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Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2007

Rede von Barbara Höll,

Rede vom 21.11.2006

Thema: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltjahr 2007

Dr Barbara Höll (DIE LINKE):
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der zweite Haushalt der schwarz-roten Regierung liegt vor und es läuft ein seit Jahren gepflegtes Ritual ab. Abgeordnete freuen sich, die Beratungen beendet zu haben, und die Regierung, insbesondere der Finanzminister, freut sich, dass sie ungeschoren davon gekommen ist.
Auch in diesem Jahr haben die regierungstragenden Abgeordneten nicht den Mut aufgebracht, im Haushalt umzusteuern. Denn nur um 2,42 Milliarden Euro ist der Haushaltsentwurf verändert worden. Er ist und bleibt die Fortsetzung einer unsozialen Sparpolitik, die Fortsetzung einer Umverteilung von unten nach oben,
(Beifall bei der LINKEN)
und das, obwohl es dem Herrn Finanzminister in diesem Jahr wirklich gut geht und es auch im nächsten Jahr so sein wird. In diesem Jahr ist ein Steuerplus von 8,4 Milliarden Euro zu verzeichnen. Im nächsten Jahr werden 9 Milliarden Euro erwartet. Bei der Bundesagentur für Arbeit besteht ein Überschuss von etwa 10 Milliarden Euro.
Das ist viel Geld. Man könnte es natürlich einsetzen. Man könnte zum Beispiel die bei der Bundesagentur anfallenden Überschüsse dafür einsetzen, konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einzuleiten. Nehmen Sie also Geld und schaffen Sie über eine Anschubfinanzierung einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor!
(Beifall bei der LINKEN)
Nehmen Sie Geld und greifen Sie den DGB-Vorschlag auf, zumindest 50 000 Lehrstellen mittels einer Anschubfinanzierung zu schaffen! Viele junge Menschen haben keine Ausbildungsplätze. Wir hätten noch die Chance, zu reagieren. Unsere Fraktion wird einen entsprechenden Antrag einbringen.
(Beifall bei der LINKEN)
Nein, Ihnen fällt nur ein, an der Mehrwertsteuererhöhung festzuhalten. Für das nächste Jahr werden Mehreinnahmen von 19,41 Milliarden Euro erwartet. Der Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung ist ein Gebot der ökonomischen Vernunft. Die Erhöhung ist Gift für die konjunkturelle Belebung. Sie wissen, wir befinden uns in der Situation, dass die Nettolöhne und die Renten sinken und die Armut zunimmt. Genau die davon Betroffenen wollen Sie im nächsten Jahr durch die Mehrwertsteuererhöhung zusätzlich belasten.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich! - Ulrike Flach [FDP]: Das ist wohl wahr!)
Im Sechsten Existenzminimumbericht ist nachzulesen, dass sich die Regierung sicher ist, dass sowohl das Kindergeld als auch das Arbeitslosengeld II als auch die Sozialhilfe bereits heute hoch genug sind, sodass die Mehrwertsteuererhöhung nicht eingerechnet werden muss, obwohl sie nach den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums für jeden Verbraucher zu einer Mehrbelastung von etwa 29 Euro pro Monat führen wird. Aber nein, gerade bei den kleinen Einkommen, den Transferleistungen sagen Sie, sie würden reichen. Das ist eine unsoziale Politik.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Schwächung der Binnennachfrage wird nicht nur durch die Mehrwertsteuererhöhung verursacht. Sie haben mit Ihrer Mehrheit die Erhöhung der Versicherungsteuer, die Kürzung der Pendlerpauschale, die Verkürzung der Dauer des Bezugs von Kindergeld - 451 000 junge Menschen haben dann keinen Anspruch mehr auf das Kindergeld - sowie die Kürzung des Sparerfreibetrages beschlossen. Im nächsten Jahr werden der Binnenkonjunktur etwa 25 Milliarden Euro entzogen. Dazu sagen Sie, das sei nicht konjunkturfeindlich.
(Beifall bei der LINKEN)
Politisch verkaufen Sie die Mehrwertsteuererhöhung in der Form, dass Sie sagen, sie sei notwendig für die Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung und für die Schuldentilgung. Dies ist nicht falsch, aber auch nicht wahr. Denn die Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung fließen in den Bundeshaushalt. Aus dem Bundeshaushalt werden verschiedene Ausgaben finanziert. Man kann natürlich ehrlicherweise sagen, Sie bräuchten mindestens 1 Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung, um Ihre Unternehmensteuerreform zu finanzieren.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Als Oppositionspolitikerin wünsche ich mir manchmal, Sie würden zumindest den Koalitionsvertrag einhalten. Denn darin stand in Bezug auf die Unternehmensteuerreform:
Angesichts des bestehenden Konsolidierungsdrucks in allen öffentlichen Haushalten werden Nettoentlastungen kaum zu realisieren sein.
Inzwischen sind Sie drauf und dran, eine Unternehmensteuerreform zu realisieren, die bei den Unternehmen zu einer dauerhaften jährlichen Entlastung von mindestens 5,6 Milliarden Euro führen wird. Die Fachleute gehen davon aus, dass es real mindestens 8,5 Milliarden Euro sein werden. Das sind Riesensummen, auf die Sie Jahr für Jahr verzichten wollen. Dies macht, wie gesagt, die Einnahmen aus 1 Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung aus.
Herr Steinbrück, da Sie vorhin in einer ziemlich arroganten Weise über die Vorschläge der Linken hinweggegangen sind, nenne ich Ihnen eine andere Finanzierungsquelle. In einer Kleinen Anfrage habe ich Sie gefragt, wie hoch der Unterschied zwischen den erwirtschafteten und den besteuerten Gewinnen ist. In der Antwort Ihres Ministeriums, Drucksache 16/3071, wird festgestellt, dass der Unterschied zwischen den erwirtschafteten und den besteuerten Gewinnen 65 Milliarden Euro beträgt. Ich glaube, da ist Musik drin. Da kann man tatsächlich etwas machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber Vorschläge in dieser Richtung haben wir von Ihnen noch nicht auf dem Tisch.
In den Eckpunkten zur Unternehmensteuerreform ist nachzulesen, dass Sie im Prinzip nur zu geringen Mehreinnahmen kommen wollen. 3,5 Milliarden Euro mehr wollen Sie vom inländischen Steuersubstrat einnehmen. Aber wie, das kann man noch nicht nachlesen.

