Rede von Heidrun Bluhm, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, in der abschließenden Haushaltsdebatte zum Bundeshaushalt 2012 zum Etat des Bundesministeriums Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Heidrun Bluhm (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltsdebatte in diesem Jahr kommt mir vor wie ein Déjà-vu: Es ist die gleiche Prozedur wie im letzten Jahr. Man könnte vermuten, dass jemand im Bauministerium dem Minister den Regieplan der Haushaltsberatung des letzten Jahres untergejubelt hat oder dass die Schallplatte Ramsauer irgendwo einen Sprung hat.
(Johannes Kahrs (SPD): Stimmt nicht! Ist noch schlimmer geworden!)
Wie schon im letzten Jahr werden zunächst im Haushaltsentwurf massive Kürzungen der Städtebauförderung angedroht. Dann werden diese Kürzungen kurz vor Ultimo wieder zurückgenommen, und dann wird die Rücknahme der Kürzung der staunenden Öffentlichkeit als Aufstockung präsentiert.
(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Starkes Zeichen des Parlaments!)
Herr Ramsauer, Sie brauchen einen neuen Trick.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich sind 455 Millionen Euro besser als 410 Millionen Euro. Aber auch Sie wissen, Herr Minister: Das wird bei weitem nicht ausreichen, um die anstehenden und unaufschiebbaren Aufgaben, die der demografische Wandel und der Klimawandel uns stellen, auch nur ansatzweise zu erfüllen.
Das sage ich nicht, weil es, wie uns Linken öfter unterstellt wird, zu unserem Naturell gehört, grundsätzlich immer mehr zu verlangen, sondern weil nun völlig klar auf der Hand liegt, dass die von uns geforderten 530 Millionen Euro pro Jahr die unterste Grenze dessen sind, was die Städte für die Gestaltung brauchen, und dass die Bundesrepublik Deutschland die selbstgesetzten Klimaschutzziele im Gebäudebereich so nicht einmal zur Hälfte erfüllen kann. Die Bundesregierung präsentiert sich gern als klimapolitischer Musterknabe und zeigt - das Kioto-Protokoll in der einen Hand - mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf andere. Dieser Finger ist aber nackt.
Wir sind nicht besser als andere, auch wenn wir so tun, als seien wir die Größten. Im Gegenteil: Wir sind der größere Umweltsünder, weil unsere Klimaschutzpotenziale viel größer sind als anderswo. Wir nutzen sie aber nicht, sondern wir lassen die Möglichkeit liegen. Man nennt das auch „schuldhafte Unterlassung“.
(Beifall bei der LINKEN)
Im vorigen Jahr haben Sie angekündigt, dass die Kürzungen der Haushaltsmittel für die CO2-Gebäudesanierung durch die Einnahmen aus dem Energie- und Klimafonds in Höhe von 500 Millionen Euro kompensiert werden. Ich habe mich in Ihrem Haus erkundigt, und Herr Scheuer hat freundlicherweise geantwortet: Ganze 75 Millionen Euro sind dort bis September 2011 eingegangen. Zur Erinnerung: 1,5 Milliarden Euro waren geplant. Das ist also nur ein Sechstel dessen, was allein die KfW für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm im Jahre 2011 zugesagt bekam.
Sie, Herr Minister, geben der KfW für 2012 die Versicherung, dass die Kofinanzierung der bereits erteilten Kreditzusagen in Höhe von 813 Millionen Euro mit Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 500 Millionen Euro gegenfinanziert wird. Woher soll das kommen?
(Sören Bartol (SPD): Ja, genau!)
Aus den Krediten des Finanzministers für den Energie- und Klimafonds. Das ist nicht nur ein Haushalt neben dem Haushalt ohne Eingriffsrechte des Parlaments, sondern das ist auch Bankenmanier à la Euro-Krise.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Finanzierung des Klimaschutzes muss dauerhaft durch den Bundeshaushalt sichergestellt werden und darf nicht von der beliebigen Verfügungsgewalt irgendeines Ministers abhängig sein.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie der Abg. Sören Bartol
(SPD) und Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Aus dem kürzlich vorgestellten Demografiebericht der Bundesregierung ergeben sich zwangsläufig und ohne ideologische Wertung dringlichste Konsequenzen für den massiven Ausbau des altersgerechten Wohnens, für die Ausgestaltung des Wohngeldes und für die Fortführung der allgemeinen Wohnraumförderung über 2013 hinaus. Aber der Haushaltsansatz 2012 geht genau in die entgegengesetzte Richtung.
Das für mich Unbegreifliche ist die wirtschaftliche Ignoranz, die im Einzelplan 12 deutlich wird. Ihre sozialpolitischen Denkansätze kann ich nachvollziehen, auch wenn ich sie nicht teile. Ich wiederhole für Sie - das wurde schon wer weiß wie oft gesagt -: Sie sparen mit den Kürzungen beim Städtebau nichts. Die Städtebauförderung ist keine Subventionssünde, sondern ein Wirtschaftsmotor.
Minister Schäuble hat am Mittwoch gesagt, dies sei ein wirtschaftsfreundlicher Haushalt. Mit diesem Einzelplan leisten Sie aber keinen Konsolidierungsbeitrag, sondern Sie treten auf die Konjunkturbremse.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie verhindern Investitionen und leisten damit der sozialen Spaltung Vorschub. Letzteres mag Ihnen ja egal sein, mir nicht.
Eine letzte, leider unvermeidliche Bemerkung: Vielleicht hätten Sie vor der Umwidmung der Mittel für das Programm „Die soziale Stadt“, wonach sie ausschließlich im investiven Bereich zu verwenden sind, eine Evaluation des Programms vornehmen sollen;
(Bettina Hagedorn (SPD): Ja! - Florian Pronold (SPD): Gibt es ja! Gibt es sogar!)
denn dann hätten Sie unter Umständen selbst gemerkt, dass Sie den Städten damit eine Präventionsmaßnahme gegen Rechtsextremismus aus der Hand nehmen,
(Sören Bartol (SPD): Ganz genau!)
und müssten heute dafür keine neuen Programme erfinden.
(Sören Bartol (SPD): Sehr gut!)
Herzlichen Dank.