Die Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo will wählen. Die Internationale Gemeinschaft muss ihr Engagement für Frieden und Demokratie im Kongo verstärken. Die Entsendung europäischer Soldaten setzt allerdings ein falsches Signal. Sie dient vor allem dazu, den außenpolitischen Gestaltungsanspruch und die militärische Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu unterstreichen. Paul Schäfer in der Bundestagsdebatte über eine deutsche Beteiligung am EU-Militäreinsatz:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kongolesen wollen wählen und endlich eine friedliche Entwicklung ihres Landes. (Walter Kolbow (SPD): So ist es!) Die UNO, die EU und Deutschland darin sind wir uns einig müssen diesen Prozess unterstützen. Wir haben in unserem Entschließungsantrag eine Reihe von Vorschlägen dafür entwickelt, wie diese Unterstützung aussehen könnte. Zu dem vorgesehenen EU-Militäreinsatz aber sagt die Fraktion Die Linke Nein. (Beifall bei der LINKEN) Wir befinden uns dabei im Einklang mit der Mehrheit der Deutschen, wie es Umfragen zeigen. Es gibt auch nennenswerte Nichtregierungsorganisationen, die ihn kritisieren. (Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die dort arbeiten, sind dafür!) Der Internationale Christliche Friedensdienst „Eirene“ kritisiert, dass der Kostenaufwand für den Militäreinsatz in keinerlei Verhältnis zum Ertrag stehen wird. Pax Christi, auch eine wichtige Einrichtung, mahnt langfristige Aufbauarbeit anstatt militärischem Aktionismus an. Das hören die Grünen heute vielleicht nicht mehr so gern. (Beifall bei der LINKEN) Der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbands spricht davon, dass es sich eher um politisches Showbusiness als um nachhaltige Politik handelt. (Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hast du einen Kronzeugen! PDS und Bundeswehr Seite an Seite!) - Einen Moment! Das führt mich zu den Gründen unserer Ablehnung. Der Militäreinsatz konnte nach meiner Überzeugung zu keinem Zeitpunkt stringent begründet werden. Er ist alles andere als zwingend erforderlich. Darum geht es, Herr Minister. Es geht nicht nur um die Frage, ob er verantwortbar ist, sondern auch um die Frage, ob er zwingend notwendig ist. Diese Frage muss beantwortet werden. (Beifall bei der LINKEN) Die UN-Militärmission MONUC, die von der EU mit aufgebauten kongolesischen Sicherheitskräfte, eine starke internationale Öffentlichkeit und das Gewicht der EU als diplomatische und wirtschaftliche Macht reichen nach meiner Auffassung. (Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Nicht!) aus, um Putschversuche in Kinshasa zu verhindern. (Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Waren Sie einmal da?) Wir haben immer gehört: Dort spielt die Musik. (Beifall bei der LINKEN) Das Problem der Privatarmeen in Kivu und Katanga, die dort die Rohstoffvorkommen ausplündern, wird innerhalb der nächsten vier Monate nicht gelöst werden und schon gar nicht durch eine 300 Mann starke Abschreckungstruppe in Kinshasa. (Beifall bei der LINKEN) Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage der Grünen lieber Kollege Nachtwei, zuhören! jüngst geantwortet, es gebe keine Hinweise, dass es bei den Wahlen zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen könnte. Ich darf zitieren: Beobachter gehen mehrheitlich davon aus, dass diese Wahlen friedlich verlaufen werden. Weiteres Zitat gefällig? „Es liegen zurzeit keine konkreten Erkenntnisse darüber vor, dass es im Umfeld der Wahlen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen wird, die von den kongolesischen Ordnungskräften nicht bewältigt werden können.“ (Beifall bei der LINKEN - Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Wissen Sie, was Prävention ist? - Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Und was bedeutet das jetzt?) Auf welch wackligen Beinen die Begründung des Militäreinsatzes darum geht es schließlich in dieser Debatte steht, zeigen die Versuche, die gestartet werden müssen, um das Parlament und die deutsche Öffentlichkeit zu überzeugen. Herr Minister Jung hat gesagt: Wenn wir Kongo nicht hinbekommen ich zitiere , werden wir einen enormen Einwanderungs- und Flüchtlingsdruck bekommen. Herr Minister, ich habe mir daraufhin die Zahlen noch einmal angesehen. (Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So viel Blödsinn!) Die Mehrheit der Kongolesen flüchten im eigenen Land, in zweiter Linie flüchten sie in die Nachbarstaaten. 