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Die Glaubens- und Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht

Rede von Bodo Ramelow,

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mir wäre es lieber, wenn der Tagesordnungspunkt allgemein dem Thema Glaubensfreiheit gewidmet wäre. Es geht um das Menschenrecht, dass jeder Mensch auf dieser Welt das glauben kann, was er möchte, und sich nach eigenem Gutdünken einer Religionsgemeinschaft anschließen kann. Daran darf er nicht gehindert werden. Am Glauben darf man egal in welchem Namen; sei es im Namen einer Religion oder einer Staatsideologie nicht gehindert werden. Ich halte das generell für falsch und sage das als Vertreter meiner Partei mit besonderem Nachdruck, weil auch auf uns Verantwortung lastet.

(Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Das steht in unserem Antrag! Es geht um Religionsfreiheit!)

Das ist völlig klar.

Insofern meine ich, Frau Kollegin Steinbach, dass man die Liste Ihrer Beispiele noch erweitern kann; aber sie beschränken sich nicht auf Christen. Im Übrigen finden auch im Namen des Christentums noch heute Morde statt. In einem europäischen Land nicht weit von uns entfernt bekämpfen sich Protestanten und Katholiken seit Jahrzehnten wechselseitig mit der Waffe in der Hand und hindern die Kinder je nach ihrer Religionszugehörigkeit regelmäßig am Schulgang.

Es gibt in den Südstaaten der USA immer wieder das Verbrennen von Kirchen schwarzer Brüder und Schwestern durch weiße Rassisten. Das halte ich für unerträglich. Als evangelischer Christ sage ich: Auch das findet im Namen unseres gemeinsamen Gottes statt. Auch das ist zu verurteilen.

Ich will Ihnen aber erklären, warum ich meine, dass der Kollege von der FDP recht hat, und warum ich den FDP-Antrag ausdrücklich für unterstützenswert und richtig halte. In Erfurt verbrannte sich vor wenigen Monaten ein evangelischer Pfarrer mit der Begründung, dass er Angst hat und ein Fanal setzen will gegen den Islam in Deutschland. Als es den ersten Islam-gipfel in Deutschland gab, zu dem Herr Schäuble eingeladen hatte was ich sehr begrüße , riefen Mitarbeiter meines Büros im Innenministerium an und baten um ein Gespräch. Von der Telefonzentrale bekamen sie die Antwort, das gehe heute nicht, denn es finde der „Islamistengipfel“ statt.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass Herr Schäuble das gesagt hat, glaube ich!)

Wenn das die Übersetzung ist, sobald eine abrahamitische Großreligion mit angesprochen wird ich will die Kollegin, die das gesagt hat, gar nicht öffentlich denunzieren -, dann halte ich das für symptomatisch. Mittlerweile greift eine Islam-Phobie in diesem Land um sich, und wir trennen nicht mehr zwischen dem Muslim, den wir sehr begrüßen, und dem Fundamentalisten. Ich lehne den Fundamentalisten in jedweder Form ab, in wessen Namen auch immer er daherkommt.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich komme noch einmal auf den Antrag der Großen Koalition zurück. Frau Steinbach, als Anlass für Ihren Antrag benennen Sie ausdrücklich, dass in Afghanistan ein Muslim zum Christentum übergetreten ist. Sie erwähnen und beschreiben das zu Recht. Aber sind es nicht unsere und die NATO-Truppen, die dort für eine Rechtsordnung eintreten, bei der sich die Frage stellt, ob sie unserer Wertegemeinschaft standhält?

(Christoph Strässer (SPD): Nein!)

Ist es das Ergebnis eines solchen Kriegseinsatzes, dass zum Schluss jemand, der von der einen Religion zu einer anderen übertreten will, sogar staatlicherseits mit dem Tod bedroht wird?

(Christoph Strässer (SPD): Nein, genau das wird verhindert! Zuruf von der CDU/CSU: Welcher Kriegseinsatz denn? Sie meinen wohl den internationalen Friedenseinsatz?)

Sie nennen das Friedenseinsatz. - Ich nenne das Ergebnis verwerflich auf das Sie selber hinweisen , wenn eine Rechtsordnung entsteht, in der die Glaubensfreiheit nicht mehr akzeptiert wird und nicht mehr im Mittelpunkt steht.
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Deswegen begrüße ich den Antrag der Grünen, wonach solch ein Fluchtgrund auch als Asylgrund anerkannt werden soll. Diesem Menschen müssten wir, weil er in seinem Heimatland Afghanistan mit dem Tode bedroht wird, als Konsequenz Asyl bei uns gewähren. Darf ich Sie auf diesen Widerspruch einfach aufmerksam machen?

Wir begrüßen das Bekenntnis zur Glaubensfreiheit. Die Maßstäbe müssen Toleranz und Respekt sein. Deswegen mahne ich im Hinblick auf die Verhandlungen mit der Türkei an, dass es möglich sein muss, dort eine christlich Kirche ohne Restriktionen zu bauen. Aber der Maßstab muss dann in Heinersdorf genauso gelten. Es ist aber Ihre Partei, die dort Wahlkampf und Propaganda macht.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Maßstab muss überall gleich sein. Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir mit der türkischen Regierung bei den Beitrittsverhandlungen darüber ernsthaft verhandeln. Aber der gleiche Maßstab muss bei uns auch gelten. Wir können die Dinge nicht ungleich behandeln. Das ist der Grund, weshalb ich den ausschließlich auf das Christentum fokussierten Antrag der Großen Koalition für zu kurz gegriffen halte.

Die Glaubens- und Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, das wir mit Toleranz und Respekt auf der ganzen Welt durchsetzen müssen, und zwar in Kenntnis der Verfolgung der Christen und all der Umstände, die Sie zu Recht angesprochen haben. Das gilt auch für verfolgte Bahai und verfolgte Muslime. Der Trennstrich muss dort sein, wo Intoleranz und Dogmatismus beginnen und der Glaube zu Fundamentalismus mutiert und als Rechtfertigung für Mord herhalten muss. Das sollten wir gemeinsam ablehnen.

Deswegen sind wir für den Antrag der FDP. Wir würden es begrüßen, wenn das Hohe Haus diesen annimmt. Wir machen uns auch dafür stark, dass der Antrag von den Grünen heute angenommen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)