Wir wollen nicht, dass das BAföG quasi durch die Hintertür ausgehöhlt wird und sich die soziale Ungleichheit verschärft. Wir schlagen deshalb vor, im Bundesausbildungsförderungsgesetz zu verankern, dass die Anpassung der BAföG-Bedarfssätze und der Freibeträge für das anzurechnende Elterneinkommen automatisch erfolgt. Nele Hirsch zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Hochschulen öffnen - BaföG ausweiten“ (Drs. 16/847)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem heutigen Antrag fordern wir allem voran kurzfristige Anpassungen beim BAföG. Lassen Sie mich aus dem Antrag zwei Kernpunkte herausgreifen und diese im Folgenden mit Ihnen diskutieren. Der erste ist der Anpassungsbedarf bei den Bedarfssätzen und bei den Freibeträgen des BAföG. Man muss ja festhalten, dass jede Nichtanpassung der Bedarfssätze wegen der Inflation und der Steigerung der Lebenshaltungskosten eine Verringerung der Förderung bedeutet. Die Nichtanpassung der Freibeträge für das anzurechnende Elterneinkommen hat eine Verringerung des Kreises der BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger zur Folge. Zwar besteht nach § 35 BAföG bereits die Pflicht, die Sätze regelmäßig anzupassen und einen entsprechenden Bericht zu erstellen. Trotzdem wird die Anpassung, die eigentlich notwendig wäre, immer wieder verschleppt, so auch aktuell: Die letzte Anpassung liegt mittlerweile rund fünf Jahre zurück. Wir schlagen deshalb vor, im Bundesausbildungsförderungsgesetz zu verankern, dass diese Anpassung automatisch erfolgt. Dadurch könnte man eine Verschleppung, wie es sie in der Vergangenheit immer wieder gegeben hat, zukünftig ausschließen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Als Zweites schlagen wir mehrere Einzelmaßnahmen vor, die sich am besten darunter zusammenfassen lassen, dass wir das BAföG an die aktuellen Studienrealitäten anpassen wollen. Es geht dabei um Punkte, die wir aus der Beratungspraxis zusammengetragen haben. Wir hoffen, dass wir in den Ausschussberatungen zu gemeinsamen Lösungen kommen können, um diese Anpassung entsprechend vorzunehmen. Wir sind der festen Auffassung, dass diese beiden Kernpunkte, wenn die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, man wolle das BAföG erhalten, ernst zu nehmen ist, auf jeden Fall die Zustimmung von SPD und CDU/ CSU finden müssten. Wenn keine Anpassung vorgenommen wird, dann ist aus unserer Sicht ganz offensichtlich, dass das BAföG nicht erhalten, sondern eingeschränkt werden soll. (Beifall bei der LINKEN) Wir dürfen es aber nicht bei dieser Novelle belassen, die kurzfristig wirken soll, sondern müssen darüber diskutieren, wie wir das BAföG grundlegend weiterentwickeln können. Unser Ansatz ist, dass die Studienfinanzierung ein wichtiges Instrument für mehr Chancengleichheit im Studium sein kann und auch sein sollte. Man muss, wenn es um eine neue Ausgestaltung des BAföG geht, zwei empirische Erkenntnisse berücksichtigen, die man in der Zeit seit der Einführung des BAföG gewinnen konnte: Erstens. Man muss die Wirkung von Verschuldung bedenken. Es ist klar, dass, wenn den Absolventinnen und Absolventen nach dem Studium ein Schuldenberg droht, Personen aus finanziell schlechter gestellten Haushalten von der Aufnahme eines Studiums abgeschreckt werden. Das ist der falsche Weg. Von daher war die Verschuldungsdeckelung durch Rot-Grün in Höhe von 10 000 Euro ein Schritt in die richtige Richtung. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] sowie des Abg. Kai Boris Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Daran sollten wir anknüpfen und zu einem Vollzuschuss kommen, so wie das in den 70er-Jahren der Fall war. Zweitens. Wir müssen das BAföG auf die Bereiche Schule und Weiterbildung ausdehnen. Auch in diesem Fall können wir an die Erfahrungen aus den 70er-Jahren anknüpfen, vor allem was das BAföG für Schülerinnen und Schüler angeht. Es hat sich klar gezeigt, dass Schülerinnen und Schülern der Zugang zur Hochschule erleichtert wird, wenn ihnen ein umfassendes BAföG zur Verfügung steht. (Beifall bei der LINKEN) Wir stellen diesen Antrag auch vor allem vor folgendem Hintergrund: Wir halten die Politik des BMBF der letzten Monate in diesem Punkt für sehr bedenklich. Zum kurzfristigen Reformbedarf haben Sie, Andreas Storm, auf unsere Frage in der Fragestunde der vergangenen Woche geantwortet, dass keine Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge vorgesehen sei. Ich glaube, ich habe eben deutlich gemacht, dass gerade das notwendig und wichtig ist. (Beifall bei der LINKEN) Auch zur mittelfristigen Perspektive stimmt uns bedenklich, dass es eine der ersten Amtshandlungen der neuen Bildungsministerin war, den Auftrag für ein Studienkreditmodell der KfW zu erteilen. Der Trend geht somit zu einer Kreditfinanzierung des Studiums. Ich habe deutlich gemacht, dass wir gerade von einer stärkeren Verschuldung wegkommen müssten. Wenn man bedenkt, dass es diese Bildungsministerin war, die, damals noch in einer anderen Funktion, vor gut einem Jahr die komplette Abschaffung des BAföG gefordert hatte - viele von Ihnen werden sich noch daran erinnern -, dann zeigt das aus unserer Sicht sehr deutlich, dass das BAföG in der großen Koalition offensichtlich nicht die Bedeutung hat, die es aus unserer Sicht verdient. (Nicolette Kressl [SPD]: Das ist nicht wahr! - Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Dafür sind wir doch da, wir!) Wir wollen nicht, dass das BAföG quasi durch die Hintertür ausgehöhlt wird und sich die soziale Ungleichheit verschärft. Wir hoffen, über unseren Antrag so diskutieren zu können, dass wir uns zumindest auf den kurzfristigen Anpassungsbedarf, der zwingend erforderlich ist, verständigen können. Darüber hinaus hoffen wir, dass wir Zeit und Muße finden, ausgerichtet an den beiden Kernpunkten Verschuldungswirkung und Ausweitung des Geltungsbereiches, zu einer grundlegenden Reform des BAföG zu kommen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN)
Die Studienfinanzierung ist ein wichtiges Instrument für mehr Chancengleichheit im Studium
Rede
von
Nele Hirsch,