2005 haben 6 500 Kongolesen hier einen Asylantrag gestellt. Daran sieht man, wie hier Stimmung für diesen Militäreinsatz gemacht werden muss. Das finden wir nicht in Ordnung. (Beifall bei der LINKEN) Ich bin dem Kollegen Schockenhoff dankbar dafür, dass er klar gemacht hat: Es geht nicht nur um eine philanthropische Veranstaltung. Er hat auch einen Brief an seine Fraktionskollegen geschrieben und gesagt: Die strategisch wichtigen Rohstoffe des Kongos dürfen nicht in falsche Hände fallen. (Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Richtig!) Wenn Sie das einmal zu Mobutus Zeiten oder zu der Zeit, als Ruanda, Burundi und Uganda das Nachbarland überfallen haben, gesagt hätten! Mir ist schon klar, dass es bei diesem Militäreinsatz nicht vordergründig um Kupfer, Beryllium und Coltan geht. Aber interessant ist doch, dass diese Argumente überhaupt herangezogen werden, um Militäreinsätze zu begründen. (Beifall bei der LINKEN Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Das ist eine Realität!) Ich fürchte, dass wir diese Gründe in Zukunft noch öfter zu hören bekommen und dass es dann auch um diese Sache geht. An dieser Stelle sei auch gesagt: Die kongolesischen Reichtümer sollten in erster Linie den Kongolesen und niemandem sonst zugute kommen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU)) Wenn der konkrete Militäreinsatz schon nicht plausibel begründet werden kann, dann liegt es nahe, davon auszugehen, dass anderes im Vordergrund steht. (Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Jetzt kommt es!) Mit dem Militäreinsatz soll nicht zuletzt die außenpolitische Handlungsfähigkeit der EU demonstriert werden. Eine militärisch starke EU, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für uns aber kein hehres Ziel an sich; im Gegenteil. (Beifall bei der LINKEN Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Auch bei uns nicht!) Das Gerangel um die Truppenstellung für den Kongo wird dahin gehend interpretiert werden, wie dringend wir doch jetzt die European Battle-Groups brauchen, mit denen man künftig das gesamte Spektrum von Evakuierung bis Kampfeinsatz abdecken will. Diese Kräfte müssen entsprechend ausgerüstet sein. Das kostet. Es glaube doch niemand, dass in Zeiten leerer Kassen unter dieser Voraussetzung ohne weiteres ein Quantensprung bei den Mitteln für zivile Krisenprävention erreichbar sein wird. Genau über diesen Punkt mogeln sich unsere militärisch mainstreamig gewendeten Grünen allzu gerne hinweg. (Beifall bei der LINKEN) Die Linke bleibt dabei: Die allein für den Bundeswehranteil an der EU-Mission aufzubringenden 60 Millionen Euro könnten sinnvoller eingesetzt werden, um die friedliche und demokratische Entwicklung des Kongo zu unterstützen. (Beifall bei der LINKEN) Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen. Wir hören in jüngerer Zeit, dass im Kongo Streiks von Studierenden, Ärzten und Angestellten sowie Proteste von Bewohnern gegen die undurchsichtige Vergabe von Konzessionen an private Investoren im Bergbau zunehmen. Darin drückt sich aus: Es gibt eine lebendige Zivilgesellschaft im Kongo. Ebenso wird deutlich, dass sich die Menschen gegen eine korrupte Oberschicht selbst stark behaupten müssen. (Beifall bei der LINKEN - Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Und diese Menschen wollen wir stärken!) - Moment, Kollege Weisskirchen! - In diesem Zusammenhang müssen wir uns die Frage stellen: Wie sicher sind wir eigentlich, dass die EU-Truppe, die eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen gewährleisten soll, wirklich Demokratie bringen hilft? Könnte es auch sein, dass sie damit zugleich die Herrschaft einer kriegerischen und kleptokratischen Elite stabilisieren hilft, (Beifall bei der LINKEN) einer Elite, die ihre Geschäfte jetzt in einem etwas zivileren Gewand betreiben will? Dieser Frage können wir nicht ausweichen. Ich glaube also, zusammenfassen zu können: Der Militäreinsatz der EU ist nicht sinnvoll. Er trägt starke Züge einer symbolischen Machtdemonstration, lenkt aber von der Frage ab, was wirklich für eine nachhaltige und demokratische Entwicklung des Kongo getan werden müsste. Dazu sagen wir Nein. Wir sagen aber entschieden Ja zu der Verstärkung des internationalen Engagements für Frieden und Demokratie in der Demokratischen Republik Kongo. Ich finde, es ist nicht angemessen, wenn immer das Argument benutzt wird, wer nicht für die Soldaten sei, wolle die Entwicklung im Kongo sich selbst überlassen. Das halte ich für ein Totschlagargument. Wir haben viele Vorschläge gemacht, wie man diesen Prozess sehr konkret und politisch-diplomatisch unterstützen sollte. Genau das sollten wir tun. (Anhaltender Beifall bei der LINKEN)
EU-Militäreinsatz im Kongo ist weder notwendig noch zu vertreten
Rede
von
Paul Schäfer,