Rede von Heidrun Bluhm zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN „Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Deutschen Bundestag“ (Drucksache 17/6946) sowie des Antrages des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP „Für die konsequente Begleitung der Energiewende durch steuerliche Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz im Gebäudebereich“ (Drucksache 17/7022) am 22. September 2011 im Plenum des Deutschen Bundestages.
Heidrun Bluhm (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir wollten hier eigentlich eine sachliche Debatte führen. Ich will versuchen, die Diskussion auf den Kern zurückzubringen. Wir alle, nicht nur die Koalitionsfraktionen, sondern auch die Oppositionsfraktionen, haben damals der Energiewende und den Klimazielen dieser Bundesregierung zugestimmt. Das haben wir getan, weil wir wissen, dass diese Frage elementar für die weitere Entwicklung nicht nur Deutschlands, sondern auch Europas und der ganzen Welt ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt geht es darum, diese Ziele zu untermauern, sie für jeden erreichbar zu machen und jeden am Prozess Beteiligten in die Lage zu versetzen, diese Ziele zu unterstützen. Mit Ihrem Steuergesetz werden diese Ziele zwar unterstützt; dies gilt aber nur für einige. Das ist Klientelpolitik, Klientelpolitik für diejenigen, die es sich ohne hin leisten können, Sanierungen vorzunehmen, und dies auch leisten müssen, weil Eigentum verpflichtet.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Der Steuerzahler ist unsere Klientel!)
Wenn wir diesen Prozess unterstützen wollen, dann müssen wir ihn richtig und vor allem sozial ausgewogen unterstützen. Das heißt, wir müssen alle am Prozess Beteiligten im Auge haben und beobachten, was dort passiert. Was Sie hier vorhaben, führt letztlich dazu, dass die, die viele Steuern zahlen – Frau Dr. Reinemund hat es vorhin gesagt –, auch viele Steuern sparen können, nämlich in Höhe von 10 Prozent der Sanierungskosten, wenn durch die Sanierung erreicht wird, dass ein Primärenergiebedarf von 85 Prozent, bezogen auf einen vergleichbaren Neubau, nicht überschritten wird.
(Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Das ist der Facharbeiter mit dem Spitzensteuersatz von 52 000!)
– Ja, sicher, auch dem Durchschnittsverdiener kann das durchaus nutzen. Aber was macht denn derjenige, der diese Sanierung nicht zahlen kann, weil er das Einkommen nicht hat? Der wird also von der energetischen Sanierung ausgeschlossen,
(Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Nein, das sind doch Nebenkosten!)
weil er sich den gesamten Finanzierungsprozess nicht leisten kann. Sie hätten parallel zu Ihrem Steuergesetz vielleicht auch darüber nachdenken sollen, dass die Mieterinnen und Mieter dazu ebenfalls ihren Beitrag zu leisten haben. Diesen Beitrag leisten die Mieter parallel zur Steuerabschreibung zehn Jahre lang, indem nämlich eine 11-prozentige Sanierungsumlage auf die anzuerkennenden Kosten angesetzt werden kann; (Sebastian Körber [FDP]: Das sind doch Nebenkosten!) Dieser Beitrag ist zudem überproportional, weil die eingesparten Betriebskosten das bei weitem nicht kompensieren werden.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Möchten Sie die Frage von Herrn Körber zulassen, Frau Kollegin?
Heidrun Bluhm (DIE LINKE):
Gern.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön.
