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Die Förderung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist auf Dauer die verlässlichste Grundlage für Stabilität und Frieden

Rede von Michael Leutert,

Michael Leutert (DIE LINKE) in der Debatte des Bundestages zur Menschenrechtspolitik

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Debatte über den vorliegenden Bericht ist meines Erachtens nicht von den aktuellen Ereignissen zu trennen. Ein Ex-Außenminister, der sich gerade sehr zurückgezogen hat, hinterließ folgendes schöne Zitat: "Menschenrechte sind kein Luxusgut, kein Orchideenthema, das in den Hintergrund rücken kann, wenn die Stunde der Sicherheitspolitik wieder schlägt. Das Gegenteil ist wahr: Die Förderung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist auf Dauer die verlässlichste Grundlage für Stabilität und Frieden. ... Es wäre ein fataler Rückschlag, wenn die Terroristen uns dazu bringen würden, unsere eigenen Werte in Frage zu stellen. Unter keinen Umständen darf es zu einer Aushebelung von menschenrechtlichen Grundnormen unter dem Deckmantel von Terrorismusbekämpfung kommen."

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Da kann man ruhig applaudieren; es war immerhin der ehemalige Außenminister Joschka Fischer, der das vor der UN-Menschenrechtskommission gesagt hat, wie im vorliegenden Bericht nachzulesen. Aber kann mir vielleicht irgendjemand erklären, wie dies mit den Vorkommnissen und bisherigen Erkenntnissen im Zusammenhang mit den CIA-Gefangenentransporten und Entführungen deutscher Staatsbürger durch amerikanische Geheimdienste zusammengeht?

Immerhin hat Herr Fischer zu jener Zeit eine hohe Verantwortung getragen. Minister Schäuble hat diese Woche hier im Plenum gesagt, dass Mitarbeiter deutscher Behörden Gefangene in Guantánamo und Syrien vernommen haben. Das heißt, wir arbeiten mit ausländischen Geheimdiensten zusammen, die die elementaren Menschenrechte mit Füßen treten. Das muss man sich einmal vorstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Genau das untergräbt letztendlich unsere Glaubwürdigkeit und leistet denjenigen Vorschub, die eigentlich bekämpft werden sollen. Ich finde das unglaublich; das ist unter gar keinen Umständen hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Der jetzige Außenminister, Herr Steinmeier, betonte ebenfalls hier im Plenum gebetsmühlenartig, dass es zwecks Terrorabwehr notwendig sei, dass Geheimdienste zusammenarbeiten. Wer dies nicht einsehen würde, sei unverantwortlich. Die Gegenfrage lautet: Ist es denn verantwortlich, mit Diensten zusammenzuarbeiten, die Lizenzen zum Foltern ausstellen? Ist es verantwortlich, mit Geheimdiensten zusammenzuarbeiten, die Staatsbürger anderer Länder entführen? Ich denke, nein.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wie verhält sich dies alles nun zu folgender Aussage aus dem Bericht - ich zitiere -: "Die von den Staaten zur Bekämpfung des Terrorismus getroffenen Maßnahmen haben dabei die Menschenrechte zu achten und müssen Gegenstand angemessener Kontrolle sein. Bei der Bekämpfung des Terrorismus dürfen die Staaten keinesfalls von den zwingenden Normen des Völkerrechts ... abweichen. Insbesondere die Anwendung von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ... ist ... unter allen Umständen absolut untersagt." Dies steht zumindest unter der Überschrift "Leitlinien über die Menschenrechte und den Kampf gegen den Terrorismus".

Unter Teil D - Aktionsplan Menschenrechte der Bundesregierung wird ausgeführt: "Für die Bundesregierung ist die Einhaltung der Menschenrechte auch bei der Terrorismusbekämpfung unabdingbar. Sie hat ihre eigene Praxis daran ausgerichtet und wird darauf auch weiterhin bei ihrer Zusammenarbeit mit anderen Staaten zur Terrorismusbekämpfung sowie in internationalen Gremien bestehen."

