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Eine Haushalt mit erheblichen Schwächen und einer sozialen Schieflage

Rede von Michael Leutert,

Rede zum Haushalt 2010 des Bildungs- und Forschungsministeriums

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin, der hier vorgelegte Haushalt ist durch drei Merkmale gekennzeichnet.
Erstens: Alte Probleme werden nicht angegangen. Zweitens: Fehlentwicklungen werden nicht korrigiert. Drittens: Sie verwechseln Überschriften mit Konzepten.

Zum ersten Punkt: Seit Jahren ist allen das Problem des Fachkräftemangels bekannt. Lösen kann man es unter anderem durch Weiterbildung. Viele Menschen mit geringem Einkommen - das gilt insbesondere für die über 30-Jährigen - können sich die Weiterbildung aber nicht leisten. Genau aus diesem Grund brauchen wir ein
Erwachsenenbildungsförderungsgesetz: um den Betroffenen finanziell unter die Arme zu greifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das hat im Übrigen schon 2004 eine unabhängige Expertenkommission der Bundesregierung festgestellt. Sie hat den exakt gleichen Weg vorgeschlagen. Getan hat sich vonseiten der Regierung aber nichts. Wir Linken haben wiederholt einen Antrag gestellt, den Sie im Ausschuss aber leider abgelehnt haben.

Ein zweites Beispiel für nicht angegangene alte Probleme ist der Hochschulpakt. Auch hier ist seit langem bekannt, dass es eine Diskrepanz zwischen ständig steigenden Studierendenzahlen und einer zu geringen Anzahl an zur Verfügung stehenden Studienplätzen gibt. Darauf wurde schon im Jahr 2006 durch die Hochschulrektorenkonferenz hingewiesen. Zur Lösung des Problems wurde ein Mehrbedarf von 2,3 Milliarden Euro - und zwar jährlich - festgestellt. Im vorgelegten Haushalt werden für die Verbesserung der Studienkapazitäten gerade einmal
250 Millionen Euro eingeplant. Aber auch hier haben Sie die Möglichkeit, dem Antrag der Linken zuzustimmen.

Zum zweiten Punkt: Fehlentwicklungen, die nicht korrigiert werden. Seit Jahren weisen wir Linken darauf hin, dass es notwendig ist - Herr Kollege Rehberg, wir
hatten das Thema gerade -, bei Förderinstrumenten auf Synergieeffekte zu setzen. Wenn man zum Beispiel beim Spitzenclusterwettbewerb Forschung und Entwicklung als Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern will, dann sollte auch die Förderung strukturschwacher Regionen als Kernaufgabe enthalten sein. Wenn dem nicht so ist, gewinnen wirtschaftlich eh schon stark entwickelte Regionen. Man sieht das, wenn man einen Blick auf die Liste der Gewinner der zweiten Runde des Spitzenclusterwettbewerbs wirft: Dort ist kein ostdeutsches Projekt mehr vertreten.

Wir sagen Ihnen deshalb ganz klar: Sie sollten die für den Spitzenclusterwettbewerb vorgesehenen zusätzlichen Mittel in Höhe von 15 Millionen Euro besser für die Förderung der Forschung an Fachhochschulen ausgeben. Gerade in strukturschwachen Regionen trägt die anwendungsnahe Forschung zur Stärkung regionaler Wirtschaftsstrukturen bei.

(Beifall bei der LINKEN)


Zum dritten Punkt: Wo sind die Konzepte, die zu den Titeln gehören? Man muss schon sagen: Respekt! Ich habe es im Haushaltsausschuss ebenfalls angesprochen:
Die Abteilung Überschriften hat zumindest in quantitativer Hinsicht sehr gut gearbeitet. Es ist die Rede von Bildungsbündnissen, -allianzen und -pakten, die geschmiedet werden sollen, von Zukunftskonten, Bildungsschecks usw. Die Konzepte dazu haben wir aber nicht bekommen. Wenn es Vorüberlegungen gibt, lassen sie nichts Gutes erahnen. Das möchte ich an zwei Beispielen aufzeigen.

Erstens: die lokalen Bildungsbündnisse. Dafür wollten Sie 32 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die Kollegen aus Ihren Fraktionen haben die Summe in ihren
Verhandlungen schon auf 21 Millionen Euro zusammengekürzt. Bis heute habe ich auf meine mehrmaligen Nachfragen nach den Konzepten keine Antwort bekommen.
Herr Kollege Rehberg, Sie hatten so schöne Schavan-Diagramme dabei; ich habe zwei Schavan-Berichte mitgebracht. Ich habe zum einen eine halbe DINA- 4-Seite erhalten. Die Kernaussage steht im letzten Satz: Derzeit wird ein detailliertes Förderkonzept erarbeitet.

Zweitens: Zukunftskonten. Hier liegt ebenfalls kein Konzept vor. In diesem Fall habe ich eine Antwort von nicht einmal einer halben Seite, den zweiten Schavan-
Bericht, erhalten; ich habe ihn mitgebracht. Hier steht, dass Gelder für die vorbereitenden Aktivitäten zur Entwicklung eingeplant werden sollen.
Hier wird allen Ernstes von uns erwartet, dass wir Projekten zustimmen, für die es keine Konzepte gibt und bei denen wir nicht wissen, wohin die Reise gehen soll.

Frau Ministerin, das, was man den knappen Zeilen der beiden Blätter entnehmen kann, zeigt allerdings, in welche Richtung in Ihrem Haus gedacht wird: Letztendlich planen Sie eine weitere Privatisierung der Bildungsvorsorge. Durch den ganzen Haushalt zieht sich der Gedanke: Wer Bildung will, soll in Zukunft dafür bezahlen. Es ist hier hinlänglich bekannt, dass Sie für Studiengebühren sind. Ich halte es aber schon für ein starkes Stück, dass Eltern jetzt auch noch Bildungskonten für ihre Kinder - ähnlich der Riester-Rente oder einem Bausparvertrag - anlegen sollen. Dabei ist völlig ungeklärt: Was passiert eigentlich mit den Leuten, die nicht sparen können? Was ist mit den Leuten, die gespart haben, aber in Hartz IV fallen? Werden die Bildungskonten dann als Vermögen angerechnet und abgezogen? Wie sind da Ihre Vorstellungen? An anderer Stelle sprechen Sie davon, den Kindern Schecks für ihre Bildung auszuhändigen. Vielleicht ist das eine gute Vorbereitung auf Bildungsgutscheine, die sie später vom Amt erhalten könnten; aber ich glaube, das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Ich möchte gerne wissen, wer auf die Idee gekommen ist, einem Kind mit einem Scheck zu zeigen, was sein Schicksal der Gemeinschaft wert ist.

Frau Ministerin, das, was Sie hier vorhaben, ist unsozial. Das kann man nur ablehnen; wir Linken werden es auch ablehnen. Um es zusammenzufassen: Der Haushalt
setzt die falschen Schwerpunkte, ist nicht mit Konzepten untermauert und enthält stattdessen unsoziale Ideen. Aus diesen Gründen müssen wir diesen Haushalt ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg.
Dagmar Ziegler [SPD])