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Die Privatisierung der Bildungskosten führt genau in die falsche Richtung

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Bereits fünf Bundesländer haben die Regelung eingeführt, wonach sich die Schüler bzw. die Eltern an der Bezahlung der Schulbücher in einem Umfang von mehr als 50 Prozent beteiligen müssen. Dadurch ist die Sammelrabattklausel gefährdet und nur deswegen müssen wir uns heute im Grunde genommen formalrechtlich mit der Buchpreisbindungsproblematik befassen. Den Nachlass von 8 bis 15 Prozent für Schulbücher, die nun nicht mehr überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert werden, wollen wir für Eltern und Schüler erhalten und retten. Das ist richtig und deswegen setzen wir uns mehrheitlich für den vorliegenden Gesetzentwurf ein. Dr. Luc Jochimsen in der Debatte des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes. ( Schulbücher)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es scheint im Moment die Stunde der gegenseitigen Belobigungen zu sein. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Weitermachen! Nicht aufhören! - Rita Pawelski [CDU/CSU]: Loben Sie uns mal! Machen Sie das mal!) Die Fraktionen arbeiten wunderbar. Der Wert des Lesens wird gewürdigt. Die kleinen Buchhandlungen werden geschützt und gefördert. Es wird Sie nicht verwundern: In diesem Zusammenhang kommt natürlich sofort auch ein Bekenntnis unserer Fraktion dazu, dass wir die Buchpreisbindung für ein unverzichtbares Instrument halten, um das Kulturgut Buch allen zugänglich zu machen. (Beifall bei der LINKEN) Im Wissen um den Wert der Bücher für die Bildung und die Entwicklung eines jeden Menschen und vor allem der Heranwachsenden haben wir uns stets dafür eingesetzt, Bücher aus der Logik des Marktradikalismus und der Profitmaximierung herauszuhalten. (Beifall bei der LINKEN) Nun diskutieren wir heute im Grunde gar nicht über den Wert und die Bedeutung der Buchpreisbindung, auch wenn wir uns formalrechtlich mit einer Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes befassen. Wir haben uns vielmehr mit einem bildungspolitischen Thema von höchster Problematik auseinander zu setzen. Das ist bei Ihnen nur in Nebensätzen erwähnt worden. Die Kollegin von der CSU sprach nur allgemein von der Bücherregelung und beschrieb gar nicht, was damit gemeint ist. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Oh doch, das hat sie gesagt! Sie haben nur nicht zugehört! - Rita Pawelski [CDU/CSU]: Das hat sie doch gemacht!) Es geht um die um sich greifende Abschaffung der Lernmittelfreiheit in unserem Land. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ich weiß, dass das in der Verantwortung der Länder liegt. Bereits fünf Bundesländer haben die Regelung eingeführt, wonach sich die Schüler bzw. die Eltern an der Bezahlung der Schulbücher in einem Umfang von mehr als 50 Prozent beteiligen müssen. Dadurch ist die Sammelrabattklausel gefährdet und nur deswegen müssen wir uns heute im Grunde genommen formalrechtlich mit der Buchpreisbindungsproblematik befassen. Den Nachlass von 8 bis 15 Prozent für Schulbücher, die nun nicht mehr überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert werden, wollen wir für Eltern und Schüler erhalten und retten. Das ist richtig und deswegen setzen wir uns mehrheitlich für den vorliegenden Gesetzentwurf ein. Wir müssen aber auch darauf hinweisen, dass mit den insgesamt für den Kauf von Schulbüchern zur Verfügung stehenden Mitteln in Zukunft immer weniger Bücher angeschafft werden können; es sei denn, die Eltern und die Schüler steigen finanziell ein. Wir werden zwar der Gesetzesänderung zustimmen, damit der Preisnachlass bei Schulbüchern ungeachtet der Höhe und des Umfangs der privaten Mitfinanzierung erhalten bleibt. Den Eltern und den Schülern wird jetzt ein geringer Sammelrabatt gewährt. Aber die Frage ist: Werden sie in Zukunft nicht verstärkt an der Finanzierung der Bücher beteiligt werden? Werden sie nicht verstärkt die Bücher selbst kaufen müssen? Die Entwicklung, die diese Gesetzesänderung notwendig macht, ist aus unserer Sicht hoch problematisch, weswegen sich einige Mitglieder unserer Fraktion bei diesem Gesetzesvorhaben enthalten werden. Wenn heute bereits in fünf Bundesländern die Eltern bzw. volljährige Schüler einen Teil der Kosten für die Schulbücher selbst tragen müssen, dann hat das natürlich Folgen. Diese Folgen sind: noch größere soziale Ungleichheiten beim Zugang zur Bildung. Da kann man dann noch so schöne Worte über den Wert des Buches und des Lesens verlieren. Dies heißt letztlich: eine noch größere soziale Ungleichheit beim Zugang zur Bildung. Das ist schon heute das Hauptproblem unseres Bildungssystems. In allen internationalen Vergleichsstudien werden wir davor gewarnt, den Weg der sozialen Ungleichheit beim Zugang zur Bildung und zu Büchern fortzusetzen. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Es wird keiner sozial benachteiligt! Es gibt eine Dritte-Kind-Regelung! Das stimmt alles nicht, was Sie sagen!) - Die internationalen Studien zeigen auf, dass die Verhältnisse in unserem Land auseinander gehen. Soziale Bildungsdeterminanten sind dabei sehr wichtig. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Keiner muss unter sozialer Ungleichbehandlung leiden!) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin Jochimsen, ich würde auf diese Zurufe jetzt nicht reagieren; denn Sie haben Ihre Redezeit überschritten und müssen zum Ende kommen. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Ich komme zum Schluss. - Eine sozial gerechte Bildung kann nur bei umfassender und ausreichender Finanzierung durch die öffentliche Hand gewährleistet werden. Die Privatisierung der Bildungskosten - mit Sammelrabatt oder ohne - führt genau in die falsche Richtung. Danke sehr.