Unterstützung für die Opfer der Heimerziehung heißt, eine angemessene Entschädigung für ehemalige Heimkinder endlich umsetzen. Deshalb darf eine wirkliche Entschädigung der in Heimen misshandelten Kinder nicht an der Frage scheitern, ob die Regierung bereit ist 2 Mrd. € für Menschenrechte auszugeben oder Menschenrechte wieder einmal dem Haushalt unterzuordnen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider kam es nicht zu einem Antrag, der von allen Fraktionen des Hauses getragen werden kann. Es gab zwar die interfraktionelle Arbeitsgruppe. Im Ergebnis entspricht das, was da erarbeitet wurde, allerdings auch nicht ganz den Vorstellungen meiner Fraktion.
Aus Sicht der Linken ist an die damals betroffenen Kinder, die in Heimen misshandelt wurden, eine wirkliche Entschädigung zu leisten.
(Beifall bei der LINKEN)
Auf die Einzelheiten des Grauens, das diese Kinder damals durchlebt haben – das ist heute auch noch einmal angesprochen worden –, muss ich nicht noch einmal eingehen.
Wiedergutmachen kann man das nicht, aber man kann das Leid der Betroffenen anerkennen und ein Schmerzensgeld zahlen, das zumindest angemessen erscheint. Legt man die Zahlen zugrunde, die auch in der Anhörung im Ausschuss zur Sprache kamen, so entspricht der von den anderen Fraktionen beantragte Fonds von 120 Millionen Euro einer Entschädigung von 125 Euro pro Kopf. Von daher waren und sind wir uns fraktionsübergreifend alle einig, dass die veranschlagten 120 Millionen Euro nicht ausreichen werden.
Gleichwohl hat der Haushaltsausschuss gestern beschlossen, die 40 Millionen Euro Anteil des Bundes als einmalige maximale Obergrenze zu veranschlagen und aus dem Einzelplan 17 zu finanzieren. Mit anderen Worten: Entschädigung der Kinder von gestern auf Kosten der Kinder von heute.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Eine Sauerei ist das!)
So viel zu der Familien- und Entschädigungspolitik dieser Regierung. Darin kann kaum eine Anerkennung des Leidens oder auch nur ansatzweise eine Schadenswiedergutmachung gesehen werden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Deshalb gehen die Forderungen im Antrag der Linken über die im Antrag der übrigen Fraktionen hinaus. Wir fordern nicht nur eine angemessene Versorgung anknüpfend an noch bestehende Folgeschäden, sondern wirkliche Entschädigung. Die Entschädigung muss sich an dem persönlich erlittenen Unrecht orientieren und nach Überzeugung der Linken bis zu 54 000 Euro betragen; in besonders schweren Fällen soll der Betrag höher ausfallen können. Wenn wir davon ausgehen, dass wir jedes zehnte Kind mit einem durchschnittlichen Betrag von 27 000 Euro entschädigen müssten, würde dies den Haushalt mit etwa 2 Milliarden Euro belasten. Die Frage ist, ob wir bereit sind, 2 Milliarden Euro für die Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen auszugeben.
Die Berechtigung der finanziellen Forderungen der betroffenen Heimkinder zeigt ein kurzer Blick ins Zivilrecht. Im System der deliktischen Handlung spielt das Schmerzensgeld eine wichtige Rolle für die Anerkennung des erlebten Leidens; dies ist nicht in wirtschaftliche Kosten, Arztrechnungen etc. übertragbar. Der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ ist vorhin angesprochen worden. Wenn man die Ergebnisse dieses Runden Tisches betrachtet, muss man feststellen, dass die Unabhängige Beauftragte Christine Bergmann in ihrem Abschlussbericht ein Modell vorgelegt hat, welches Entschädigungszahlungen in Höhe der entsprechenden Schmerzensgeldsätze mit einer Obergrenze von 50 000 Euro vorsieht. Aus Sicht der Linken wäre es ein fatales Signal an die ehemaligen Heimkinder, wenn eine vergleichbare Opfergruppe Entschädigungen mit Genugtuungsfunktion erhielte, die für sie selbst nicht vorgesehen sind.
Die Einrichtung einer Stiftung oder eines Fonds, wie es vorgeschlagen wird, reicht nicht aus. Nein, es bedarf eines Gesetzes – dies fordern wir –, welches den Betroffenen einen Rechtsanspruch auf Entschädigung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen gewährt; dieser kann notfalls auch auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden.
Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass die damals betroffenen Heimkinder teilweise auch in Betrieben als billige oder kostenlose Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Diese Betriebe gilt es festzustellen und zu der Finanzierung der Entschädigung mit heranzuziehen. Es darf nicht bei Bund, Ländern und Kirchen bleiben.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen sie aber noch lange warten, bis sie etwas kriegen!)
Wir alle sind uns einig, dass wir gemeinsam einen Kampf gegen Kinderarbeit führen wollen; das kam gestern im Ausschuss zur Sprache. Lassen Sie uns mit einem entsprechenden Gesetz beginnen, um zu zeigen, dass wir unsere Vergangenheit nicht verdrängen, die damaligen Opfer als solche entsprechend anerkennen und zumindest ein wenig Wiedergutmachung leisten. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.