Rede von Petra Pau im Bundestag zur Reform der Bundespolizei
Petra Pau (DIE LINKE):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf, der heute zu beschließen ist, soll eine Reform der Bundespolizei legitimiert werden, die auch ohne Gesetz bereits eifrig vorangetrieben wurde. Ich nenne diese Praxis eine grobe Missachtung des Parlaments. Denn der Bundestag ist keine Vollzugsabteilung des Bundesinnenministeriums, und das Bundesinnenministerium schwebt nicht über den Dingen, jedenfalls nicht nach dem parlamentarischen Verständnis der Fraktion die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Vor elf Tagen fand eine Expertenanhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf statt. Drei von fünf Experten, also die Mehrheit, kritisierten den Gesetzentwurf und das Verfahren. Das Protokoll dieser Anhörung ist noch nicht einmal autorisiert und rechtskräftig. Trotzdem wollen die Unionsfraktion und die SPD diesen Gesetzentwurf heute ungeachtet aller Kritik beschließen. Ich nenne das abgehobenen Hochmut, übrigens auch gegenüber den betroffenen Bundespolizisten und Bundespolizistinnen.
Einer der Experten kritisierte die Geheimhaltungspolitik der Bundesregierung. Wer gute Sachargumente habe, könne sich auch Transparenz leisten, sagte er. Das war eine höflich formulierte Ohrfeige. Es war übrigens nicht der Sachverständige, den die Linke bestellt hatte, sondern der Experte der SPD, Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch.
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein toller Sachverständiger!)
Trotzdem forciert auch die SPD das Gesetzeswirrwarr. Ich frage mich immer wieder, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Wer hat bei Ihnen eigentlich das Sagen: Ihr eigener Sachverstand, der durchaus vorhanden ist, wie ich aus Erfahrung weiß, oder der Wille der Union?
Als wir im Dezember zum ersten Mal über den Entwurf dieses Reformgesetzes sprachen, kritisierte ich das Verfahren und beschrieb die Sorgen der Bediensteten der Bundespolizei. Dafür erntete ich von Bundesinnenminister Schäuble von der Regierungsbank den Zwischenruf: Alles gelogen! Ich hätte diesen Zwischenruf rügen lassen können. Nun ist er protokolliert. Das Protokoll kursiert inzwischen bei der Bundespolizei, sodass sich die Polizistinnen und Polizisten ihren eigenen Reim darauf machen können. So viel zum Umgang mit den Briefen, die auch Sie erreicht haben. Alles gelogen?
Übrigens haben nur zwei Sachverständige das Reformwerk grundsätzlich für gut befunden. Der eine war Herr Seeger, der Beauftragte des Bundesinnenministeriums für die Umsetzung der Reform. Der andere war Herr Ziercke,
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist immer für die Regierung!)
der Chef des Bundeskriminalamtes. Er ist als solcher offenbar in froher Erwartung, dass für das BKA bei alledem ordentlich etwas abfällt.
Damit wäre ich beim Kern unserer Kritik. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll dieses und jenes geregelt werden; der Beantwortung der entscheidenden, politischen Frage - „Wie passt diese Reform der Bundespolizei in die neue Sicherheitsarchitektur, die Bundesinnenminister Schäuble vorschwebt?“ - weicht er jedoch verlässlich aus. Diese Frage wäre einer Bundestagsdebatte würdig. Diese Debatte fand bisher nicht statt. Das nährt Spekulationen, für die allein die Große Koalition verantwortlich ist.
Im Gesetzentwurf ist zum Beispiel von einem Stellenpool für Auslandseinsätze der Bundespolizei die Rede. Das Bundesinnenministerium bezeichnet diesen Pool als rein technische Lösung. Doch letztlich geht es um konkrete Auslandseinsätze mit konkreten Polizeibediensteten unter konkreten Einsatzbedingungen. Darüber wäre zu sprechen, und darüber wäre nicht irgendwo, sondern hier im Deutschen Bundestag zu entscheiden. Deshalb erinnere ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, an eine aktuelle Forderung der Linken, die wir in Form eines Antrages parlamentarisch auf den Weg gebracht haben: Wir wollen endlich einen Parlamentsvorbehalt für alle Auslandseinsätze der Bundespolizei und der Länderpolizeien.
(Beifall bei der LINKEN)
Es kann doch nicht sein, dass der Bundestag über Auslandseinsätze der Bundeswehr zu entscheiden hat, während Bundespolizistinnen und Bundespolizisten nach Gutdünken in alle Welt geschickt werden können, möglicherweise auch in paramilitärische Einsätze. Wir haben erst am Mittwoch im Innenausschuss über die Polizeimission in Afghanistan debattiert. Diese Praxis ist eine Missachtung des Parlaments und zugleich eine Missachtung der Bundespolizistinnen und Bundespolizisten.
Das Gleiche gilt dafür, dass der Bund und der Freistaat Bayern klammheimlich ein Sonderabkommen abschließen, ohne dass der Bundestag über die Inhalte in Kenntnis gesetzt wird. Nach allem, was man bisher lesen konnte, muss man sich ernsthaft die Frage stellen, ob Bayern noch zur Bundesrepublik gehört
(Heiterkeit des Abg. Fritz Rudolf Körper [SPD] - Daniela Raab [CDU/CSU]: Da gehen die Meinungen auseinander!)
oder ob die Bundespolizistinnen und Bundespolizisten dort in einen Auslandseinsatz geschickt werden. Ich warte wieder auf den Zwischenruf: Alles gelogen!
(Beifall bei der LINKEN)
Fazit: Die Fraktion Die Linke wird diesem Gesetzentwurf zur Reform der Bundespolizei nicht zustimmen, vor allem weil zweierlei nicht geht: erstens, dass das Parlament dummgehalten wird, während Tatsachen geschaffen werden, und zweitens, dass zugleich an einer Sicherheitsarchitektur gebastelt wird, die möglicherweise oder wahrscheinlich dem Grundgesetz widerspricht.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN)