Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Der Leitgedanke des Art.115 des Grundgsetzes ist, das staatliche Vermögen zu erhalten: Die öffentliche Kreditaufnahme soll den Vermögenszuwachs durch Investitionen nicht überschreiten. Um konjunkturelle Flauten zu überwinden, lässt die Verfassung eine Ausnahme von der Regel zu. Zwar halten sich hier die Zunahme an öffentlichem Vermögen und die Kreditaufnahme nicht mehr die Waage, aber die kreditfinanzierten Ausgaben steigern doch die Produktion und damit den Reichtum - wie auch immer verteilt.
Privatisierungen verletzten diesen Grundgedanken des Vermögenserhaltes. Ihr Erlös soll dem Ausgleich der öffentlichen Haushalte dienen. Ihre Begründung sind die leeren öffentlichen Kassen. Aber wer hat sie leer gemacht? Alles beginnt damit, dass die Besteuerung der Unternehmens- und Vermögenseinkommen, der Vermögen selbst, der Erbschaften, der Börsenumsätze gesenkt wird. Dem werden dann im nächsten Schritt die Sozialausgaben angepasst, der öffentliche Dienst wird dezimiert. Das verbleibende Defizit soll durch den Verkauf von öffentlichem Vermögen ausgeglichen werden. Verkauft an wen? Nicht zuletzt an diejenigen, die von den Steuersenkungen profitieren, liquider sind als vorher und eine Anlage für denjenigen neuen Reichtum suchen, den ihnen der Staat verschafft hat.
Diese einfache Wahrheit vernebeln der Bund, die Länder und die Gemeinden bei der Privatisierung. Vorgeschwindelt werden die folgenden Gründe: Private Unternehmen arbeiteten wirtschaftlicher als öffentliche, sie kämen den Wünschen der Kunden mehr entgegen. Überdies seien private Unternehmen finanziell eher in der Lage, die erforderlichen Investitionen vorzunehmen, für technischen Fortschritt zu sorgen.
Um Klarheit hierüber zu schaffen, muss ein umfassender Privatisierungsbericht her. Er muss über den Beteiligungsbericht des Bundes weit hinausgehen, und dies in zweifacher Hinsicht: Zu informieren ist über die Privatisierungen aller Gebietskörperschaften, das heißt des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Weiterhin sind alle Folgen der Privatisierungen darzustellen. Dies erfordert, vor allem die folgenden Fragen zu beantworten: Wie hoch sind die Preise vor und nach der Privatisierung? Hierbei sind die Erlöse, die Kosten und die Gehälter der Geschäftsführung genau zu ermitteln. Die Ursachen für allfällige Kostensenkungen sind darzustellen. Handelt es sich hierbei um Lohnsenkungen, um technischen Fortschritt - der ebenso gut im öffentlichen Unternehmen hätte vorgenommen werden können - oder um verringerte Leistungen? Demnach sind genaue Auskünfte über die Lohnentwicklung nach der Privatisierung, die Arbeitsbedingungen, die Mitbestimmung, die Qualität der Leistungen und die Umweltstandards erforderlich. Ebenfalls ist darzustellen, ob gegebenenfalls Sozialtarife gestrichen wurden. Weiterhin ist eindeutig zu klären, ob die Anlagen und Betriebssysteme durch Ersatz-investitionen in einem technisch einwandfreien Zustand gehalten werden, ob die Möglichkeiten des technischen Fortschrittes genutzt worden sind.
Des Weiteren muss eingehend darüber informiert werden, wie sich die finanzielle Lage der entsprechenden Gebietskörperschaften nach der Privatisierung verändert hat. Da vor allem ertragreiche öffentliche Betriebe privatisiert werden, ist zu vermuten, dass die Privatisierung die öffentlichen Einnahmen erheblich verringert hat.
Privatisierung ist im angeforderten Bericht weit zu fassen: Neben dem Verkauf von Beteiligungen und sonstigen Vermögenswerten ist auch die Ausgliederung von öffentlichem Vermögen in privatrechtlich organisierte Unternehmungen und die Übertragung von öffentlichen Aufgaben an private Unternehmen zu beachten.
Rechtsgrundlage für den Privatisierungsbereich ist Art.35 Abs.1 des Grundgesetzes. Der Bund nutzt hierbei die rechtlichen Amtshilfeverpflichtungen der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstiger Personen des öffentlichen Rechts. Im Rahmen der Informationshilfe werden diese die erforderlichen Informationen erheben und weitergeben.

Ein Privatisierungsbericht muss her
Rede
von
Herbert Schui,