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E-Fuels für Autos sind klimapolitischer Irrsinn!

Rede von Bernd Riexinger,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ab dem Jahr 2035 sollen in der Europäischen Union keine Pkw mit Verbrennermotor mehr zugelassen werden. Statt diese Entscheidung des Europäischen Parlaments zu begrüßen und als Chance für einen sozial-ökologischen Umbau der Automobilindustrie zu sehen, will Verkehrsminister Wissing mit einem Veto in der EU-Kommission aufwarten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der AfD)

Die Forderung, dass Verbrennermotoren auch nach 2035 zugelassen werden sollen, wenn sie mit E‑Fuels betankt werden, ist völlig aus der Zeit gefallen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die komplizierte Herstellung von E‑Fuels ist sehr aufwendig, extrem teuer und eine absolute Energieverschwendung. Ein klassisches Elektroauto fährt mit der gleichen Strommenge drei- bis fünfmal so weit wie ein mit E‑Fuels betanktes Auto. Was soll dieser klimapolitische Irrsinn?

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade bei neuen Autos ergibt das keinen Sinn.

(Mike Moncsek [AfD]: Deswegen wollen wir ja die alten!)

Ja, natürlich.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich habe gerade nachgeschaut: Sie sind von Hause aus Bankkaufmann und Gewerkschaftssekretär;

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

beides sehr respektabel und wichtig. Aber vielleicht ist es das eigentliche Problem, dass wir als Politiker hier gerade darüber diskutieren, welche Technologie sich in 10 oder 15 Jahren durchsetzen wird oder nicht. Vielleicht sollten das nicht wir entscheiden.

Und welche Angst haben Sie vor E‑Fuels? Niemand verbietet das E‑Auto. Niemand möchte, dass irgendetwas schlechtergestellt wird. Es geht darum, Dinge möglich zu machen. Welche Angst haben Sie vor Technologiefreiheit, dass Sie hier so gegen eine Antriebsart pöbeln?

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der AfD)

Vielen Dank für die Frage; keinen Dank für den Beifall.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Der galt nicht Ihnen! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Es geht um einen Pfad, den wir politisch diskutieren und bestimmen müssen. Es ist aus heutiger Sicht völlig unmöglich, beide Pfade zu beschreiten. Es kostet den deutschen Staat sowieso schon extrem viel Geld, die Infrastruktur für die Elektromotorisierung auf den Weg zu bringen.

(Mike Moncsek [AfD]: Völlig unnötig!)

Sie müssten beide Strukturen ausbauen. Das ist zu teuer und zu energieaufwendig. Es geht auch nicht darum, dass E‑Fuels eine Bedeutung haben, zum Beispiel für Schiffe, für Flugzeuge und vielleicht auch für gebrauchte Autos. Es geht bei Ihrem Vorstoß um neue Autos, und da ergibt das überhaupt keinen Sinn. Ich werde im Verlauf meiner Rede im Übrigen noch deutlich machen, dass das auch nicht im Sinne der Automobilindustrie und nicht im Sinne der Arbeitsplätze ist. Die Beschäftigten werden bei Ihrem Kurs verlieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Heute gehen im Übrigen in über 200 Städten junge Menschen beim Klimastreik von Fridays for Future auf die Straße. Sie streiken gemeinsam mit den Beschäftigten von Verdi in den Verkehrsbetrieben. Sie fordern zu Recht massive Investitionen in den Ausbau von Fuß- und Radverkehr, in Bus und Bahn

(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Da ist die Ampel wirklich spitze!)

statt Subventionen für noch mehr Autos und Autobahnen. Sie fordern gemeinsam eine höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen für Busfahrer und Busfahrerinnen. Darauf sollte sich der Verkehrsminister konzentrieren, anstatt sich in den Sackgassen einer verfehlten Verkehrspolitik zu verirren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Den Automobilkonzernen – jetzt komme ich darauf –, den Zulieferern und schon gar nicht den Beschäftigten wird mit dem, was der Verkehrsminister machen will, ein Gefallen getan. Die Entscheidung für Elektromotorisierung ist doch längst gefallen. Aber entgegen den vollmundigen Ankündigungen namhafter Manager der Automobilindustrie hinken gerade die Konzerne in Deutschland beim Umbau weit hinterher. Nicht einmal im Heimatmarkt Deutschland gelingt es den deutschen Herstellern, ihre gewohnten Marktanteile auch nur annähernd ins Zeitalter der Elektromobilität hinüberzuretten; das schreibt die „Stuttgarter Zeitung“ diese Woche. Allein Tesla verkauft mehr Elektroautos als alle Hersteller hierzulande zusammen. Wäre die gesamte deutsche Autoindustrie ein einziger Elektroautohersteller, käme sie gleichauf mit dem chinesischen Hersteller BYD auf Platz zwei, sagt der Autoexperte Stefan Bratzel. Auf dem chinesischen Markt ist die Bilanz noch um ein Vielfaches schlechter. Dazu kommt, dass häufig die falschen Autos gebaut werden, zu groß, zu teuer, zu protzig,

(Christoph Meyer [FDP]: Das entscheiden Sie, ja?)

sodass Autokonzerne wie Fiat bei Elektroautos höhere Marktanteile auf dem deutschen Markt erzielen, als das bei Verbrennern der Fall ist. Die Luxusstrategie von Mercedes ist hochprofitabel, aber auch hochriskant, gerade für die Beschäftigten.

Es wäre die Aufgabe der Regierung, sich um eine sinnvolle Strategie bei der Transformation zu kümmern, eine Transformation, die sowohl das Klima als auch die Arbeitsplätze schützt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Entschärfung von EU-Vorgaben würde genau zum Gegenteil führen. Sie würde die Transformation bremsen, anstatt sie voranzutreiben. Außerdem muss der Anteil an privat genutzten Autos sinken, wenn wir auch nur die geringste Chance nutzen wollen, die Klimaziele zu erreichen. Und was völlig unterschätzt wird: Der Bau von öffentlichen Verkehrsmitteln, von Bahn, ÖPNV, die Digitalisierung im Bereich nachhaltiger Mobilität könnte bis zu 400 000 qualifizierte Arbeitsplätze in der Industrie entstehen lassen. Wir brauchen einen Richtungswechsel in der Verkehrspolitik, bevor es zu spät ist.

(Beifall bei der LINKEN)