Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Direkte Demokratie ist wieder im Gespräch. Genau das ist die Stärke der direkten Demokratie. Die Menschen reden nämlich über Sachfragen und nicht über Machtfragen. Sie reden über Dinge, die sie wirklich interessieren. Auch nach dem erfolgreichen Volksentscheid in Bayern, über dessen Ausgang man durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann,
(Zurufe von der LINKEN: Nein!)
mehren sich die Stimmen in Bevölkerung, Medien und Politik, die fordern, dieses Instrument auch auf Bundesebene einzuführen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie haben heute die Chance, dies auf den Weg zu bringen. Die Fraktion Die Linke hat als einzige Fraktion einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht, über den wir nunmehr diskutieren. Ich sage insbesondere im Hinblick auf die Fraktionen, die in der letzten Legislaturperiode einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht haben: Liebe FDP, liebe Grüne, geben Sie sich einen Ruck!
(Beifall bei der LINKEN)
Lassen Sie mich den Inhalt in seinen wesentlichen Grundzügen kurz skizzieren. Die Volksgesetzgebung gliedert sich nach diesem Gesetzentwurf in ein dreistufiges Verfahren: Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid.
Um eine Volksinitiative zu starten, benötigen die Initiatoren 100 000 Unterschriften. Danach können sie dem Bundestag eine Gesetzesvorlage zur Änderung eines Bundesgesetzes oder des Grundgesetzes vorlegen. Einzige Einschränkung: Die Gesetzesvorlage muss verfassungsrechtlich zulässig sein. Sie ist es nicht, wenn zum Beispiel der Kerngehalt der Grundrechte berührt wird. Eine Wiedereinführung der Todesstrafe ist zum Beispiel unmöglich. Das ist gut so.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Gesetzentwurf greift auch einen anderen wichtigen Punkt auf. Unzulässig sind allein Volksinitiativen, die sich auf das Haushaltsgesetz beziehen. Dies ist aus unserer Sicht wichtig, da zu häufig Volksinitiativen mit dem Verweis auf haushaltsrechtliche Auswirkungen als unzulässig abgelehnt wurden.
Der Bundestag muss über die Zulässigkeit und den Inhalt der Initiative beschließen. Dem Bundesrat muss die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Wird die Initiative für unzulässig erklärt, steht den Vertrauensleuten der Rechtsweg offen. Stimmt der Bundestag mit Mehrheitsbeschluss dem Inhalt der Initiative zu, dann erlangt diese Initiative Gesetzeskraft.
Lehnen die Abgeordneten den Inhalt ab, dann haben die Initiatoren die Möglichkeit, die zweite Stufe, also die Volksgesetzgebung, zu beschreiten: Das Volksbegehren wird eingeleitet. Dafür müssen dann 1 Million Unterschriften gesammelt werden, bei einer Grundgesetzänderung 2 Millionen. Wird das Begehren abgelehnt, kommt die dritte Stufe, der Volksentscheid, bei dem nunmehr die wahlberechtigte Bevölkerung über den Inhalt abstimmt.
Gesetzeskraft erlangt der Inhalt bei einer Abstimmung dann, wenn ein Viertel der Wahlberechtigten an der Abstimmung teilnimmt und davon die Mehrheit mit Ja stimmt. Bei einer Grundgesetzänderung müssen zwei Drittel mit Ja stimmen. So weit die Gesetzesinitiative.
Gute und gefestigte Demokratien zeichnen sich durch eine Vielfalt von demokratisch geprägten und demokratieförderlichen Institutionen und Prozessen in allen gesellschaftlichen Bereichen aus. Ihre Grundlage ist die möglichst intensive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an allen öffentlichen Angelegenheiten. Die Volksgesetzgebung ist nur ein Element. Um ihr zu ihrer tatsächlichen Wirkung zu verhelfen, ist es wichtig, das Engagement der Bürgerinnen und Bürger auch strukturell zu unterstützen. Das bedeutet weitestgehende Transparenz aller Entscheidungsprozesse: im Parlament, in der Regierung und in der Verwaltung.
(Beifall bei der LINKEN)
Öffentlichkeit von Sitzungen und parlamentarischen Gremien gehört genauso dazu wie Akteneinsichtsrechte für Abgeordnete und Bürger.
Zum Schluss möchte ich auf den Vorschlag von Professor Dr. Roland Roth, Politikwissenschaftler an der Fachhochschule Magdeburg und Autor der bemerkenswerten Expertise Handlungsoptionen zur Vitalisierung der Demokratie aufmerksam machen. Er fordert die Einsetzung einer Demokratie-Enquete des Bundestages. Aufgabe dieser sollte es sein, grundlegende und längerfristige gesellschaftliche und politische Problemlagen aufzuarbeiten und politische Lösungswege vorzuschlagen.
Die Einsetzung dieser Kommission wäre mit den Stimmen von Rot-Rot-Grün möglich. Ich möchte aber zunächst vorschlagen, dass wir gemeinsam die Volksgesetzgebung einführen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)