Sebastian Körber (FDP): Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich habe eine kurze Nachfrage. Sie haben, glaube ich, einen Sachverhalt nicht ganz zutreffend dargestellt. Von der energetischen Gebäudesanierung – das hat ja auch eine Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages ergeben –
(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die hätten Sie mal anhören sollen!)
profitieren nicht nur die Hauseigentümer, sondern auch die Mieter, und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Nebenkosten spürbar reduziert werden können. Je nachdem, um welche Wohnung es sich handelt und in welchem Zustand sich ein Gebäude befindet, können das zwischen 30 und 70 Prozent sein. Vielleicht können Sie noch einmal erklären, was Sie vorhin gemeint haben; denn meiner Auffassung ist es sehr wohl möglich, dass gerade Mieter durch eine reduzierte Warmmiete sehr deutlich und spürbar von der Maßnahme profitieren. Was sagen Sie dazu? Herzlichen Dank für die Frage. Ich werde noch einmal ausführlich auf ein Rechenbeispiel eingehen. In der Tat ist es so, dass die Betriebskosten – insbesondere bei der Heizung – dadurch gesenkt werden, dass energetisch saniert wird. Das erkennen wir an; das haben auch die Anhörungen ergeben. Diese Einsparung wird aber bei weitem nicht das kompensieren können, was an zusätzlicher Miete zu zahlen ist. Nehmen wir einmal folgenden Fall an: ein Sechsfamilienhaus, ein gewerblicher Vermieter, sechs Mietverträge. Der Vermieter führt eine energetische Sanierung durch. Für diese energetische Sanierung gibt er etwa 350 000 Euro aus. Jetzt ziehen wir einmal Kosten von 50 000 Euro ab – wenn ich eine Komplettsanierung mache, ist das so –, (Sebastian Körber [FDP]: Milchmädchenrechnung!) die bei der Betrachtung nicht anerkannt werden können. Dann bleiben etwa 300 000 Euro übrig. Von dieser Summe muss sich der Vermieter noch einen Teil als Eigenleistung abrechnen lassen. Dann bleiben 240 000 Euro übrig, die er steuerlich ansetzen kann und die er gegebenenfalls auch auf die Miete anrechnen kann, und zwar mit 11 Prozent im Jahr, zehn Jahre lang. Diese Erhöhung macht der Vermieter später nicht mehr rückgängig; die Miete bleibt auf diesem Niveau. Von den 240 000 Euro, die vielleicht übrig bleiben, können Sie 11 Prozent auf die Mieter umlegen; das sind 25 000 Euro im Jahr. Dies bedeutet für den Mieter eine Erhöhung der Nettokaltmiete von im Durchschnitt 3 Euro pro Quadratmeter aufgrund der Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen.
(Sebastian Körber [FDP]: Völlig praxisfern!)
Dabei sparen die Mieter bei den Heizkosten lediglich bis zu maximal 70 Cent pro Quadratmeter. Und jetzt sagen Sie mir bitte, Herr Körber, warum es für die Mieter keine Belastung bedeutet, wenn sie 2,30 Euro mehr zahlen müssen. Auch dieses Ergebnis hat die Anhörung ergeben; Ihre Argumentation, das Ganze pauschal auszugleichen, ist schlicht nicht richtig. Das muss hier ganz deutlich gesagt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will noch einmal zum Ausdruck bringen: Auch wir haben damals dem Gesetzentwurf wegen der Mängel nicht zugestimmt. Ich muss das nicht noch einmal sagen; Frau Kressl hat das bereits sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, und dieser Meinung schließen wir uns an. Wir sind aber trotzdem dafür, dass im Vermittlungsausschuss nachgearbeitet wird. Herr Gutting, den Ländern zu unterstellen, dass sie eine reine Machtdemonstration vornehmen, halte ich für bedenklich. Denn das Recht auf Anrufung des Vermittlungsausschusses steht dem Bundesrat zu. Sie verweigern sich heute. Wenn die Machtdemonstration von Ihnen durchbrochen werden sollte, dann kann man sich mit Ihnen gemeinsam im Vermittlungsausschuss hinsetzen und das Gesetz so nacharbeiten, dass die Länder und Kommunen nicht überproportional belastet werden. Wenn das auf den Weg gebracht ist, dann sind auch wir dafür, dass es steuerliche Erleichterungen gibt. Das muss aber auf einer sozial gerechten Grundlage geschehen und vor allem nicht gegen den Willen und gegen das Portemonnaie der Mieterinnen und Mieter.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)