Zum Hauptinhalt springen

Doris Achelwilm: Recht auf Unversehrtheit, Respekt und selbstbestimmte Entwicklung

Rede von Doris Achelwilm,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörende! An intergeschlechtlichen Kindern, denen bei der Geburt nichts fehlt außer Akzeptanz, gehört nicht herumgeschnippelt und ‑gedoktert, bis das Erscheinungsbild ihrer Genitalien zu gängigen Vorstellungen passt. Ihre Körper haben das Recht auf Unversehrtheit, Respekt und selbstbestimmte Entwicklung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass Grundrechte Jahr für Jahr tausendfach gebrochen wurden, damit Kinder, ohne Anstoß zu nehmen, als angemessen männlich oder weiblich durchgehen, hatte und hat fatale Folgen: lebenslange Prozeduren und Schmerzen, Sprachlosigkeit, was erlittene Zwänge angeht, Scham und Unsicherheit in der Familie und dem eigenen Körper gegenüber, eingeschränkte Sexualität und Empfindungsfähigkeit.

Ich kann nur empfehlen, die Stimmen Betroffener zur Kenntnis zu nehmen, die in den Materialien von Verbänden wie TransInterQueer oder der Internationalen Vereinigung Intergeschlechtlicher Menschen eine Plattform bekommen. Dort schildert eine Person – ich zitiere –: Bis zu meinem elften Lebensjahr habe ich meine Kindheit damit verbracht, alle anderthalb Jahre ins Krankenhaus zu gehen, um OPs und Katheter zu bekommen. Die ganze Zeit Tests und Blutabnahmen, geprüft werden, ob alles funktioniert, die Hormone richtig eingestellt sind. Wenn die Katheter entfernt wurden, konnte ich meine Blase nicht kontrollieren. Ich hatte oft Schmerzen, war traumatisiert. Und auch jetzt, mit 37, habe ich noch Schlafprobleme.

(Kirsten Lühmann [SPD]: Das ist das, was die AfD will!)

Es wird wirklich Zeit, derart unnötigen Zumutungen die Behandlungsgrundlage zu entziehen und diese ganzen Eingriffe möglichst unmissverständlich zu verbieten.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Höchste Zeit!)

Rhetorisch und rechtlich hält sich der Gesetzentwurf da noch einige Hintertüren offen, und das ist kontraproduktiv, weil treibende Kräfte – seien es Mediziner/-innen oder Eltern – nach Spielräumen suchen und fündig werden. Der Schutz der Kinder vor diesen Menschenrechtsverletzungen sollte über allem stehen.

Mit dem Gesetz der Bundesregierung wird die Situation besser, aber nicht gut genug. Dass der Geltungsbereich auf die derzeit definierten Varianten der Geschlechtsentwicklung beschränkt ist, birgt das Risiko, dass Diagnosen anders formuliert und Verbote umgangen werden. Wir fordern, diese Lücke zu schließen.

Es braucht außerdem ein Zentralregister zur Aufbewahrung der Patient/-innenakten, welches Betroffenen garantiert, sich über lange zurückliegende Eingriffe umfassend informieren zu können.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dass es das noch nicht gibt, ist eine gravierende Leerstelle unter vielen. So fehlt es auch an Klarstellungen, dass unerlaubte Eingriffe nicht schon im Kindesalter verjähren und Betroffene die Möglichkeit haben, als Erwachsene Regressansprüche geltend zu machen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Gebährfähige Körper werden! Genannt auch „Frauen“! Schwachsinn! Kranker Irrsinn!)

– Ihre Meinung hat wirklich nichts zur Sache beigetragen; das muss man hier feststellen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Von daher fahren wir da einfach ohne Ihre Position fort. Das ist besser für alle Beteiligten.

Es ist auf jeden Fall vielen Organisationen und Einzelkämpfer/-innen zu verdanken,

(Zuruf von der AfD: Einzelkämpfenden!)

dass fremdbestimmte OPs an intergeschlechtlichen Kindern hier im Bundestag endlich beleuchtet und beschränkt werden, aber wir müssen weiter daran arbeiten, dass diese Eingriffe und der gesamte gesellschaftliche Anpassungsdruck gestoppt, Verstöße geahndet und die Betroffenen entschädigt werden.

Wir werden darauf zurückkommen; das sind wir den Betroffenen, die keine Betroffenen sein müssten, einfach schuldig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beatrix von Storch [AfD]: Irrsinn im Quadrat!)