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Doris Achelwilm: Pressefreiheit und Journalist*innen schützen!

Rede von Doris Achelwilm,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesrepublik ist in der Pressefreiheitsrangliste von Reporter ohne Grenzen zurückgefallen. Der Zustand gilt offiziell nicht mehr als „gut“. Ausschlaggebend sind vor allem die eskalierten Demos sogenannter Querdenker. Wir haben die erschreckenden Bilder bundesweit gesehen, sogar hier vor dem Reichstagsgebäude. Die Lage ist ernst. Journalistinnen und Journalisten werden bei ihrer Arbeit beschimpft, bedroht, aggressiv angegriffen. In Deutschland haben sich solche Vorfälle im vergangenen Jahr verfünffacht.

Diese Situation darf nicht als neue Normalität hingenommen werden. Medientätige und Pressefreiheit müssen vor Übergriffen sicher sein. Dafür sind nicht nur die Länder zuständig, sondern auch dieses Haus. Ein Auftrag, dem die GroKo noch nicht ausreichend gerecht geworden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die bekannten Versammlungen und ihre Auswüchse sind aber nicht annähernd das Einzige, was uns medienpolitisch alarmiert. Lokaljournalismus kämpft vielerorts um seine Existenz. Die Fusionen von Verlagen, Redaktionen und Meinungsmacht nehmen beträchtlich zu. Der Markt der Zeitschriften und Zeitungen wird von wenigen Konzernfamilien und Verlagsgruppen dominiert. Die Umsätze fließen spitz nach oben, während sich aus Tarifverträgen immer mehr herausgezogen wird. Die Folgen für Demokratie, Medienversorgung und Journalismus müssen uns hier viel intensiver beschäftigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Während zu meinen Studienzeiten – das ist auch schon eine Weile her – noch viele beruflich irgendwas mit Medien machen wollten, ist längst fraglich, ob das heute noch so ist. Unterbezahlung und Geringschätzung prägen mittlerweile das Berufsbild. Es gibt trotzdem weiter absolut großartigen, notwendigen, wichtigen Journalismus, weil Medienschaffende dafür einstehen und arbeiten. Aber es muss für sie auch ein sicheres Auskommen geben, Unabhängigkeit, Schutz, Perspektiven. Was wir dafür tun können, haben wir als Linksfraktion in unserem Antrag zur Debatte dargelegt.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es kann uns nicht kaltlassen, dass Medienbesitzer Milliarden mehren, während der Beruf des Journalisten, der Journalistin ein soziales Wagnis darstellt. Es kann uns nicht kaltlassen, dass in den Redaktionen unter diesen Umständen kaum die Breite der Gesellschaft vertreten ist. Ein Arbeitsumfeld der standardmäßigen Befristungen und Taschengeldhonorare kann sich nur der Nachwuchs leisten, der von Haus aus finanzielle Polster und Vertrauen in eigene Aufstiegschancen hat. Das letzte Jahr hat diese Situation noch gravierend verschlechtert. Die Auftragseinbußen waren und sind enorm. Darauf hat die Bundesregierung keine Antwort gefunden, nicht strukturell für die Medienlandschaft, nicht individuell für Freiberufler, etwa in Form eines Unternehmer/‑innenlohns, der fehlende Einnahmen vernünftig kompensiert. Das muss sich immer noch ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Mitunter wurde problematischen Entwicklungen sogar Vorschub geleistet. Das Konzept der Presseförderung, das den strauchelnden Printmedien unter die Arme greifen sollte, hätte vor allem großen Verlagen geholfen, weil die Mittel für technische Investitionen ausgerechnet nach Auflagenstärke verteilt werden sollten, frei nach dem Motto „Wer hat, dem wird gegeben“. Es kam jetzt, wie es kommen musste: Nach substanzieller Kritik hat das Wirtschaftsministerium den Plan verworfen. Ich hoffe, dass es bald, wie von uns gefordert, zu einer Lösung kommt, die Medienvielfalt auf der Höhe der Zeit unterstützt statt untergräbt.

(Beifall bei der LINKEN)

In die sehr mittelmäßige medienpolitische Bilanz dieser Regierung reiht sich außerdem ein blockiertes Whistleblower-Schutzgesetz ein. Dabei bräuchten wir genau so ein Gesetz, das Menschen schützt, die gravierende Missstände in Wirtschaft oder Politik aufdecken.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Gelegenheit sei an Julian Assange erinnert, der seit über zwei Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis in London sitzt und maßlose Strafen fürchtet, weil er Kriegsverbrechen offengelegt hat. Das ist ein Exempel gegen jeden Journalismus, der sich mit den Mächtigsten anlegt. Wir fordern, dass sich für seine Freilassung von hier aus sichtbarer engagiert wird, wozu die Linksfraktion diverse Initiativen ergriffen hat, die wir auf jeden Fall fortsetzen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Kümmern Sie sich doch mal um die Pressefreiheit in der Russischen Föderation!)

Es darf nicht sein, dass die Bundesregierung dem Thema Pressefreiheit so wenig Beachtung schenkt, wie das in den letzten Jahren passiert ist, dass sich andererseits aber ein Bundesinnenminister nicht zu schade ist, gerichtliche Schritte gegen eine Kolumnistin anzudrohen. Und der Gesundheitsminister ist tatsächlich gegen Journalisten vorgegangen, die über seine Villa beim Grundbuchamt recherchierten. Was sind das für Signale?

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade nach diesem Jahr ist es an der Zeit, andere Weichen zu stellen, andere Botschaften zu senden. Wir brauchen Gesetze, die Medienvielfalt fördern und investigative Möglichkeiten der Kontrolle von Politik und Wirtschaft schützen, Schwerpunktstaatsanwaltschaften, damit angegriffenen Journalisten wirklich geholfen wird und die Verfahren nicht, wie so oft, bagatellisiert und eingestellt werden.

„Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein“, hat Marx gesagt und auch in der Sache bis heute recht.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich glaube, das ist die einzige Sache, mit der er recht hatte!)

Dieser Gedanke muss wieder mit neuen Konzepten gedacht werden, genauso wie deutlicher werden muss, dass Journalistinnen und Journalisten offensiv vor Gewalt und vor staatlichen Einschränkungen geschützt werden müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)