Ich möchte die Frage an unseren Außenminister, Herrn Steinmeier, richten, ob diese Aussagen auch in Zukunft noch Geltung haben werden oder ob er mit seinen Worten im Plenum einen Kurswechsel ankündigen wollte. Wenn dem so sein sollte, dann sagen Sie bitte rechtzeitig Bescheid. Ich kann schon jetzt ankündigen, dass unsere Fraktion einem solchen Kurswechsel erbitterten Widerstand entgegensetzen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Weiter heißt es auf Seite 27 des Berichts: "Die Bundesregierung ist in ihren Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung diesen Prinzipien gefolgt."

Wie soll man das verstehen? Laut Bericht ist sozusagen alles schön in unserer Menschenrechtspolitik. Aber die Medien berichten derzeit ununterbrochenen von Entführungsfällen, von Mitwisserschaft der Behörden, von geheimen Gefangenenflügen und -lagern usw. Sie kennen das alles selbst. Hier passt meines Erachtens irgendetwas nicht zusammen.

Ich frage: Ist das ein Verlust an Realitätssinn? Das wäre die eine Möglichkeit. Oder wird bewusst nicht die volle Wahrheit gesagt? Das wäre die andere Möglichkeit. Wir müssen uns schon fragen, wie wir eigentlich auf internationaler Ebene einen ernsthaften Dialog insbesondere - das wurde heute schon mehrmals angesprochen - mit Russland und China führen wollen, wenn wir selbst gegen Gesetze verstoßen oder explizit gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika bestimmte Sachen durchgehen lassen. Da stellt sich schon die Frage unserer Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss möchte ich etwas zu unseren Positionen sagen. DIE LINKE. unterstützt bedingungslos die definierten Ansprüche und Ziele, wie sie im Bericht festgehalten sind. Wir kritisieren aber das tatsächliche Verhalten der Behörden. Kritisieren heißt, Maßstäbe ansetzen. Wir setzen lediglich die an - darauf will ich hinweisen -, die von Ihnen hier niedergeschrieben wurden.

Aufgabe in naher Zukunft ist also, die Realität mit dem Bericht in Übereinstimmung zu bringen. Bis dahin sollten wir das 200-Seiten-Werk doch eher als Leitbild statt als Bericht betrachten. Diese Aufgabe umfasst letztendlich:

Erstens: Die Vereinigten Staaten von Amerika müssen mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass auch sie an Menschenrechte, Völkerrecht und insbesondere die Anti-Folterkonvention gebunden sind und sich daran auch zu halten haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens: Sollten sie dies nicht tun, können sie auch keine Privilegien wie zum Beispiel dauerhafte Überfluggenehmigungen mehr in Anspruch nehmen. Diese müssen ihnen dann entzogen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens: Auch der Austausch von bestimmten Informationen mit den amerikanischen Geheimdiensten muss jetzt sofort auf den Prüfstand.

Viertens: Sollte sich wirklich herausstellen, dass deutsche Behörden in die Entführungsfälle verwickelt waren oder sind oder zumindest davon gewusst haben, muss das natürlich Konsequenzen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung sehr oft auf die Kampagne "Du bist Deutschland" verwiesen und uns Abgeordnete daran erinnert, dass dies genau auf uns zutreffe. Einmal abgesehen davon, dass ich dieser Kampagne nicht ganz so aufgeschlossen gegenüberstehe wie vielleicht manch anderer hier im Saal,

(Beifall bei der LINKEN)

muss ich sagen: Wenn man dieser Logik folgt, dann müsste der Spruch "Du bist Deutschland" - damit ist ja in erster Linie auch unser Wertesystem gemeint - erst recht auf unsere im Ausland agierenden Institutionen und Repräsentanten zutreffen. Wenn dem so ist, dann dürfen wir denen aber natürlich nicht das durchgehen lassen, was derzeit, zumindest spekulativ, langsam ans Licht der Öffentlichkeit kommt. Ansonsten können wir nur noch sagen: Gute Nacht, Deutschland!

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratien sind in ihrem Antiterrorkampf an ihren eigenen Maßstäben zu messen. So steht es zumindest auch im Bericht. Also halten wir uns bitte daran! Die Linke wird für die bedingungslose Einhaltung und Durchsetzung der Menschenrechte und des Völkerrechts kämpfen. Die Regierung werden wir bei Anlass immer wieder daran erinnern. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: "Herr Kollege, das war Ihre erste Rede in diesem Hause. Herzlichen Glückwunsch dazu und alles Gute!"

(Beifall)