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Die militärische Option schafft mehr Probleme, als sie löst

Rede von Monika Knoche,

Monika Knoche, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, zur Regierungserklärung des Außenministers Steinmeier

"Sehr geehrte Damen und Herren! Namens meiner Fraktion wünsche ich Ihnen eine glückliche Hand Frau Osthoff wohlbehalten zurück zu holen.

Ich darf versichern, der Linken wäre es eine Freude, Sie bei der Umsetzung einer ambitionierten Außenpolitik zu unterstützen. Sie kündigen Kontinuität von Rot-Grün an. Gerade das ist ein Grund, weshalb wir Ihnen Zuspruch versagen müssen. Denn Sie setzen die Interessenswahrnehmung Deutschlands mit ökonomischem Nutzen gleich. Das Grundgesetz begrenzt Sie offenbar nicht mehr. Um die Gerechtigkeitsfragen der Welt auch mittels Außenpolitik aufzulösen reicht das nicht aus. Stattdessen forcieren Sie militärische Optionen. Um es klarzustellen: Wir sind nicht deswegen gegen Militarismus, weil wir in der Opposition sind. Wir lehnen diesen Weg ab, weil er mehr Problem schafft als er löst. Wir haben nicht angenommen, dass Sie sich in Selbstkritik üben ob der ungeordneten Situation 15 Jahre nach Ende des kalten Krieges und euphorischer Fehlprognosen über die neue Friedensära. Wir nehmen nicht an, dass Sie Jahre nach dem Angriffskrieg in Ex-Jugoslawien die Fehleinschätzung von Dayton eingestehen. Was wir erwarten ist, dass sie die selbstgefällige Rede von dem weltweiten Ansehen Deutschlands wegen der Kriegsbeteiligung beenden. Denn Krieg ist kein legitimes Mittel der Politik. Selbst wenn sie mit Zapfenstreich und Wehrpflicht die Alltäglichkeit des Militärischen suggerieren wollen lassen wir das nicht durchgehen!

Nicht von Krieg, von "Terrorbekämpfung" ist jetzt Ihre Rede. Die Einsätze bleiben völkerrechtswidrig. Krieg ums Öl, egal wer ihn wo führt, ist keine Normalität. Es sind wirtschaftliche Interessen im Spiel, nicht die Menschenrechte.

Klarheit und Wahrheit gehen im Zuge dieser Kriegseinsätze genauso verloren wie die Aufklärung, Legalität und Demokratie.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte klar, die geleistete logistische Unterstützung für den Irakkrieg ist selbst ein Völkerrechtsbruch. Die Gefangenen der CIA aus Afghanistan werden in illegale Gefängnisse gebracht. Guantanamo ist ein Ernstfall der Menschenrechtsfrage - und zwar schon seit Joschka Fischers Amtszeit. Schwarz-Rot und Grün tragen Mitschuld durch Duldung. Es stehen Vorwürfe im Raum, dass in geheimen Gefängnissen in Europa gefoltert wird. Minister Steinmeier meint: Mal abwarten, was die USA der EU erzählt. Das genügt nicht, das war ein armseeliger Auftritt mit Frau Rice. Wir wollen wissen, was die Bundesregierung weiß und sagen, was sie wissen und vor allem nach geltendem Recht tun müsste. Wo ist die Souveränität? Wo ist die Äquidistanz zu den USA? Fehlanzeige!

Was ist der Anteil deutscher Truppen in Afghanistan am Aufbringen und Verbringen von Gefangenen? Im Raum steht die Möglichkeit dass Deutschland selbst sich Verbrechen schuldig gemacht hat. Es herrscht Aufklärungs- und Handlungsbedarf. Herr Minister, hier hat der proklamierte Völkerrechts- und Menschenrechtsvorrang zu greifen!

Wegen des fortgesetzten Völkerrechtsbruch in Afghanistan haben die Menschen Angst vor Terroranschlägen, zahlen mit dem Verlust von Bürgerrechten und Einschnitten in den Datenschutz. Dieser "Krieg gegen Terror" ist mit steigenden Rüstungsausgaben und der Androhung des Einsatzes der Bundeswehr im Innern verbunden. Sie deklarieren Rüstungsausgaben zu Investitionen um; die sozialen Investitionen bezeichnen Sie als Lasten. Wer hat sich die Sicherheitspolitik so vorgestellt?

Im Übrigen hat der Bundestag nie definiert, was Terror ist. Es ist aber wichtig,
  1. Terror als Tötung Unbeteiligter zur Erreichung politischer Ziele zu beschreiben und zu ächten
  2. zwischen Befreiungsbewegungen und ethnisch-rassistischer Unterdrückung und Willkür zu unterscheiden.
  3. Krieg gegen Drogen vom Krieg gegen Terror zu trennen und sich an keinem von beiden zu beteiligen.

Meine Herren und Damen: Zum deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat: Hier sollte die Bundesregierung dem Rat aus den eigenen Reihen folgen und das Anspruchsniveau realistisch ausgestalten statt rot-grüner Selbstüberschätzung nachzueifern. Was wir unterstützen würden, ist ein Votum für eine emanzipatorische Weiterentwicklung des Völkerrechts. Im Ergebnis brächte das vergessenen Kontinent Afrika eine eigene und eigenständige Stimme. Dieser Teil der Welt darf nicht erst dann ins Blickfeld rücken, wenn der Migrationsdruck vor den verschlossenen Toren Europas dazu zwingt. Im Westen fällt neben den USA mein Blick auf Lateinamerika, das ein Recht darauf hat, eine Gleichstellung mit den Veto-Staaten zu erlangen. Die Entwicklungen z. B. in Venezuela sind beeindruckend. Im Nahen Osten besorgt die Drohkulisse gegen den Iran. Wir lehnen atomare Energie und erst recht atomare Bewaffnung ab. Aber dennoch kann dem Iran die legitime Atomnutzung nicht abgesprochen werden. Was wir brauchen, ist eine konsequente Initiative für einen atomwaffenfreien Raum im Nahen und Mittleren Osten. Bei der Regierungsposition könnte man meinen, die Welt endete in China, den USA und Russland. Letztgenanntes Land endet zwar am Ural, aber wie weit Europa reichen soll, darauf bleibt die Regierung die Antwort schuldig.

Was Europa heute und morgen ist, diese Frage ist nicht dadurch beantwortet, dass man nichts zur Türkei sagt. Hier muss schon ein ideengeschichtliches, ein geographisches sowie ein politisch kulturelles Bild entworfen werden. Ihrem Willen nach soll eine Verfassung Europa gänzen. Die Zeit dafür ist vorbei. Bolkenstein heißt nichts weniger als Privatisierung und Deregulierung sowie Entdemokratisierung.

Hätte die Bevölkerung die Möglichkeit, gefragt zu werden, bin ich mir sicher, sie würde sagen: Wir wollen ein soziales und friedliches Europa. Aber Sie wollen das Volk nicht fragen.

Zu einer europäischen Idee gehört der Sozialstaat, eine antimilitaristische Zukunft und der ökologische Erhalt. Weil Sie das in Frage stellen, sind die Menschen europaskeptisch. Die Bevölkerung fürchtet nicht den Islam oder andere Religionen. Sie fürchtet auch nicht die persönlichen Herausforderungen, die eine echte ökologische Wende mit sich brächte. Europa und die Welt braucht eine Idee vom .... Frieden und Entwicklung. Dabei liegt die größte Friedensdividende in der Emanzipation aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Mit solchen Schritten würde das Ansehen Deutschlands in der Welt steigen."