Wenn man von 65 Milliarden Euro ausgeht und noch im Nebel stochert, wie man an 3,5 Milliarden Euro kommt, ist das ein Armutszeugnis für Ihre Politik. Gleichzeitig wird daran deutlich, wie unnötig die Mehrwertsteuererhöhung ist, die zur Belastung von Kleinverdienern, von Rentnerinnen und Rentnern und von Studentinnen und Studenten führen wird. Wir werden Ihren Haushalt ablehnen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Art Ihrer Diskussion ist wirklich erschreckend. Vielleicht erinnern Sie sich: 1983 gab es einen großen Hit. Eine satirische Rockband, die Erste Allgemeine Verunsicherung, belegte in den Charts Platz eins. Der Name der Band ist inzwischen Realität. Die Bevölkerung ist zutiefst verunsichert. Die Band sang damals: „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt.“ Die Nation freute sich, das Lied wurde zum Hit, heute würden Millionen von Menschen gern in die Hände spucken und von ihrer Hände Arbeit leben,
(Jürgen Koppelin [FDP]: Das war Geier Sturzflug!)
aber es ist ihnen nicht vergönnt. Es gibt keinen Mindestlohn. In dieser Richtung haben wir eine Menge zu tun.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Höll, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Ja.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Herr Koppelin hat eine wichtige Feststellung zu machen!)
Jürgen Koppelin (FDP):
Verehrte Kollegin, da ich früher einmal Leiter einer Musikredaktion bei der ARD war, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es nicht die Erste Allgemeine Verunsicherung war, sondern die Gruppe Geier Sturzflug, die dieses Lied gesungen hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das passt noch besser!)
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Danke für Ihre Verbesserung. Ich glaube jedoch, dass meine Ausführungen bezüglich der allgemeinen Verunsicherung vieler Menschen in unserem Lande völlig richtig sind. Heute geht es nicht einfach darum, dass in Deutschland gemeckert wird. Die Menschen sind zutiefst verunsichert, weil sie nicht mehr wissen, wie es weitergehen wird mit der Politik, ob sie ihnen vielleicht den Boden unter den Füßen wegzieht. Das ist ein Zustand, den wir ablehnen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)