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Erinnerungskultur: Sichtbares Zeichen

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Eine Rede ist eine Rede ist eine Rede.
Und eine Abstimmung in zweiter und dritter Lesung macht aus einem Gesetzentwurf ein Gesetz.

Aber eine für 02.30 Uhr morgens zu Protokoll gegebene Rede ist nichts weiter, als ein später nachzulesender Text. Und ein Gesetzentwurf, der ohne irgendeine Debatte im Plenum nachmitternächtlich im Schnellverfahren zum Gesetz wird, muss für die einbringende Regierungsmehrheit entweder ganz und gar unwichtig oder absolut verheimlichenswert sein.

Das als SICHTBARES ZEICHEN von der Koalition 2005 geplante Dokumentations- und Ausstellungszentrum zu „Flucht und Vertreibung“ ist heute Nacht ganz und gar UNSICHTBAR geworden, aber nunmehr gesetzlich beschlossen.

Unter dem schön neutralen Titel „Errichtung einer Stiftung Deutsches Historisches Museum“, gegen die politisch nichts einzuwenden ist, - wird nun eine auf die Erinnerung und das Gedenken an Flucht und Vertreibung gerichtete Ausstellungs- und Dokumentationsstelle in Berlin errichtet und vom Bund finanziert.

Ein Vorhaben, höchst kontrovers gesehen - im Inland wie im Ausland. Ein Vorhaben höchst missverständlich betitelt: „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung.“

Die Fraktion DIE LINKE hat wiederholt gefragt: Wer soll sich da mit wem versöhnen? Und bisher keine Antwort auf die Frage erhalten.

Und wir haben auch immer wieder die Frage gestellt: wie kann eine solche Institution der Erinnerung ausgerechnet in Berlin, dem Ort, von dem all´ die mörderischen Verbrechen ausgingen, die dann zum Elend von Flucht und Vertreibung geführt haben, der Versöhnung dienen?

Welch eine Chance wurde da vertan? Polens Ministerpräsident Tusk hat Deutschland eingeladen, sich am großen polnischen Anti-Kriegs-Museum in Danzig zu beteiligen. Kein Interesse.
Die Städte Görlitz und Zgorzelec haben sich für eine Doppel-Ausstellung beworben. Kein Interesse. Es gab Vorschläge, Ausstellungen und Dokumentationen im Dreiländereck Deutschland - Polen - Tschechische Republik zu schaffen. Kein Interesse.

Nein, es muss in Berlin sein, und es muss jetzt ganz schnell und klammheimlich etabliert werden, ohne parlamentarische Ansprache - ohne gesellschaftliche Diskussion.
Auch ohne internationalen, wissenschaftlichen Diskurs. Eine für Dezember geplante Konferenz mit polnischen und tschechischen Historikern findet nicht statt, weil polnische und tschechische Historiker abgesagt haben. Ist egal. Hauptsache, die Stiftung wird heute Nacht gesetzlich.

Am 13. November 2008 hat Władysław Bartoszewski der Zeitung „Rzeczpospolita“ gesagt:

„Wir wurden um unsere Meinung gebeten. Wir haben geantwortet, dass wir weder im Namen des polnischen Staates, noch im Namen der Regierung irgendeine institutionelle Handlung in dieser Sache unternehmen werden. Wir haben in letzter Zeit mit der tschechischen Regierung eine gemeinsame Haltung gegenüber dem deutschen Vorhaben vereinbart, die - auf eine einfache Formel gebracht - besagt: Macht wie Ihr denkt, aber passt auf, was Ihr macht!“

Diesen Worten ist wenig hinzuzufügen.
Außer: wer passt auf, was da entsteht und was da gemacht wird? Das Parlament hat wenig Möglichkeiten, wie uns dieser Gesetzesvorgang zeigt. Und nicht nur er. Im 13-Personen Aufsichtsrat-Gremium der Stiftung haben zwei Bundestagsabgeordnete Sitz und Stimme, aber drei Vertreter des Bundes der Vertriebenen - sie stellen die größte Gruppe.

Die Fraktion DIE LINKE lehnt den Gesetzentwurf wegen der Konzeption der Stiftung, ihres Standortes und der Zusammensetzung des Kontrollgremiums ab.

Auch wenn das die Regierungsparteien überhaupt nicht interessiert: eine offene Debatte im Bundestag hätte sie wenigstens zulassen sollen. Auch um der Versöhnung mit unseren Nachbarn willen.