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Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Wehrdisziplinarordnung

Rede von Jens Petermann,

46. Sitzung des Deutschen Bundestages, 10. Juni 2010

TOP 14, Drucksachen 17/572, Fraktion DIE LINKE

Frau Präsidentin/Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Für die Linke geht es mit diesem Antrag um die Durchsetzung der richterlichen Unabhängigkeit, nicht mehr und nicht weniger.
Vor gut einem Jahr kassierte der damalige Bundesminister für Verteidigung einen Beschluss des Präsidiums des Bundesverwaltungsgerichts.
Das für die Verteilung der richterlichen Geschäfte zuständige Präsidium des BVerwG hatte in diesem Beschluss dem Wehrdienstsenat einen ungedienten Richter zugeordnet.
Der Verteidigungsminister berief sich deswegen auf die aus der Nachkriegsära herübergerettete Vorschrift des § 80 Absatz 2 Wehrdisziplinarordnung und ein ursprünglich geheimes Ressortabkommen zwischen dem Bundesministerium für Justiz und dem Bundesministerium für Verteidigung aus dem Jahre 1970.
Normalerweise ist es das ureigene, verfassungsrechtlich garantierte Recht eines jeden Gerichts, die Geschäftsverteilung und die Besetzung der Spruchkammern in Wahrnehmung der richterlichen Unabhängigkeit selbst zu regeln. Das ist ein Gebot der Gewaltenteilung.
Und um es mal ganz deutlich zu sagen: Die Einflussnahme einer Gewalt auf eine andere ist mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar.
Der damalige Verteidigungsminister hat damit in unzulässiger und nicht hinnehmbarer Weise in die von verfassungswegen zu beachtende richterliche Unabhängigkeit eingegriffen - und das ist starker Tobak.
Die richterliche Unabhängigkeit gilt nicht nur für alle Richterinnen und Richter, sondern auch für das gewählte Präsidium eines jeden Gerichts. Der Bundesminister für Verteidigung hätte die Verfassungswidrigkeit dieses sog. Veto-Rechts erkennen müssen und dieses daraufhin nicht anwenden dürfen - trotz seines angeblich „rechtsstaatlich guten Gewissens“!
Stattdessen ignorierte er hier tragende Prinzipien unserer Verfassung . Diese Tatsache hätte die Bundeskanzlerin bereits im Mai 2009 erkennen müssen!
Aber anstatt einzugreifen hat sie den Minister gewähren lassen und sich dadurch neben einer Menge Ärger schließlich auch noch einen veritablen Fehlstart ihrer neuen Regierung organisiert.
Mit dem durch § 80 Absatz 2 Wehrdisziplinarordnung geschaffenen Eingriffsinstrument kann die Bundesregierung als potentielle Prozesspartei die Richterinnen und Richter für alle künftigen Prozesse der Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts bestimmen. Faktisch kann sich also die Militärverwaltung auf diesem Wege die Richterinnen und Richter selbst aussuchen, die u.a. über Rechtsverletzungen bei Militäreinsätzen, wie zuletzt beim Bombardement am Kundusfluß zu entscheiden haben. Wenn Deutschland weiterhin als vorbildlicher Rechtsstaat gelten will, muss der Einfluss der Exekutive auf ihre eigenen Inspektoren unterbunden werden und über jeden Verdacht erhaben sein. Das gehört einfach zu den rechtstaatlichen Standards.
Da bin ich mir übrigens mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den Gerichten einig.
In diesem Kontext ist auch die geplante Einführung von Sondergerichten für Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz zu sehen, die wir im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des GG strikt ablehnen.
Ich gehe davon aus, dass unser Antrag bei Bundesministerin Leutheusser-Schnarrenberger auf offene Ohren trifft.
Wie ihrem Brief an die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vom Oktober 2009 zu entnehmen ist, will sie sich für eine entsprechende Änderung der Wehrdisziplinarordnung einsetzen.
Sie schreibt, dass „…der Respekt vor unserer Verfassung gebietet, den Schutz der richterlichen Unabhängigkeit sicherzustellen. Dazu gehört auch, dass die Gerichte selbständig entscheiden, welcher Richter welchem Senat zugeteilt wird.“
Frau Leutheusser-Schnarrenberger und Herrn zu Guttenberg, verzichten Sie auf Ihr verfassungswidriges Veto-Recht und folgen Sie dem Antrag der Linksfraktion.
Springen sie über ihren koalitionsbedingten Schatten und zollen sie der richterlichen Unabhängigkeit auch in diesem Punkt den nötigen Respekt.