europa führte zu Investitionen in zukunftsfähige und nachhaltige Arbeitsplätze mit europaweit rund 10 Millionen neuen und guten Arbeitsplätzen. Die Arbeitslosigkeit in Europa geht seitdem deutlich zurück. Waffenexporte wurden verboten, und der Krieg und der militärische Einsatz als Mittel der Politik werden europaweit geächtet.
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, leider ist die Wirklichkeit eine ganz andere. Die EU steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Seit Jahren geht es nur noch bergab.
EU-weit gibt es heute 27 Millionen Arbeitslose, 11 Millionen mehr als noch im Jahr 2008. Jeder vierte EU-Bürger ist heute von Armut betroffen. Hunger, Obdachlosigkeit und Krankheiten wie HIV und Malaria sind wieder Teil des europäischen Alltags geworden. Die Zahl der Selbstmorde steigt rasant. Statt die Menschen vor dieser sozialen Katastrophe zu schützen, haben die EU und ihre Mitgliedstaaten in den letzten Jahren durch direkte Finanzspritzen und Bürgschaften 4,8 Billionen Euro Steuergelder in den Finanzsektor gepumpt. Dann wurde die sogenannte Troika auf Europareise geschickt, um das Geld von Arbeitnehmern, Arbeitslosen, Rentnern und Kranken zu holen: durch Privatisierungen, Massenentlassungen, Sozialabbau und Lohn- und Rentenkürzungen. Was passierte hinsichtlich einer Beteiligung der Finanzwirtschaft? Nahezu nichts. Die letzte schwarz-gelbe Bundesregierung hat mit großer Unterstützung der SPD und auch der Grünen in der EU eine Krisenpolitik im Interesse der Großbanken und Konzerne und gegen die Interessen der Menschen durchgesetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union, Grünen und SPD, fragen Sie sich eigentlich hin und wieder einmal, warum sich angesichts einer solchen Politik immer mehr Menschen von diesem Europa verabschieden? Wundern Sie sich wirklich, warum angesichts einer solch desaströsen Krisenpolitik leider auch viele Menschen den rechten Rattenfängern in Europa auf den Leim gehen?
Sie sind mit Ihrer Politik dafür mitverantwortlich.
Die Kanzlerin wünscht sich eine marktkonforme Demokratie. Wir sagen: Nein, die Märkte müssen den Menschen dienen und sich der Demokratie unterordnen. Das ist das Gebot der Stunde.
Herr Außenminister Steinmeier - vielleicht hören Sie mir zu -, warum hat die SPD in der letzten Wahlperiode und im Wahlkampf die Krisenpolitik der Kanzlerin eigentlich kritisiert? Die Wahrheit ist doch, dass die SPD dieser unsozialen Politik hier im Bundestag immer die Hand gereicht hat. Sie haben hier im Bundestag immer zugestimmt. Es gibt im Hinblick auf diese desaströse EU-Krisenpolitik keinerlei nennenswerte Unterschiede zwischen SPD und Union.
Für das Europa, von dem ich am Anfang sprach, kann man die Menschen begeistern. - Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.
Für solch eine Europäische Union reichen wir Linke die Hand. Für solch ein Europa kämpft die Linke auch am 25. Mai: für ein Europa der Menschen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa geht anders: sozial, friedlich und demokratisch.
Vielen Dank.