Hubertus Zdebel (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Belastung unserer Ozeane wird ein immer drängenderes Problem. Und dabei ist die Betrachtung der Meeresbelastung durch Plastikmüll nur eine Komponente.
Es ist richtig und wichtig und auch sehr zentral, dass die Bundesregierung den Meeresschutz als ein Schwerpunktthema der deutschen Präsidentschaft des G-7-Gipfels benennt, der eigentlich ein G-8-Gipfel sein sollte, was bei der langen russischen Küstenlinie auch Sinn machen würde. Aber das ist ein anderes Thema.
Toni Hofreiter hat gerade darauf hingewiesen: Das Reden über den Meeresschutz ist das eine, es kommt vor allen Dingen aber darauf an, zu handeln und Konsequenzen zu ziehen. Ich will einen Aspekt anbringen, der in der Diskussion überhaupt noch nicht erwähnt worden ist, nämlich der Wettlauf um die Bodenschätze der Ozeane: Kupfer, Kobalt und Seltene Erden. Dieser Wettlauf ist bereits im vollen Gange. Dabei geht es um knallharte geopolitische und wirtschaftliche Interessen.
Ab 2016 können erste Explorationslizenzen bei der Internationalen Meeresbodenbehörde, ISA, in Förderlizenzen umgewandelt werden. Dann geht der Run auf Tiefseereserven richtig los, um den eigenen Rohstoffhunger zu stillen und zu decken. Deutschland ist im Rahmen seiner Rohstoffstrategie voll dabei.
An dieser Stelle muss man, glaube ich, einmal Folgendes erwähnen: Deutschland erwarb bereits 2006 bei der ISA eine Explorationslizenz für ein 75 000 Quadratkilometer großes Tiefseegebiet im Südpazifik. Mehr als 4 000 Meter unter dem Wasserspiegel liegen dort Manganknollen auf dem Meeresboden, die einen hohen Anteil an Metallen wie Mangan, Eisen, Kobalt, Nickel, Kupfer und anderen Stoffen enthalten. Gerade am letzten Mittwoch unterzeichnete die Bundesregierung ihre zweite Explorationslizenz für ein 10 000 Quadratkilometer großes Gebiet im Indischen Ozean südöstlich vor Madagaskar. In bis zu 4 000 Metern Tiefe soll nun nach Buntmetallen wie Kupfer, Blei oder Zink sowie vor allem nach sogenannten Hochtechnologiemetallen gesucht werden. Außerdem sind deutsche Unternehmen im Bereich der Bohrtechnik oder als Lieferanten entsprechender Technik und Ausrüstung schon heute international gefragte Ansprechpartner, allen voran Siemens.
Die Nutzungsinteressen in den Bereichen Energiegewinnung, Rohstoffförderung, Transport, Nahrungsbeschaffung und Unterbringung der Versorgungsinfrastruktur greifen natürlich in das Ökosystem Meer ein. Das ist der zentrale Punkt bei dem Ganzen. Bereits jetzt gelten über 40 Prozent der Meere als stark vom Menschen beeinflusst. Die Artenvielfalt in den Meeren geht zurück und damit der genetische Pool. Gerade in der Tiefsee ‑ darüber reden wir ja, wenn es um diese Explorations- und Förderlizenzen geht ‑ führt das aufgrund der langsam ablaufenden biologischen Prozesse zu starken Auswirkungen.
Deswegen fordert die Linke ein weltweites Moratorium für den Tiefseebergbau, und zwar so lange, bis ausreichende Informationen über die Flora und Fauna der Tiefsee vorliegen, aufgrund derer die Folgen von menschlichen Tiefseeaktivitäten auf die Ökosysteme realistisch eingeschätzt werden können.
(Beifall bei der LINKEN)
Diese Informationen liegen im Moment noch nicht vor. In diesem lichtleeren Raum fehlt nämlich im wahrsten Sinne des Wortes der Durchblick, wie die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom vergangenen Samstag sehr eindrücklich verdeutlicht hat. Jeder Eingriff, gerade im Tiefseebereich, kann fatal sein.
Außerdem macht sich die Linke bezüglich jeglicher mariner Rohstoffförderung und -nutzung für die Verursacherverantwortung im gesamten Förderprozess ‑ bis hin zu sozialen und ökologischen Folgekosten ‑ stark.
