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Einheitliche Europäische Rechnungsführungsstandards bergen erhebliche Herausforderungen und benötigen einen umfassenden Reformenwillen

Rede von Steffen Bockhahn,

Steffen Bockhahn, zu dem Bericht der Kommission an den Rat des Europäischen Parlament: Die angestrebte Umsetzung harmonisierter Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor in den Mitgliedsstaaten – die Eignung der IPSAS für die Mitgliedstaaten (Ratsdok. Nr. 7677/13) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 GG i.V.m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union > Drucksache 17/13183 Nr. A.12, 1714148

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,

grundsätzlich ist die Idee, einheitliche Buchführungs- und Bilanzierungsstandards innerhalb der Europäischen Union zu schaffen, zu begrüßen. Wer sich einmal für einen gemeinsamen Binnenmarkt entschieden hat, benötigt auch einheitliche Rechnungsführungsstandards. 27 Rezepte, mit dem EU-Beitritt Kroatiens am Montag dann 28, für ein und die selbe Suppe, bieten in der Küche zwar eine gute Abwechslung, sind im Haushaltswesen jedoch kontraproduktiv. Hier ist es notwendig eine Vergleichbarkeit der EU-Mitgliedsstaaten zu erreichen. Nur so können Haushaltsdaten und ihre Finanzstabilität zuverlässig geprüft und die Einhaltung der Maastricht-Kriterien kontrolliert werden.

Für die Bundesrepublik Deutschland, als ein föderal organisiertes Land,  würde die Einführung einheitlicher Rechnungsführungsstandards jedoch auch einen erheblichen Kostenaufwand bedeuten. Die Europäische Kommission schätzt diesen auf bis zu 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Laut Kommission müssten also bis zu 2,5 Milliarden Euro für eine Umstellung der Rechnungsführung innerhalb von zehn Jahren eingeplant werden. Das Bundesfinanzministerium dagegen kann die finanziellen Auswirkungen für Deutschland derzeit noch gar nicht präzise abschätzen. Für alle staatlichen Ebenen, also inkl. Länder und Kommunen, geht das BMF lediglich von einem einstelligen Milliardenbetrag aus. Eine Verdreifachung der Kosten ist im schlimmsten Fall also nicht auszuschließen.

Für die kleinsten Verwaltungsebenen, die Kommunen, ist dies, angesichts notorisch klammer Kassen, jedoch eine desaströse Aussicht. Zwar hat ein Teil der Kommunen schon jetzt auf ein doppisches Rechnungswesen umgestellt. Um einheitliche Begrifflichkeiten zu schaffen wird eine nochmalige Anpassung der Standards jedoch unumgänglich. Schon jetzt müssen Schulen schließen, kulturelle Angebote können nicht mehr gefördert und dringend notwendige Infrastrukturmaßnahmen müssen aufgeschoben werden, weil die Kommunen keinen finanziellen Spielraum mehr haben. Es geht also nicht, dass auf höchster Ebene eine, mit massiven und nicht absehbaren Kosten verbundene, Umstellung der Rechnungsführung beschlossen wird, die die Kommunen dann allein schultern müssen. Bevor einheitliche EPSAS erarbeitet werden, muss innerhalb Deutschlands erst einmal geklärt werden, wie dieses Reformvorhaben finanziert und mit dem Austeritätsprinzip vereinbart werden kann, ohne dass dafür bestehende Ausgaben im Bereich der allgemeinen Daseinsvorsorge und der notwendigen öffentlichen Verwaltung weiter gekürzt werden müssen.

Darüber hinaus muss darauf geachtet werden, dass neben dem doppischen Rechnungswesen auch eine entsprechende doppische Haushaltsplanung eingeführt wird. Wird dies, wie im Bericht der Europäischen Kommission, nicht beachtet, besteht die Gefahr, dass zwar doppisch gebucht, de facto jedoch eine kamerale, also am Geldverbrauchskonzept orientierte, Haushaltsplanung beibehalten wird. Die wichtigste Steuerungsebene Haushaltsplanung würde damit weiterhin in alten Denkstrukturen verhaftet bleiben.

Die Einführung von EPSAS setzt somit einen umfassenden Reformprozess innerhalb aller europäischen Mitgliedsstaaten voraus. Wenn die Bundesregierung möchte, dass nicht nur doppisch gebucht, sondern auch doppisch geplant wird, muss sie sich aktiv in den Prozess der Erarbeitung der Standards einbringen. Letztlich ist das auch ein Weg um zu gewährleisten, dass trotz neuer Regelungen die Budgethoheit der Parlamente und Gemeindevertretungen in der Bundesrepublik Deutschland beibehalten wird.

Zum Schluss möchte ich aber noch darauf hinweisen, dass auch die Buchung in einem doppischen Verfahren Haushaltsnotlagen nicht lösen kann. Im Gegenteil führt sie gelegentlich sogar zu einer Verschärfung. Ich bin Vorsitzender des Finanzausschusses der Rostocker Bürgerschaft und erlebe dort immer wieder, welche Herausforderungen es mit sich bringt doppisch zu buchen. Allein bei uns müssen jedes Jahr 32 Millionen Euro Abschreibungen erwirtschaftet werden. Geld, das eigentlich nicht da ist, nur auf dem Papier bewegt wird und letztlich zu einem Minus im Haushalt führt. Da sollten sich die Europäischen Rechnungsprüfer noch einmal verständigen, wie so etwas verhindert werden kann.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.