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Die große Koalition ist Gift für die parlamentarische Demokratie

Rede von Dagmar Enkelmann,

Vor Beginn der eigentlichen Debatte mußte das Plenum am 9.März einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Fraktionen der großen Koalition haben beantragt, die Tagesordnung um vier Anträge zu erweitern. Es handelt sich hierbei um vier Anträge im Zusammenhang mit der geplanten Föderalismus¬reform, die in der 19. Sitzung am 16. Februar an die Ausschüsse überwiesen wurden. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD beantragten, diese vier Anträge auf die Tagesordnung vom 09.03.2006 aufzusetzen und sodann in Abänderung eines früheren Überweisungsbeschlusses federführend an den Rechtsausschuss zu überweisen. Das heißt, die Fachpolitiker sollen in einer so wichtigen Debatte wie der über den Umbau bzw. die Neuorganisation des Staatswesens de facto entmachtet werden;

Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Röttgen, Ihre Rede hatte den Charme einer eingesprungenen Sitzpirouette. Wie Sie das zurückgenommen haben, was Sie hier einmal mehrheitlich beschlossen haben, das verdient schon Respekt, Herr Kollege! (Beifall bei der LINKEN) Die große Koalition ist Gift für die parlamentarische Demokratie; das beweist genau der Vorgang, über den wir gerade beraten. (Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben vor drei Wochen mehrere Anträge, die im Zu¬sammenhang mit der Föderalismusreform stehen, in diesem Haus beraten und sie gemeinsam an die zuständigen Fachausschüsse überwiesen - was sinnvoll war, was vernünftig war und was bisher als Verfahren üblich war. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was ist in den Ausschüssen passiert? Im Umweltausschuss zum Beispiel hat man sich bereits über den Fortgang des Verfahrens verständigt. Herr Scholz, dort ist gestern beschlossen worden, dass eine öffentliche Anhö¬rung stattfinden wird. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP) So weit zum Umgang mit der Öffentlichkeit. Ich würde gerne wissen, wie Sie mit diesem Beschluss des Ausschusses umgehen wollen. Der Bildungsausschuss ist etwas anders verfahren; das gebe ich gerne zu. Hier hat sich die Mehrheit gewei¬gert, dem Auftrag des Parlaments zu folgen, nämlich die Anträge, die in den Ausschuss überwiesen worden sind, dort auch ordentlich zu beraten. Jetzt wollen Sie die Federführung des Rechtsausschusses. Das heißt, die Fachpolitiker sollen in einer so wichtigen Debatte wie der über den Umbau bzw. die Neuorganisation des Staatswesens de facto entmachtet werden; (Dr. Peter Struck [SPD]: Das, was Sie da sagen, ist Unsinn!) denn wir alle wissen sehr wohl, dass nach der Geschäfts¬ordnung eine eigenständige Anhörung in den Fachaus¬schüssen dann nicht mehr möglich ist. Das heißt, wir alle sind auf das Wohlwollen der Koalition angewiesen, im Rechtsausschuss gegebenenfalls auch Fachpolitiker an¬zuhören. Ich denke, das kann es nicht sein. (Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Spannenderweise geht es ja gerade um die Politikfelder - das konnten wir den Medien in den letzten Tagen entnehmen -, die innerhalb der Koalitionsfraktionen noch strittig sind. Wollen Sie die Federführung also zur Disziplinierung der Abtrünnigen in Ihren eigenen Rei¬hen nutzen? (Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich denke, das ist ein unglaublicher Vorgang in diesem Hohen Hause. Herr von Essen, mir war genau das Gleiche eingefallen wie Ihnen: Das strotzt nur so von Arroganz der Macht. (Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN) Kraft Ihrer Wassersuppe werden Sie das Zurückholen der Anträge und die Überweisung in den federführenden Ausschuss heute natürlich mit Mehrheit beschließen. Sie sollten davon ausgehen, dass wir das nicht auf sich beru¬hen lassen werden. Wir werden gegebenenfalls rechtliche Schritte prüfen. (Dr. Peter Struck [SPD]: Was soll das denn? - Weitere Zurufe von der SPD: Oh!) Ich denke, die Opposition sollte sich nicht wie ein lästiges Übel in diesem Parlament behandeln lassen.) (Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN