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Die Herero und Nama haben ein Recht auf Wiedergutmachung!

Rede von Hüseyin Aydin,

Rede im deutschen Bundestag am 13. Juni 2007 zu TOP 7: Beratung des Antrags „Anerkennung und Wiedergutmachung der deutschen Kolonialverbrechen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika“ (Drs. 16/4649), Fraktion DIE LINKE.

Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sprechen wir es klar und unmissverständlich aus: Die deutschen Kolonialtruppen haben zwischen 1904 und 1908 in Deutsch-Südwestafrika einen Völkermord begangen. Etwa 80 Prozent der Herero und 50 Prozent der Nama fielen einem erbarmungslosen Vernichtungsfeldzug zum Opfer. Ich verneige mich vor den Toten und ihren Nachfahren.
Ich begrüße den namibischen Botschafter und Chief Riruako als Repräsentanten der Herero, die unsere Debatte im Bundestag verfolgen.
(Beifall im ganzen Hause)
Es geht heute darum, das offizielle Schweigen zu durchbrechen. Bis heute hat keine Bundesregierung die Existenz dieses Völkermordes anerkannt. Das nenne ich eine Schande.
Die historischen Fakten sind unbestritten. 1904, nach der Schlacht am Waterberg, trieben die Truppen des Kaisers die Herero in die Wüste, um sie qualvoll verdursten zu lassen. Der dafür verantwortliche General von Trotha hat einen regelrechten Vernichtungsbefehl erlassen - ich zitiere -:
Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen …
Kinder und Frauen waren darin eingeschlossen. Der damalige deutsche Generalstabschef von Schlieffen billigte diesen Krieg und nannte ihn einen Rassenkampf.
Nach den Herero wurden die Nama mit denselben Methoden bekämpft. Die Überlebenden kamen in Lager, die schon damals Konzentrationslager hießen. Dort kam es zu Massenvergewaltigungen. Gefangene wurden von deutschen Unternehmen als Zwangsarbeiter zum Eisenbahnbau missbraucht. Das kann jeder Abgeordnete in der Parlamentsbibliothek nachlesen. Und doch haben diese barbarischen Verbrechen bis heute keinerlei offizielle Konsequenzen.
Bundespräsident Herzog, Bundeskanzler Kohl, Außenminister Fischer: Sie alle fuhren nach Namibia und taten so, als habe es nie einen Völkermord gegeben. Diese historische Ignoranz ist unerträglich.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das ist doch falsch!)
Die Linke sagt: Völkermord verjährt nicht, weder moralisch noch juristisch.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Herero und Nama haben ein Recht auf Wiedergutmachung.
Immer wieder begegne ich dem Argument, die Verbrechen würden schon Generationen zurückliegen; nun seien sie Geschichte geworden. Das stimmt. Doch das sagt nichts anderes aus, als dass eine nach der anderen Regierung die vergangenen Verbrechen an den Herero und Nama ignoriert hat. So sind die Jahre ins Land gegangen. Man kann nicht erst auf Zeit spielen und dann sagen: Es ist zu viel Zeit vergangen. Das ist unehrlich und auch zynisch.
Richtig ist: Im Jahr 2004 hat der Bundestag einen Antrag zur historischen Verantwortung gegenüber Namibia verabschiedet. Doch der Antrag vermied jede Klarstellung zu den historischen Sachverhalten. Er leugnet die Existenz eines Vernichtungsbefehls; er leugnet den Völkermord. Die Bundestagsresolution von 2004 ist kein Dokument der Versöhnung, sondern ein Affront gegenüber den Opfern des deutschen Kolonialismus.
Die Mehrheit der Deutschen war gegen den Kolonialismus. August Bebel sprach ihnen aus dem Herzen, als er im März 1904 vor den Abgeordneten des Reichstages den Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika verurteilte. Er nannte den Widerstand der Herero einen gerechtfertigten Befreiungskampf.
Vor drei Jahren nahm Ministerin Wieczorek-Zeul diesen Faden auf. In Namibia nannte sie die Gräueltaten öffentlich beim Namen. Sie sprach wie ich heute von einem Völkermord, von einem Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama. Diese mutige Rede hat in Namibia viele Hoffnungen geweckt. Doch leider hat die Bundesregierung diese Hoffnungen in der Folge enttäuscht. Das Mindeste, was man hätte erwarten können, wäre das Angebot auf einen offenen und fairen Dialog gewesen.
(Beifall bei der LINKEN)
Doch bis heute gibt es keinerlei Angebot in dieser Richtung.
Man kann nicht nach Namibia fahren, öffentlich einen Völkermord anerkennen und dann zur Tagesordnung übergehen.
1990 versprach das Auswärtige Amt: Wenn die namibische Regierung den Wunsch nach Wiedergutmachung stelle, dann werde dieser geprüft werden. Dieser Zeitpunkt ist gekommen. Seit Oktober letzten Jahres gibt es einen einstimmigen Beschluss des namibischen Parlaments, in dem Verhandlungen mit Deutschland über eine Wiedergutmachung gefordert werden. Der namibische Premierminister Nahas Angula hat sich öffentlich hinter diese Initiative gestellt.
Wir von der Linken werden jeden Schritt unterstützen, den die Bundesregierung nun auf die namibische Regierung zugeht. Die Aussöhnung mit den Völkern Namibias lässt keinen Raum für parteipolitischen Streit. Ich appelliere an Sie alle: Lassen Sie uns gemeinsam einen Weg finden, die Wunden der Vergangenheit in Würde zu heilen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])