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Diskriminierung von Roma in der EU beenden

Rede von Annette Groth,

Anlässlich der Beratung des Antrages "Zur Situation von Roma in der Europäischen Union und in den (potentiellen) EU-Beitrittskandidatenstaaten" gibt die menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Annette Groth, folgende Rede zu Protokoll:

Im Europäischen Parlament wie im Europarat findet eine intensive Diskussion über die Diskriminierung von Roma statt. Leider haben diese Diskussionen zu kaum einer Veränderung der sozialen und ökonomischen Situation der Roma geführt.


In Europa leben 10 bis 12 Millionen Sinti und Roma. Viele von ihnen sind von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. In seiner Erklärung von 20. Oktober 2010 hat der Europarat eine grundsätzliche Verbesserung der Lebensbedingungen für die Roma gefordert und einen Prioritätenkatalog zur Bekämpfung der Diskriminierung von Roma aufgestellt. Mit dem Sonderbeauftragten des Europarates zu Fragen der Roma wird auch institutionell versucht, der alltäglichen Diskriminierung der Roma entgegenzutreten.


In der nächsten Sitzungswoche wird der Europarat voraussichtlich einen Bericht über Roma in Europa verabschieden. Ich bin die zuständige Berichterstatterin und bemühe mich, einen möglichst breiten Konsens für eine klare Positionierung des Europarats gegen Antiziganismus zu erreichen.


Von der Antwort der Bundesregierung auf die große Anfrage zur Situation von Roma bin ich enttäuscht. Sie zeigt, dass die Bundesregierung keine kohärente Strategie zur Verbesserung der Lage der Roma für Deutschland und die Länder der EU hat.


Roma werden in allen Ländern der EU diskriminiert. Auch in Deutschland stellt sich die Lage der Roma problematisch dar. Die Umfrage des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma zeigt, dass in Deutschland 76 Prozent der Sinti und Roma Diskriminierung erfahren und bei der Wohnungssuche, am Arbeitsplatz, in der Schule oder in der Ausbildung Benachteiligungen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft hinnehmen müssen. In der Studie des Europäischen Parlaments „Measures to promote the situation of Roma EU citizens in the European Union“ wird darauf hingewiesen, dass in Deutschland die Lage für Roma in Bezug auf Schul- und Ausbildungsabschlüsse äußerst problematisch ist.


Beispiel Duisburg-Hochfeld: Hier leben Menschen aus 100 Nationen, davon 1 700 Bulgaren, die zum größten Teil Roma sind. In den regionalen Medien werden die Roma vor allem als Problem dargestellt. Mit Überschriften wie „Ein Stadtteil bekämpft den Absturz“ oder „Stadt Duisburg scheint Roma-Problem in Hochfeld nicht in den Griff zu bekommen“ werden soziale Probleme einseitig auf die Bevölkerungsgruppe der Roma übertragen. Dabei wird in den Artikeln von Schwarzarbeit, Prostitution, Kriminalität und unwürdigen Wohnverhältnissen berichtet, jedoch die Ursachen für diese Phänomene nicht benannt. Vielmehr werden die Roma mit diesen Verhältnissen als Verursacher in Verbindung gebracht.


Die Roma leben häufig unter schwierigen Bedingungen. Wohnungen sind verschimmelt, die Heizung funktioniert nicht oder es gibt kein Bad. Trotzdem werden diese Wohnungen für völlig überteuerte Mieten an Roma vermietet, die diese Wohnungen annehmen müssen, da sie keine anderen Wohnungen bekommen. Hier muss die Politik endlich handeln. Die Fraktion Die Linke erwartet, dass eine nationale Romastrategie erarbeitet wird, die konkrete Wege zur Beseitigung der Diskriminierungen aufzeigt.


Beispiel Italien: Nach Schätzung des italienischen Innenministeriums leben etwa 170 000 Roma in Italien. Das sind 0,2 Prozent der Bevölkerung. In einen Teil der italienischen Medien werden die Roma als Problem für Italien diffamiert. Von den Roma in Italien besitzen mehr als 50 Prozent die italienische Staatsbürgerschaft. Die anderen Roma kommen überwiegend aus Rumänien, Bulgarien und dem ehemaligen Jugoslawien.
Roma haben auch in Italien keinen Status als anerkannte nationale Minderheit.

