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Energiewende nur ohne EURATOM

Rede von Alexander Ulrich,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Seit dem Bestehen der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM), also seit 54 Jahren, wird die Atomenergie in Europa von allen EU- Mitgliedsländern, und damit von all ihren Bürgerinnen und Bürgern, mit Milliarden subventioniert und gefördert.

Dies geschieht im Wesentlichen von der Öffentlichkeit unbemerkt: Nicht etwa weil die Menschen nicht interessiert daran wären, zu wissen wohin ihr Geld fließt. Nein, die Wahrheit ist vielmehr, dass sie davon gar nichts wissen können!

Denn das Entscheidungsverfahren und die Finanzierung von EURATOM verläuft intransparent und damit völlig undemokratisch.

Die Bürgerinnen und Bürger der EU können weder Einfluss auf die Kreditvergabe und Forschungsförderung für Atomkraftwerke und Atomenergie nehmen, noch könnten sie sie verhindern. Aber selbst wenn das Verfahren transparenter wäre, hätten sie rechtlich nicht die einmal Möglichkeit zu intervenieren. Denn die Finanzierung der europäischen Atomgemeinschaft unterliegt keiner demokratischen Kontrolle durch das Europäische Parlament.

Dies ist aus mehreren Gründen mehr als skandalös.

Zum einen ist die öffentliche Meinung mehrheitlich gegen den Ausbau der Atomenergie, mehrere Länder betreiben keine Atomkraftwerke, haben einen Ausstiegsbeschluss oder haben die Atomfreiheit, wie es in Österreich der Fall ist, in der Verfassung fest verankert. Trotzdem aber werden sie alle über den EURATOM-Vertrag verpflichtet, Atomenergie weiterhin zu fördern.
Selbst Firmen wie Siemens überlegen inzwischen aufgrund des hohen Risikos der Atomenergie aus der Kernenergieforschung auszusteigen, auch hier fehlt es aufgrund des EURATOM-Vertrages an politischer Unterstützung.

Zum zweiten stellt diese Milliardenschwere Subventionierung der Atomenergie in Europa ein Skandal angesichts der Ereignisse allein der letzten Monate dar. Die Nuklearkatastrophe von Fukushima, die Explosion im Atomkraftwerk Marcoule in Südfrankreich sowie die Feststellung von erhöhten Strahlenwerten in Gorleben haben gezeigt, dass die Nutzung der Atomenergie eine immense Gefahr für Mensch und Umwelt bedeutet und dass sie trotz dieser Milliardeninvestitionen und Subventionierungen keineswegs sicherer geworden ist.

Mit Blick auf die angeblichen Ambitionen der EU-Kommission und der Bundesrepublik Deutschland, eine Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien voran treiben zu wollen, gewinnt das ganze eigentlich sarkastische Züge. Denn es ist entlarvend, dass die EU seit Jahrzehnten die größten Summen, und dies hat sich auch mit der Nuklearkatastrophe in Japan nicht geändert, nicht etwa in die Förderung der Erneuerbaren Energien steckt, sondern in das EURATOM-Programm.

Und es ist auch entlarvend, dass die größten Summen des EURATOM-Budgets nicht, so wie offiziell behauptet wird, in den Strahlenschutz oder in die Verbesserung der Sicherheitsstandards investiert werden, sondern in die Erforschung der Kernspaltung und besonders von Kernfusion.

Ebenso wird die doppelgleisige Fahrt deutlich, indem die Bundesregierung die Milliardenbürgschaft für den Bau des brasilianischen Atomkraftwerkes Angra 3 verlängert hat und keine Ambitionen zeigt aus dem EURATOM- Vertrag auszutreten oder ihn wenigsten einmal zu kritisieren, um damit einen am Ende sinnvollen Schritt hin zur Energiewende möglich zu machen.

Auch dass SPD und Grüne, letztere als angebliche Protagonisten der Umweltpolitik, keine konsequente Initiative gegen und Kritik an den EURATOM-Vertrag und somit an der EU-weiten Förderung der Atomenergie starten, zeigt ihre heuchlerische Haltung in Sachen Atomenergie.
Denn die Aufrechterhaltung des EURATOM-Vertrages verwässert und konterkariert den von der Bundesregierung und von SPD und Grünen gestützten „Ausstiegsbeschluss“.
Denn ein ernst gemeinter Atomausstieg ist nur ohne EURATOM möglich!

Die Milliarden Euro, die in EURATOM fließen, hätten längst für den Ausbau von erneuerbaren Energien und die hierfür benötigte Forschung verwendet werden müssen. Dies hätte uns gewiss schon ein großes Stück weiter gebracht. Dieses Geld ist dringend nötig um eine umweltverträgliche, arbeitsmarktorientierte und verantwortungsvolle Energieversorgung zu ermöglichen!

DIE LINKE. fordert die Bundesregierung auf, sich für die Auflösung von EURATOM und den Abschluss eines neuen europäischen Vertrages einzusetzen, auf dessen Grundlage eine alternative Europäische Gemeinschaft zur Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeinsparung eingerichtet wird.

DIE LINKE. fordert zudem, dass die Bundesregierung, solange die Auflösung von EURATOM noch nicht durchgesetzt werden konnte, eine Initiative für die Entflechtung der vertraglichen Grundlagen der EU und von EURATOM zu ergreifen und den EURATOM-Vertrag einseitig zu kündigen.

Auf nationaler Ebene muss die Bundesregierung sich für den vollständigen Atomausstieg bis 2014 einsetzen und den Atomausstieg im Grundgesetz verankern. Strompreise sollen sozial abgefedert und die Marktaufsicht wahrgenommen werden. Nicht zu letzt müssen die großen Energiekonzerne entmachtet und die Energiewende demokratisiert werden. Die Energiewende aufgrund neuer Technologien wird viele neue Arbeitsplätze schaffen. Wir müssen diese Chance nutzen und eine dezentrale und für alle Menschen bezahlbare Energieversorgung mit einer transparenten und demokratischen BürgerInnenbeteiligung, mit verbindlichen Konzepten für faire Übergangsstrategien, die die Arbeitnehmerinteressen in den Vordergrund stellen und mit Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen endlich auf den Weg bringen!

Die vielen Mitgliedsländer der EU und ihre vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich inzwischen deutlich gegen die Nutzung der Atomkraft aussprechen, müssen in ihrer Meinung endlich politische und rechtliche Unterstützung finden!