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Ein Zukunftsprogramm mit 100 Milliarden Euro muss her!

Rede von Herbert Schui,

Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wirtschaftspolitik muss sich unter den gegebenen Bedingungen vor allen Dingen darum kümmern, die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Mit Arbeitsmarktpolitik allein lässt sich das aber nun wirklich nicht realisieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Unser Problem besteht darin, dass das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 5 Prozent gesunken ist. Dafür bewundert uns das Ausland nicht, weder die Vereinigten Staaten - dort schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt nicht so stark - noch Frankreich. Wenn das Sinken des Bruttoinlandsprodukts aber voll auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen wäre, dann hätten wir nun 1,8 Millionen Arbeitslose mehr.
Warum sind wir glimpflich davongekommen? Warum ist die Beschäftigung einigermaßen stabil geblieben?
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Weil wir eine kluge Politik gemacht haben!)
- Das ist nicht das Ergebnis irgendeiner klugen Politik. - Der wesentliche Grund ist, dass die Arbeitsproduktivität im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent gesunken ist. Nun könnte man natürlich denken, dass das daran liegt, dass die Leistungsträger aufgrund lausiger Arbeitsbedingun¬gen und niedriger Löhne pro Stunde weniger arbeiten. Das stimmt aber nicht: Aufgrund der technischen Auslastung der Kapazitäten ist die Produktivität gesunken.
Das Arbeitsvolumen ist um 2,8 Prozent gesunken. Das haben Sie weggeschoben, und zwar vor allen Dingen dadurch, dass im vergangenen Jahr aufgrund der Zunahme von Teilzeitarbeit die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 26 auf 25 Stunden pro Woche gesenkt worden ist. Auch das ist nicht weiter bewundernswert.
All das hat sich aufgrund der Hartz-Gesetzgebung und durch den Umstand ergeben, dass die Produktionstechnik bei solchen Konjunkturabschwüngen zwingend zu einer Senkung der Produktivität der Arbeit führt. Es ist also weder Ihr Verdienst noch ein politisches Verdienst. Es hat sich nun einmal so durchgesetzt, aber es ist nicht viel dabei.
Das einzige Vernünftige im vergangenen Jahr war die Kurzarbeitergeldregelung. Wir sind dafür, dass diese Regelung fortgeführt und ausgebaut wird und dass der Be¬zug des ALG I verlängert wird. Auf diese Art und Weise kann man spontan das Schlimmste abfedern.
(Beifall bei der LINKEN)
Mehr kann man damit aber nicht erreichen. Notwendig ist eine Politik, die den Arbeitsmarkt aufgrund einer gesteigerten Produktion wieder in Schwung bringt. Deswegen fordern wir ein Zukunftsprogramm mit einem Umfang von 100 Milliarden Euro. Das kommt Ihnen entsetzlich viel vor, aber damit könnte man im öffentlichen Dienst 2 Millionen Menschen zusätzlich beschäftigen. Zudem schaffen alle zusätzlichen öffentlichen Ausgaben durch die zusätzliche Staatsnachfrage mehr Beschäftigung.
Die Frage ist, wie das finanziert werden soll. Dazu findet sich in allen Haushaltsentwürfen nichts. Das Ganze lässt sich durch eine Millionärsabgabe finanzieren, die locker 80 Milliarden Euro einbringen würde.
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Locker?)
- Nun gut, es ist hart, als Grüner gegen einen Millionär anzugehen. Das kann ich verstehen. Aber wir haben we¬niger Hemmungen als Sie. Das sollten Sie uns überlassen.
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Traumtänzer! - Otto Fricke [FDP]: Ihr habt überhaupt keine Hemmungen!)
- Nein, warum sollten wir auch.
Eine weitere Möglichkeit wäre eine Erhöhung der Steuern auf Gewinneinkommen. In Deutschland werden die Gewinneinkommen nach Eurostat gegenwärtig mit 25 Prozent besteuert. In Frankreich sind es 40 Prozent. Würde man die Steuer auf den französischen Satz anheben, würden die Steuereinnahmen um 100 Milliarden steigen. So lassen sich Arbeitsmarktpolitik und Beschäf¬tigungspolitik finanzieren.
Sie setzen dagegen einzig auf den Export. Das ist Ihr Problem. Wie viel müsste aber zusätzlich exportiert werden, um in diesem und im nächsten Jahr wenigstens ein Wachstum von 1,5 Prozent zu erzielen? Wer soll das alles kaufen? Sollen die Chinesen doppelt so viel von uns kaufen, wie es jetzt schon der Fall ist? Daran glauben Sie doch selber nicht.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wurde schon mehrfach gemacht!)
- Die Exporte steigen zwar um 2 Milliarden bis 3 Milliarden Euro pro Jahr, aber nicht um den Betrag, der notwendig ist, um das Wachstum um 1 Prozent oder 1,5 Prozent zu erhöhen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Die Volkswirtschaft wächst auch um mehr als 10 Prozent!)
- Das reicht nicht aus. Bedenken Sie eines: Die Linke hat immer wieder vorgetragen, dass wir eine verstärkte Binnennachfrage brauchen.
(Franz Obermeier [CDU/CSU]:
DDR-Wirtschaft!)
- Sie sagen doch wohl nicht, dass die französische Wirtschaftsministerin, Frau Lagarde, ein IM gewesen ist. Das glaube ich nicht. Sie hat diese Geschichte ausgegraben und verlangt, dass Deutschland mehr importiert, damit die Handelsbilanzungleichgewichte vor allen Dingen innerhalb der EU verschwinden.
(Beifall bei der LINKEN)
Deutschland kann nur dann mehr importieren, wenn die Löhne, Gehälter und Staatsausgaben insgesamt steigen. Das geht nur bei einer anderen Steuerlast und mit höheren Löhnen. Anders ist das nicht zu schaffen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn wir das nicht hinbekommen, dann bringen wir nicht nur unsere Konjunktur in Gefahr; dann ist die gesamte EU gefährdet. Das müssen Sie bedenken.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)