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Doris Achelwilm: Gleichstellung der Geschlechter statt AfD-Ignoranz

Rede von Doris Achelwilm,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Anwesende! Frauen wählen erheblich seltener die AfD, als es Männer tun. Sie sind auch wenig in der AfD-Fraktion vertreten. Von daher sind Frauen schon mal das eindeutig klügere Geschlecht, um das an dieser Stelle vorwegzunehmen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Welch Arroganz!)

Für die Männerpartei AfD sind Frauen ein politisches Risiko. Das hat vor allem einfache, handfest egoistische Gründe; denn mit jeder Frau, die zum Beispiel über die Quote in den Bundestag kommt, muss einer von Ihnen seinen Sessel hier abtreten, auf dem Sie so gerne sitzen und männliche Präsenzkultur demonstrieren.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Die Verteilungsfrage zwischen Männern und Frauen darf aus Sicht der AfD nicht gestellt werden, weil es für rechte Männer wie Sie eben am einfachsten ist, wenn alles bleibt, wie es ist, oder wieder wird, wie es einmal war. Und genau deshalb legt die AfD heute ein lupenreines „Anti-Frauen-Gesetz“ vor. Was für ein Trauerspiel und wie leicht zu durchschauen!

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Uwe Schulz [AfD]: Was? Was für ein bodenloser Unsinn!)

Der – nun ja – Gesetzentwurf ist kaum der Rede wert, aber für die AfD wohl so etwas wie ein stimmiges Gegenmodell zum Parité-Gesetz, das jetzt in Brandenburg mit den Stimmen von Grünen, SPD und Linken beschlossen wurde. Ein Parité-Gesetz hat das Ziel, gegen die strukturelle Benachteiligung von Frauen Regeln zu finden, damit Frauen und Männer in möglichst gleicher Zahl im Parlament vertreten sind. Es gibt dafür auf europäischer Ebene Vorbilder, wie in Frankreich. Aber auf Bundesebene ist Brandenburg das erste Land, das mit einem Gesetz die nötige Gleichstellung der Geschlechter so voranbringt, wie es das Grundgesetz fordert.

Dass es diesen Durchbruch gibt, ist ein historischer Erfolg der Frauenbewegung. Wir als Linke sind sehr dankbar für die verfassungsrechtliche Arbeit aller Beteiligten und den Mut dieser Initiative.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Geschlechterparitätisch besetzte Parlamente sind kein Selbstzweck, sondern eine Frage von mehr Gerechtigkeit.

(Fabian Jacobi [AfD]: Das ist vor allen Dingen ein Verfassungsbruch!)

Mit 50 Prozent Frauen im Parlament gäbe es wahrscheinlich nicht diese skandalöse Politik gegenüber Erzieherinnen, Hebammen und Pflegekräften. Verhütungsmittel wären keine so einseitig auf Frauen abgewälzte Angelegenheit. Hygieneprodukte für Menschen mit Uterus würden wohl nicht mit 19 Prozent besteuert, und der schädliche § 219a würde spätestens heute endlich abgeschafft, statt zementiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Klar ist auch: Ein höherer Frauenanteil im Parlament erschafft noch kein feministisches Utopia. Aber er bringt Erfahrungen, Interessen und Blickwinkel für gesellschaftlich notwendige Aufgaben mit, die systematisch zu kurz kommen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Strukturelle Benachteiligung ist keine Nebensache, sondern bedeutet konkrete Ausschlüsse, Abwertungen, Doppelbelastungen en masse. Sie findet statt, wenn unbezahlte Familienarbeit weit überwiegend von Frauen geleistet wird und es keine ausreichende öffentliche Infrastruktur für Kinder und Pflegebedürftige gibt, wenn ein Beruf schlechter bezahlt wird, weil er mehrheitlich von Frauen ausgeübt wird, und wenn in einer Gesellschaft, in der Frauen ein geringeres Einkommen haben als Männer, genau die Ehen steuerlich belohnt werden, in denen der Gehaltsunterschied zwischen dem Mann und der Frau besonders groß ist. Diese Mechanismen halten sich äußerst hartnäckig. Es braucht starke Vertreterinnen von Gegeninteressen, um sie abzustellen.

Süddeutsche.de schrieb vor kurzem über die AfD – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

"Die Partei … predigt ein völkisch-nationalistisches Frauenbild."

Und so ist es.

(Beifall bei der LINKEN – Fabian Jacobi [AfD]: Da stand der Name Relotius drunter?)

In diesem völkischen Familienbild sollen Frauen ihr Glück im Privaten oder zumindest immer Männern nachgeordnet finden. Das ist auch die Zielvorstellung, die dem Entwurf der AfD zugrunde liegt.

(Ulrike Schielke-Ziesing [AfD]: Das ist nicht wahr! Das ist nicht bei uns! – Beatrix von Storch [AfD]: Das ist nicht wahr!)

Konsequent weitergedacht wird dieses Leitbild der AfD-Bundestagsfraktion von einem gewissen Elliott Murray, der im Landesvorstand der AfD-Jugendorganisation in Hessen war. Er wünschte sich in einem Chatverlauf, der in dieser Woche öffentlich wurde, die Abschaffung des Frauenwahlrechts, also des allgemeinen Wahlrechts. Kein Einzelfall! Der AfD-Landtagsabgeordnete Heiner Merz aus Baden-Württemberg sieht es ganz ähnlich und schrieb – ich zitiere erneut –:

"Quoten nützen übrigens nur unqualifizierten, dummen, faulen, hässlichen und widerwärtigen Frauen …"

(Josephine Ortleb [SPD]: Das ist die Wahrheit!)

Dieser Frauenhass gehört zum Programm und zur Praxis der AfD. Die Angriffe von rechts gegen reproduktive Gerechtigkeit,

(Stephan Brandner [AfD]: Sprechen Sie doch mal zum Antrag!)

körperliche Selbstbestimmung und die Gleichstellung der Geschlechter haben aber auch Mehrheiten gegen sich, die sich gerade neu organisieren. Statt Ignoranz und schlechter Kompromisse brauchen wir zügige Maßnahmen ganz konsequenter Gleichstellung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viele Abgeordnete hier im Haus – das ist immer wieder in den Medien zu lesen – befürworten ein Paritätsgesetz auch auf Bundesebene. Das ist kein großzügiges Entgegenkommen, sondern sollte selbstverständlich und für uns alle handlungsleitend sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Grundgesetz verlangt schon lange die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Artikel 3 Absatz 2. An diese Verpflichtung sind auch die Parteien gebunden. Und natürlich ist auch in den Parteien, die schon Quotenregelungen haben, noch einiges zu tun. Familienfreundliche Sitzungstermine, eine ganz andere Redekultur, die politische Aufwertung vermeintlich frauenspezifischer Bereiche wie Soziales, Kultur, Bildung sind nur einige Beispiele.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten: mit Frauenstreiks – da, wo sie notwendig sind –, mit schönen, ausschweifenden Claire-Waldoff-Abenden und zielstrebigen überparteilichen Initiativen von Frauen, wie es sie jetzt auch im Bundestag gibt.

Diesen AfD-Entwurf braucht allerdings kein Mensch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)