Zum Hauptinhalt springen
Foto: Rico Prauss

Die Union unter Angela Merkel war in Wahrheit die Mutter von Nord Stream 2

Rede von Dietmar Bartsch,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist ein ziemlich durchschaubarer Versuch der Union, eine Landesregierung, ein Bundesland und eine Ministerpräsidentin zu beschädigen.

(Mario Czaja [CDU/CSU]: Nee! Es geht nicht um Mecklenburg-Vorpommern!)

Ich kann nur um eines bitten: Lassen Sie bitte die Steuerbeamtin raus! Diese arme Frau ist nun wirklich nicht die Verantwortliche.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und ausgerechnet die Union hat diese Aktuelle Stunde beantragt. Ich würde es ja noch verstehen, wenn Claudia Müller oder Hagen Reinhold von der FDP so einen Antrag gestellt hätten. Aber die Union?

Ehrlich gesagt: Die Klimastiftung in Mecklenburg-Vorpommern wurde natürlich auch gegründet, um den Bau von Nord Stream 2 zu Ende zu bringen. Natürlich war das so. Sie als Union bzw. alle in Mecklenburg-Vorpommern wollten das bis zum 24. Februar; es gab damals keine Gegenstimmen.

Ich will vor allen Dingen daran erinnern: Sowohl das zuständige Wirtschafts- als auch das Justizministerium waren in der Hand der Union; die waren unionsgeführt. Es gab keine Einsprüche gegen die dubiose Klimastiftung; das ist nicht der Fall gewesen. Das ist ja auch kein Wunder: Eines der Vorstandsmitglieder der Klimastiftung ist Werner Kuhn – die Älteren erinnern sich –, ein Kollege, der hier im Bundestag saß, der dann Europaabgeordneter der Union war. Die Union hat alles mitgetragen, meine Damen und Herren.

Und weil die Union lacht, wenn die SPD hier vorträgt: Wissen Sie, was in Mecklenburg-Vorpommern ernsthaft dubios war? Das war das Verhalten von Philipp Amthor. Der hat sein politisches Mandat für private Interessen missbraucht – von Sankt Moritz bis nach New York.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind zwischen diesen Orten gependelt, immer mit dem Schampusglas in der Hand. Was macht denn Ihr damaliger Kumpel Hans-Georg Maaßen heute? Das ist ein politischer Skandal gewesen, lieber Philipp Amthor! Da hätten Sie mal etwas mehr Zurückhaltung an den Tag legen müssen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Eijeijeijeijei!)

Meine Damen und Herren, niemand, wirklich niemand, der bei Verstand ist, glaubt doch ernsthaft, dass die Entscheidung, für ein Projekt solcher Größenordnung wie Nord Stream 2 eine Stiftung zu gründen, in Mecklenburg-Vorpommern getroffen wurde. Das ist doch absurd, Mario Czaja, völlig absurd. Weder Angela Merkel noch Olaf Scholz noch Peter Altmaier haben damals gesagt: Eine Stiftung gibt es mit uns nicht. – Nein, die haben das alles mitgetragen. Sie wollten das. Angela Merkel war in Wahrheit die Mutter von Nord Stream 2. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren!

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ich kann mich nur an den Vater erinnern, und der hieß Gerhard Schröder!)

Ich sage ganz klar: Auch ich war für Nord Stream 2. Ich stehe dazu: Ich habe mich in dieser Frage geirrt. Es war ein Fehler; das ist doch unbestritten. Aber ich will mal Ihren damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier zitieren. Der hat sich hier am Ende der letzten Legislatur noch dagegen verwahrt, Projekte, die auf Jahre angelegt sind, alle paar Monate infrage zu stellen. Das ist die Wahrheit. Haben Sie das alles vergessen, meine Damen und Herren von der Union, nur weil das jetzt nicht mehr opportun ist? Ich finde, ehrlich gesagt, das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Mario Czaja [CDU/CSU]: Ich habe doch dazu was gesagt, Herr Bartsch!)

Offensichtlich haben auch die Kolleginnen und Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern einige gravierende Erinnerungslücken. Nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern – das ist hier schon erwähnt worden – wurde ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt. Richtig so und gut so! Alle Ministerien haben die angeforderten Akten und Dokumente geliefert. Nur: Ausgerechnet in den Kalendern der Unionsminister, von Herrn Glawe, von Frau Hoffmeister, von Herrn Renz, waren die Daten gelöscht. Donnerwetter! Was ein Zufall, gerade bei der Union!

(Timon Gremmels [SPD]: Ach!)

Aber hier haben Sie vergleichsweise eine große Klappe.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Gabriele Katzmarek [SPD]: Hört! Hört!)

Ich appelliere an uns alle: Lassen Sie uns uns bitte an den Fakten orientieren! Natürlich ist Aufklärung notwendig, natürlich ist Transparenz notwendig, aber bitte auch Rechtsstaatlichkeit. Selbstverständlich ist auch aufzuklären, warum die Beamtin illegal gehandelt und eine Steuererklärung verbrannt hat; das ist doch völlig unbestritten. Aber das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft in Mecklenburg-Vorpommern und nicht von Hobbyanklägern aus der Union, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Markus Hümpfer [SPD])

Gleichwohl: Die Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern ist obsolet; Nord Stream 2 ist absehbar kein Thema mehr. Das ist zuallererst deswegen so, weil Russland seinen brutalen Krieg gegen die Ukraine führt, aber es ist auch deswegen so, weil die Pipelines zerstört worden sind, weil – um das klar zu sagen – Infrastruktur für die deutsche Energieversorgung angegriffen wurde. Meine Damen und Herren, das ist ein inakzeptabler Vorgang. Das sollte dringend aufgeklärt werden. Aber da schweigt die Bundesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Abschließend: Selbstverständlich erwarte ich sowohl von Erwin Sellering als auch von Werner Kuhn, dass sie die Auflösung der Stiftung nicht weiter blockieren. Das muss endlich geschehen. Da mögen Union und SPD bitte Druck machen – aber, liebe Union, bitte etwas kleinlauter, wenn man in seinen Reihen Leute wie Philipp Amthor hat. Etwas mehr Bescheidenheit wäre da angebracht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)