Meinungsumfragen in Italien zeigen, dass Roma bei vielen mit einer negativen Assoziation verbunden werden. In fast allen italienischen Städten werden Roma an den Rand gedrängt. Nach Aussagen des Menschenrechtsausschusses des italienischen Senats wohnen sie überwiegend in Camps und müssen dort unter unmenschlichen Bedingungen leben. Über 40 Prozent der Roma in den Camps haben keinerlei Schulausbildung. Viele dieser Lager sind ohne Müllentsorgung, Strom- oder Wasserversorgung. Die Lager sind häufig ohne Genehmigung entstanden und liegen an  den Rändern der großen italienischen Städte, werden aber von den kommunalen Behörden zum Teil seit 20 Jahren geduldet.


Seit 2011 werden in Rom die Lager geschlossen und die dort lebenden Roma umgesiedelt. Amnesty International kritisiert, dass auch die neuen Unterkünfte nicht akzeptabel sind, da sie zum Teil überbelegt sind und gleichzeitig die Bewohnerinnen und Bewohner überwacht werden. Amnesty fordert, dass Menschen aus der Romagemeinschaft durch eine solche Maßnahme nicht stigmatisiert und generell als Kriminelle dargestellt werden dürfen.


Beispiel Tschechische Republik: In der Tschechischen Republik wird offen Hetze gegen Roma betrieben. Im „Schluckenauer Zipfel“ finden seit mehr als einem Jahr antiziganistische Demonstrationen gegen die dort lebenden Roma statt. Mit Sprechchören wie „Zigeuner ins Gas“ werden die Roma offen beleidigt und rassistisch
beschimpft.

Die bestehende Bildungssegregation, bei der Romakinder in Lernbehindertenschulen abgeschoben werden, wurde bereits 2006 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt und die Tschechische Republik aufgefordert, diese Ausgrenzung der Romakinder zu beenden.


In einer Untersuchung behauptete das tschechische Bildungsministerium, dass 75 Prozent aller Romakinder, die in eine solche Schule gehen, eine Lernbehinderung aufweisen. Diese Untersuchung wurde von Menschenrechtsorganisationen scharf gerügt, da diese Behauptung falsch ist. Vielmehr brauchen viele der Kinder nur eine zusätzliche Förderung zur Verbesserung ihrer Sprach- oder Lesekompetenz, die eine Folge der gesellschaftlichen Ausgrenzung ist. Durch den Einsatz von speziell geschulten Lehrkräften wäre die Integration der Romakinder sofort möglich. Der tschechische Staat hat jedoch bisher lediglich 250 solcher Lehrerstellen geschaffen.


Auch die bestehenden Vorurteile in der tschechischen Mehrheitsbevölkerung, die keinen gemeinsamen Unterricht mit Romakindern wollen, führt dazu, dass sich das Bildungsministerium hier zurückhaltend verhält.


Einige Anmerkungen zu den beiden Anträgen von Bündnis 90/Die Grünen: Kritisch anzumerken ist, dass pauschal eine „Verbesserung der Bildungssituation“ verlangt wird und „Integrationsmaßnahmen“ gefordert werden. Sinti- und Romaorganisationen legen aber großen Wert darauf, dass Sinti und Roma in Deutschland und den anderen europäischen Ländern nicht integriert werden müssen, da sie bereits seit Jahrhunderten Teil dieser Gesellschaften sind. Staatliche Bemühungen müssten sich vielmehr auf eine Beendigung der vielfältigen Diskriminierungen konzentrieren und nicht die Integration
von Roma fordern.


Positiv ist die Forderung nach einem sofortigen Stopp der Abschiebungen von Roma in den Kosovo. Die Linke setzt sich seit langem für einen Stopp der Abschiebungen und ein großzügiges Bleiberecht für Roma aus dem Kosovo ein. Die Betroffenen brauchen einen sicheren und dauerhaften Aufenthaltsstatus und keine weiteren Kettenduldungen bis auf Widerruf.


Den Anträgen von Bündnis 90/Die Grünen können wir zustimmen, auch wenn wir uns noch klarere Forderungen gewünscht hätten.