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Entlastung bei der Grundsicherung ja, aber wir müssen an die Zukunft denken

Rede von Katrin Kunert,

Katrin Kunert (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Wenn Rentnerinnen und Rentner, egal ob sie eine Rente im Alter oder eine Rente wegen Erwerbsminderung bekommen, von ihrer Rente nicht leben können, dann ist die Grundsicherung fällig. Es ist ausdrücklich nicht Aufgabe der Kommunen, die Grundsicherung zu zahlen, weil dies nämlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Sprich: Der Bund hat hierfür geradezustehen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Bernd Scheelen (SPD))

Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die komplette Kostenübernahme bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung; denn die Kommunen sind in den letzten Jahren mit den Kosten alleingelassen worden. Das sage ich aus dem Wissen heraus, das ich in über 20 Jahren in der Kommunalpolitik gesammelt habe.

Ich habe eine Bitte, Herr Brauksiepe.
(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er liest gerade seine Akten!)
- Wahrscheinlich ist er so verliebt in seine Rede von vorhin. -
(Bernd Scheelen (SPD): So gut war die jetzt auch wieder nicht!)
Ich habe eine Bitte: Tun Sie bitte nicht so, als wären Sie von ganz allein auf die Idee gekommen, die Kommunen zu entlasten. Niemand in dieser Bundesregierung hat die Absicht, die Kommunen wirklich nachhaltig zu entlasten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Karl Schiewerling (CDU/CSU): Das ist falsch! - Bettina Kudla (CDU/CSU): Das ist eine böse Unterstellung!)

Was Sie hier heute präsentieren, ist das Resultat von Verhandlungen im Vermittlungsausschuss.
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Genau so ist es!)
2008 ging es um die Absenkung der Kosten der Unterkunft. Dabei hat man auch über die Kosten der Grundsicherung verhandelt.
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Aber was für ein Handel! Ein Kuhhandel!)
2011 ging es erneut um das Hartz-IV-Paket. 2012 haben Sie die Länder dadurch zur Zustimmung zum Fiskalpakt bewegen können, dass Sie die komplette Übernahme der Kosten zugesichert haben.

Sie haben weder Plan A noch Plan B. Sie verhalten sich wie auf einem Basar. Ihnen geht es gar nicht um die Entlastung der Kommunen, sondern Sie machen die Kommunalfinanzen immer zum Gegenstand von Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. Das ist einfach nicht hinnehmbar.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch Folgendes sagen: Es ist nicht Inhalt dieses Gesetzes, aber wer ist für die Gegenfinanzierung der Kostenentlastungen bei den Kommunen zuständig? Wer zahlt das? Das wird dann bei den Geldern für die Bundesagentur für Arbeit abgeschmolzen. Das wiederum bedeutet, dass Erwerbslose diese Zeche zahlen, weil dann weniger Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt möglich sind. Auch das ist für uns nicht hinnehmbar. Das kritisieren wir ausdrücklich.
(Beifall bei der LINKEN)

Ich will etwas zum Gesetzentwurf sagen, denn er ist an einigen Stellen in jedem Falle nachzubessern. Derzeit gibt es laut § 29 SGB XII die Möglichkeit, örtlich abweichende Regelsätze zu zahlen. Das macht derzeit die Stadt München. Da die Lebenshaltungskosten sehr hoch sind, zahlt die Stadt zusätzlich Geld. Derzeit sind das dort für eine einzelne Person 393 Euro, also 19 Euro mehr als der bundesweit geltende Regelsatz. Allein in der Stadt München sind das 15 466 Personen. Diese Möglichkeit des örtlich abweichenden Regelsatzes wollen Sie mit diesem Gesetzentwurf streichen. Das halten wir für ein Problem. Wir möchten gern, dass diese Möglichkeit beibehalten wird.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist im Übrigen auch sehr interessant, dass Sie bei den Regelsätzen sagen: Wir wollen keine differenzierte Herangehensweise, sondern für alle die gleiche. Bei den Kosten der Unterkunft allerdings lassen Sie die regional unterschiedlichen Richtlinien gelten, weil Sie sehr wohl wissen, dass die restriktiven Richtlinien der Kommunen zum Teil nicht immer im Sinne der Betroffenen sind. Das muss man hier wirklich sehr kritisch hinterfragen.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung des Abg. Bernd Scheelen (SPD))

