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EU-Dienstleistungsrichtlinie ablehnen

Rede von Ulla Lötzer,

"Rede von Ulla Lötzer (DIE LINKE) zum Antrag der Linksfraktion "EU-Dienstleistungsrichtlinie ablehnen"."

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Tatsächlich hat noch nie ein Vorhaben der Europäischen Kommission in der deutschen Öffentlichkeit eine so breite gesellschaftliche Diskussion ausgelöst wie die EU-Dienstleistungsrichtlinie. Die Zeit, in der weitreichende Entscheidungen hinter verschlossenen Türen in Brüssel getroffen werden konnten, ist vorbei. Menschen mischen sich für ein soziales und ökologisches Europa ein und das begrüßen wir ausdrücklich. (Beifall bei der LINKEN) Folgerichtig stößt diese Richtlinie bei Gewerkschaften, Verbänden der kleinen und mittleren Unternehmen, Sozialverbänden, kommunalen Arbeitgebern und vielen anderen auf einhellige Ablehnung. Doch auf diesem Ohr ist die konservativ-liberale Mehrheit im Europaparlament taub. Das gilt auch für Sie, Herr Meyer. Mit den bisher beschlossenen Änderungsvorschlägen - auch Sie haben sie hier eben im Großen und Ganzen als Ihre vorgetragen - soll das Herkunftslandprinzip nämlich nur abgemildert, aber nicht abgeschafft werden. Länder sollen auf Einhaltung ihrer nationalen Bestimmungen dann bestehen können, wenn dies für den Schutz der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit oder der Umwelt unerlässlich ist. Dazu frage ich Sie, Herr Meyer: Wer bestimmt das denn dann? (Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Wir!) Gerade damit wird doch die politische Gestaltung Europas an den Europäischen Gerichtshof abgetreten. Verbraucherschutz, Qualitätsstandards, Leih- und Zeitarbeit sollen weiterhin dem Herkunftslandprinzip unterliegen. Auch mit den aktuellen Änderungsvorschlägen tickt die Bombe für einen uneingeschränkten Dumpingwettbewerb zulasten der Löhne und der Arbeitsbedingungen, der Sozial-, Verbraucher- und Umweltstandards weiter. Mit der völligen Deregulierung des Niederlassungsrechts und den Einschränkungen für kommunale Aufgaben werden demokratische Rechte der Kommunen gerade in der kommunalen Selbstverwaltung und der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgehöhlt. Unternehmen aus Ländern mit hohen Standards werden diskriminiert. Entweder werden dann die Vorschriften geschliffen oder die Unternehmen flaggen aus; Briefkastenfirma genügt. Genauso werden kleine und mittlere Unternehmen auf der Verliererstraße enden und nicht profitieren. Die Ersetzung des Herkunftslandprinzips durch die Gesetze, Standards und das Tarifrecht des Landes, in dem die Dienstleistung erbracht wird, ist und bleibt Minimum einer sozialverträglichen Lösung. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Nach wie vor sollen auch große Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge von der Richtlinie erfasst werden. Sie haben einige Ausnahmen genannt, Herr Meyer. Aber zum Beispiel der Bildungsbereich soll nach wie vor erfasst werden. (Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Nein!) Das hat die Europäische Kommission in der Anhörung ausdrücklich bestätigt. Die Vertreterin der Kultusministerkonferenz hat dies als nicht tragbar abgelehnt. Recht hat sie. Das ist mit einem demokratischen und sozialen Bildungswesen tatsächlich unvereinbar. Genauso gilt das für die Pflege und für andere soziale Dienstleistungen. Einzelne Ausnahmen und Erweiterungen der Ausnahmen reichen nicht aus. Die Herausnahme der gesamten öffentlichen Daseinsvorsorge aus dem Geltungsbereich der Richtlinie ist unverzichtbar. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!) Die Daseinsvorsorge hat im Geltungsbereich dieser Richtlinie nichts zu suchen. (Beifall bei der LINKEN) Die Regierung hat das mit in der Hand. Ohne ihre Zustimmung im Europäischen Rat wird es keine Richtlinie geben. Vor der Wahl haben SPD und auch die Grünen, Frau Dückert, im Bundestag beschlossen, die EU-Kommission aufzufordern, die Richtlinie zurückzuziehen - diese Aufforderung kreiden Sie uns in unserem Antrag jetzt als Boykott an -; (Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Mehrheitsentscheidung!) eine Folgenabschätzung sollte her; das Herkunftslandprinzip wurde abgelehnt. Auch Sie, Herr Duin, lehnen das Herkunftslandprinzip ab. Gleichzeitig ruft der Vorsitzende Ihrer Fraktion im EU-Parlament, Herr Schulz, in den letzten Tagen zur Bereitschaft zum Kompromiss mit den Konservativen auf, damit die Dienstleistungsrichtlinie auf jeden Fall verabschiedet wird. Das nenne ich Nebelkerzen werfen. (Widerspruch bei der SPD) Ihr Parteivorstand ruft zur Demo auf. Das freut uns. Aber dann müssen Sie auch im EU-Parlament und in der Regierung klare Positionen vertreten. (Beifall bei der LINKEN - Garrelt Duin [SPD]: Wir wollen nicht, dass die Gerichte alles entscheiden!) Herr Meyer, unter Federführung der Hessischen Landesregierung hat sich der Bundesrat komplett gegen das Herkunftslandprinzip ausgesprochen. Ihre Abgeordneten im Europäischen Parlament aber sind es, die die Ablehnung des Herkunftslandprinzips bisher verhindern und das auch am 15. Februar weiter tun wollen. Frau Merkel war am Montag bei Herrn Chirac. Man solle doch eine gemeinsame Position finden, umarmt sie ihn - aber nicht, um die Richtlinie mit ihm gemeinsam abzulehnen, sondern mit dem Ziel, ihn von seiner konsequenten Ablehnung abzubringen. Das teilen wir nicht. Dieser Entwurf ist insgesamt noch immer schlecht für die Menschen, auch in der aktuellen Fassung, auch mit Ihren Änderungsvorschlägen. Deshalb fordern wir Sie nach wie vor auf - wie es auch in unserem Antrag steht: Kehren Sie zu Ihrer alten Position zurück, Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen! Lehnen Sie die Richtlinie ab! Statt Herkunftslandprinzip und Privatisierung brauchen wir einen Prozess der Harmonisierung von sozialen und ökologischen Standards in Europa sowie Rahmenrichtlinien für die öffentliche Daseinsvorsorge, die sie vor Privatisierung und Liberalisierung schützen. (Beifall bei der LINKEN) Dafür werden jedenfalls wir am 11. Februar in Berlin und dann auch in Straßburg mit vielen Menschen auf die Straße gehen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Die Demo wird die Aufmerksamkeit für diese Forderung noch erhöhen. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen Realitätssinn und weniger Populismus, das würde Nutzen bringen!)