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Erzeugergenossenschaften als Perspektive für die Milchwirtschaft

Rede von Alexander Süßmair,

Tagesordnungspunkt 25 - Agrarmarktrechtliche Bestimmungen (Milchmarkt):

Alexander Süßmair (DIE LINKE):

Mit der Verabschiedung des Gesetzes zu den agrarmarktrechtlichen Bestimmungen werden Regelungen des europäischen Milchpakets umgesetzt, die die Bildung von Erzeugerorganisation und Branchenverbänden erleichtern und damit die Marktposition der Milchbäuerinnen und Milchbauern verbessern sollen. Aber ob das mit den heute geschaffenen Rahmenbedingungen gelingen kann, bleibt fraglich.

Die Milchquotenregelung wird 2015 beendet, die Globalisierung des Milchmarktes intensiviert sich, und im Molkereisektor sowie dem Lebensmitteleinzelhandel schreitet die Konzentration zu immer weniger immer größeren Unternehmen voran. Es ist deshalb kaum zu erwarten, dass sich die Stellung des bislang schwächsten Glieds in der Kette, den milcherzeugenden Betrieben, unter diesen Bedingungen wirklich verbessern lässt.

Der Milchmarkt wird globaler, unübersichtlicher und unkalkulierbarer. Länder wie Neuseeland, Kanada oder Australien wollen ihre Milcherzeugung ausweiten, um zum Beispiel wachsende chinesische Importe bedienen zu können. Gleichzeitig versuchen aber gerade auch Länder wie China, massiv ihre eigene Erzeugung zu steigern. Dazu kommen unkalkulierbare Entwicklungen bei den Rohstoffpreisen oder Wechselkursen, die das Exportgeschäft und damit die stark exportorientierte Molkereiwirtschaft stören können. Die Exportorientierung bedeutet kein automatisches »Wachstumsmodell«, das allen zugutekommt und der Stabilisierung der Milcherzeugerpreise dient.

Im Gegenteil, es funktioniert ausschließlich nach dem kapitalistischen Wettbewerbsmodell, das heißt, wer im Milchmarkt mit den geringsten Kosten produzieren kann, holt sich Marktanteile im Weltmarkt.

Ökologische oder soziale Kriterien der Erzeugung spielen dabei keine Rolle. Und genau hier liegt das Problem in der Orientierung auf den Export. Solange es keine reelle Chance gibt, einen Welthandel zu organisieren, der neben fairen Handelsbeziehungen ökologische und soziale Mindeststandards in der Erzeugung sichert, ist die Außenorientierung das völlig falsche Modell, um strukturellen Überschüssen in der Milcherzeugung zu begegnen.

Deswegen werden zur Lösung der andauernden Milchkrise das europäische Milchpaket und die damit verbundenen agrarmarktrechtlichen Regelungen nicht ausreichen. Entscheidender Faktor ist, ob es künftig wirksam möglich wird, auf die angebotene Milchmenge Einfluss zu nehmen. Hier liegt ein wichtiger Schlüssel zur Lösung des Milchmengenproblems, zumindest solange die angebotene Milch in Deutschland immer noch 125 Prozent des Verbrauchs ausmacht.

Die Angebotssteuerung kann nicht durch den einzelnen Milchviehbetrieb erfolgen, sondern funktioniert per se nur durch Bündelung der Angebotsmenge und durch eine möglichst effektive Organisation auf der Erzeugerseite. Hierbei ist auch die Höhe des zulässigen Marktanteils an der insgesamt produzierten Menge, den eine Erzeugergemeinschaft auf sich vereinen darf, von elementarer Bedeutung. Wenn es den Erzeugern nicht gestattet wird, sich mindestens in einem gleich hohen Grad wie die abnehmenden Molkereien zu organisieren, können sie keinen entscheidenden Druck bei den Preisverhandlungen aufbauen. Eindrucksvoll bestätigt sich das durch eine aktuelle Studie des Instituts für Genossenschaftswesen der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Studie konnte zeigen, dass, je größer in einem Mitgliedsland der Europäischen Union der Anteil an genossenschaftlichen Molkereien ist, desto höher der Milchpreis für die Erzeuger ist. Wenn es also gelingt, genossenschaftliche Organisation auch auf die Produktion von Milch zu übertragen, wird ein nachhaltig tragendes Konzept für den Milchmarkt entstehen. Aber auch die Wünsche der Verbraucherinnen und Verbraucher nach regionaler, umweltverträglicher und tiergerechter Erzeugung müssen mit einbezogen werden. Dann haben die Menschen in der europäischen Milchwirtschaft auch eine Zukunftsperspektive, zum Wohle aller.

Aber zurück zum Gesetzentwurf: In dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf fehlen die Durchführungsbestimmungen, und in diesen stecken wesentliche Elemente für die Bestimmung der Rahmenbedingungen. Daher ist eine realistische Beurteilung des Gesetzentwurfs in der vorliegenden Fassung unmöglich.

DIE LINKE wird sich deshalb enthalten.