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Die Kopfpauschale muss weg!

Rede von Harald Weinberg,

Pharmaindustrie an die Leine nehmen!

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Harald Weinberg für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Harald Weinberg (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Rösler sprach gerade von einer Gewissheit, die man habe. Die einzige Gewissheit, die wir bisher haben, ist, dass diese Gesundheitsprämie für die Versicherten, vor allem für die schlecht verdienenden Versicherten, teurer wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Was wird tatsächlich angegangen? Die Bundesregierung verweigert bislang der Opposition sämtliche Auskünfte über ihre Vorhaben in der Gesundheitspolitik mit dem Hinweis, das werde die Regierungskommission schon regeln; so lange müsse man eben Geduld haben.
Aber weder wir noch die Menschen draußen wollen sich weiter gedulden. Die Menschen draußen verlieren die Geduld - die Umfragen zeigen das deutlich -, wahrscheinlich weil ihre Erfahrungen mit Regierungskommissionen - wenn man zum Beispiel an die Hartz-Kommission denkt - nicht die allerbesten sind.

(Beifall bei der LINKEN)

In der aktuellen gesundheitspolitischen Debatte gibt es immer wieder Auseinandersetzungen um die Begriffe. Herr Spahn von der Union und Herr Lanfermann von der FDP würden uns ja am liebsten verbieten, von einer Kopfpauschale zu reden. Stattdessen sollen wir schön brav immer „einkommensunabhängige Gesundheitsprämie mit automatischem Sozialausgleich“ sagen.

(Beifall bei der FDP - Heinz Lanfermann [FDP]: Richtig! Sie haben es ja doch verstanden!)

Einmal abgesehen davon, dass das ein Begriffsungetüm ist, kann man nur sagen: Netter Versuch, Herr Spahn; netter Versuch, Herr Lanfermann. Herr Bahr von der FDP, heute Staatssekretär, hat früher an dieser Stelle den Versuch unternommen, Begriffsklärungen mithilfe des Duden herbeizuführen. Wir tun es Ihnen einfach einmal gleich: Unter dem Stichwort „Kopfpauschale“ finden Sie dort - Zitat -: von allen Versicherten in gleicher Höhe zu entrichtender Beitrag zur Krankenversicherung.

(Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist eben nicht so!)

Wenn wir von dem Detail der Familienversicherung einmal absehen, dann ist es genau das, was Sie einführen wollen.

(Heinz Lanfermann [FDP]: Das sind Millionen Versicherte!)

- Nun seien Sie einmal ruhig! - Jeder und jede soll denselben Beitrag zahlen. Was, denken Sie, Herr Lanfermann, steht im Duden unter dem Stichwort „Gesundheitsprämie“? Nichts, kein Eintrag.

(Heinz Lanfermann [FDP]: Das wollen wir ja füllen!)

Laut Duden gibt es dieses Wort gar nicht. Es ist eine Erfindung von Ihnen und von Herrn Spahn, von all denen, die die Kopfpauschale einführen wollen, ohne dass die Bevölkerung es merkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen aber: Dieser Versuch geht schief. Die Menschen sind nicht so dumm, dass sie sich von Ihnen hinters Licht führen lassen.

(Heinz Lanfermann [FDP]: So kommen wir sogar in den Duden!)

Den Kampf um die Begriffshoheit haben Sie längst verloren. Deshalb wiederhole ich hier in aller Deutlichkeit: Die Kopfpauschale ist unsozial, die Kopfpauschale ist unfinanzierbar, auch die schrittweise Einführung der Kopfpauschale ist ein Anschlag auf den Sozialstaat. Die Kopfpauschale muss weg.

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Lanfermann [FDP]: Sie kann nicht weg! Sie ist ja noch gar nicht da!)

Zum Schluss muss noch über ein Stück Schmierentheater gesprochen werden; es war gerade hier Thema. Der Gesundheitsminister merkt langsam, dass er etwas machen muss. Er kann nicht immer nur unterhaltsame Anekdoten von sich geben, gute Miene zum bösen Spiel machen und ansonsten untätig bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Heinz Lanfermann [FDP]: Freundliche Miene zum guten Spiel!)

Das kauften Ihnen die Medien und die Öffentlichkeit vor einigen Monaten ab, jetzt aber nicht mehr. Es wird überall berichtet, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, vor allen Dingen die der Arzneimittel; das war gerade Thema. Nun denkt sich Minister Rösler: Von mir als FDP-Mitglied - Sie wissen, eine Übersetzung von FDP ist: Freundeskreis der Pharmaindustrie -

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der FDP: Oh!)

erwartet niemand, dass ich der Pharmaindustrie die Rendite kürze, aber die Menschen im Land fänden das vielleicht gut. Also tue ich einmal so, als ob. Ich treffe mich mit den Vertretern der Pharmaindustrie hinter verschlossenen Türen und frage sie, welche Vorschläge sie haben, um die Pillen billiger zu machen. Nun gut, die Pharmaindustrie macht dann einen Vorschlag, nämlich dass die großen Konzerne nicht mehr für alle Krankenkassen zugleich die Preise festsetzen sollen, sondern zukünftig mit jeder einzelnen Kasse in Verhandlungen treten sollen. Dreimal dürfen Sie raten, wer gewinnt, wenn ein multinationaler Konzern mit einer Betriebskrankenkasse in Verhandlungen tritt.

Und nun kommt das Theater: Herr Rösler sagt in der Bild-Zeitung: Ich lege die Pharmaindustrie an die Leine. Ihr dürft nicht mehr allen Krankenkassen zugleich die Preise diktieren, sondern müsst zukünftig Verhandlungen mit jeder einzelnen Kasse führen. - Die Pharmaindustrie tut so, als wäre sie hart getroffen, ist es aber nicht. Sie ist wieder einmal geschickt um eine wirkliche Preisregulierung der Arzneimittel herumgekommen. Das glauben Sie nicht? Im Spiegel vom 15. März - auch Herr Rösler hat gerade aus dem Spiegel zitiert - ist der Vorsitzende des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, Bernd Wegener, zitiert. Er sagt dort wortwörtlich: ”Interessant, dass man uns zu unseren eigenen Vorschlägen zwingen will.” Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)