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen will: Sie versprechen den Kommunen eine tatsächliche Entlastung. Ich frage Sie aber, wie Sie das regeln wollen, wenn Sie bei der Weiterleitung der Gelder an die Länder nicht dafür sorgen - die Verantwortung dafür verneinen Sie ausdrücklich -, dass diese die Gelder an die Kommunen weiterreichen. Hier gibt es keine bundesrechtliche Regelung. Diese fordern wir im Sinne der Kommunen ein.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Bernd Scheelen (SPD))

Zum anderen bleiben die Kommunen auf Kosten sitzen, nämlich auf Verwaltungs- und Personalkosten. Im Landkreis Märkisch-Oderland werden derzeit die Personal- und Verwaltungskosten auf 200 000 Euro beziffert. In Erwartung der Anzahl der Arbeitslosengeld-II-Beziehenden, die dann in die Grundsicherung fallen, verdoppeln sich die Kosten für Personal und Verwaltung. Das haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht geregelt. Darüber sollten wir in jedem Fall noch einmal reden.
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das ist mein Wahlkreis!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im nächsten Jahr betragen die Kosten für die Grundsicherung in der Bundesrepublik, so die Zahlen der Bundesregierung, 3,1 Milliarden Euro. Im Jahre 2016 geht der Bund von 5,46 Milliarden Euro aus. Hinter dieser Steigerung verbergen sich viele Menschen, die in ihrem Lebensalter darauf angewiesen sein werden, Grundsicherung zu beziehen. Das muss uns doch eigentlich alle alarmieren, damit wir endlich die Grundlagen dafür schaffen, dass Menschen mit ihrer Hände Arbeit eine armutsfreie Rente erarbeiten können.
(Beifall bei der LINKEN)

Damit kommen wir automatisch zum gesetzlichen einheitlichen Mindestlohn in der Bundesrepublik. Ich denke, das ist eine der Grundlagen, um Grundsicherungsnehmerinnen und -nehmer, wenn ich das so sagen darf, zu vermeiden.

Ein weiterer Punkt ist, dass wir eine vernünftige Rentenversicherung auf den Weg bringen müssen, die solide, gerecht und solidarisch ausgestaltet ist. Hierzu sagt die Linke erstens ganz deutlich: Eine Rente muss zum Leben reichen. Das heißt auch, dass das Rentenniveau wieder angehoben werden muss.
(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Unbedingt! Auf 53 Prozent!)
Alle Fraktionen nehmen in Kauf, dass sich dieses Niveau in den nächsten Jahren immer weiter verringert. Das produziert wiederum Armut im Alter, und das ist die Ursache für die späteren Kosten der Grundsicherung.

Zweitens fordert die Linke, alle Kürzungen aus der Rentenanpassungsformel zu streichen.

Drittens fordern wir nach über 20 Jahren deutsche Einheit, dass die Renten in Ost und West endlich angeglichen werden.

Als letzten Punkt zur Rentenversicherung fordern wir, dass die Rente mit 67 abgeschafft wird. Wir hoffen, dass sich auch die SPD dazu durchringen kann.
(Bernd Scheelen (SPD): Bestimmt nicht!)

Wenn wir diese ganzen Maßnahmen im Voraus greifen lassen, dann können wir Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung verhindern.
(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Jetzt braucht es nur noch jemanden, der das zahlt!)
Denn Menschen, die ihr ganzes Leben lang arbeiten, müssen ihren Lebensabend würdevoll verbringen dürfen.

Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)