(Beifall bei der LINKEN)
Das internationale Seerechtsübereinkommen UNCLOS regelt die verschiedenen Nutzungsansprüche auf See recht umfassend. Aus unserer Sicht ist es allerdings elementar, dass auch die USA als einflussreiches und rohstoffhungriges Land dieses wichtige Abkommen ratifizieren. Das ist bisher noch nicht der Fall.
Die Linke fordert ferner weltweit gute Arbeitsbedingungen auf See und eine gerechte Aufteilung der durch die Rohstoffförderung erzielten Gewinne auf alle beteiligten Länder.
Nicht nur im sozialen, sondern auch im ökologischen Sinne halten wir es für absolut unerlässlich, dass eine Ausflaggung von Schiffen unter Billigflaggen grundsätzlich ausgeschlossen ist und bleibt.
(Beifall bei der LINKEN)
Hierzu bedarf es bis 2020 eines internationalen Vertragswerks in Anlehnung an die Initiative der International Transport Workersʾ Federation, das die Schiffsflagge an die Nationalität bzw. den Wohnsitz des Schiffseigners bindet.
Weitere große Themen sind der Schutz der Biodiversität, die Eindämmung von Nähr- und Schadstoffeinträgen und die Umsetzung verbindlicher Fischereiabkommen, die das Fischen nach Mehrjahresplan und dem sogenannten Maximum-Sustainable-Yield-Prinzip ‑ dabei geht es um den höchstmöglichen Dauerertrag ‑ sowie ökologisch unverträgliche Fischereimethoden wie mobile bodenberührende Fanggeräte und Stellnetze ausschließen und Fangverbotsareale festlegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die nationale Ebene will ich in dieser Rede nur sehr kurz berühren, da Toni Hofreiter in seiner Rede schon einiges dazu gesagt hat. Nur so viel: Gerade in den Punkten Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft und Fischerei ist das Bundesumweltministerium in seiner Verhandlungsposition gegenüber dem Bundeslandwirtschaftsministerium ausdrücklich zu stärken. Frau Schwarzelühr-Sutter, da Sie heute anwesend sind, möchte ich Sie bitten, Frau Hendricks auszurichten, bitte dafür zu sorgen, dass fischereiökologische Maßnahmen und flächendeckende Gewässerrandstreifen von mindestens 5 Metern mit einem Verbot von Düngung, Pflanzenschutzmitteleinsatz und Ackernutzung wieder auf die Liste des Maßnahmenkatalogs zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie kommen. Das ist nämlich bisher leider nicht der Fall.
Nicht ohne Grund verfehlt Deutschland die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie, bis Ende 2015 einen guten ökologischen und chemischen Zustand der Oberflächengewässer zu erreichen. Es ist noch unklar, ob der zweite Bewirtschaftungszeitraum bis Ende 2021 dieses Ergebnis maßgeblich ändern wird, wenn nicht eine grundlegend andere Gewässerpolitik gefahren wird. Uns allen muss klar sein: Meeresschutz beginnt schon bei der Gewässerquelle.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum Schluss: Die Meldung von Mitte April über den Ölteppich vor Gran Canaria hat nicht nur bestätigt, dass das Meer permanent durch menschliche Nutzungsinteressen gefährdet ist, sondern vor allem auch, wie zynisch mit weniger wirtschaftlich entwickelten Ländern umgegangen wird. Im konkreten Fall sollte das brennende russische Schiff nicht gelöscht, sondern auf offenem Meer seinem Schicksal überlassen werden. Die Strömung würde den Treibstoff in Richtung Afrika treiben. Mittlerweile ist das Schiff mit großen Teilen seines Treibstoffs gesunken. Es stellte sich heraus, dass die „Oleg Naydenov“ schon 2012 ohne Lizenz beim Fischen erwischt wurde, und zwar unter anderem vor der Küste Senegals, wo Fischerei verboten ist. Auch vor Somalia wurde in Krisenzeiten illegal gefischt, was im Anschluss zu Waffengewalt und Piraterie führte.
Der Schutz des Meeres und seiner Ressourcen bedeutet auch Friedenssicherung. Auch deshalb setzt sich die Linke dafür ein.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))