Gerade im Zeitalter der Globalisierung ist es wichtig, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich in Gewerkschaften organisieren und für ihre Rechte streiken können. Dies stärkt den Sozialstaat und die Demokratie. Mit dem § 146 SGB III ist die gleiche Augenhöhe zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht mehr gewährleistet. Ohne ein wirksames Streikrecht kann die Tarifautonomie auf Dauer nicht funktionieren. Alexander Ullrich in der Debatte zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. zur Änderung der Streikgesetzgebung (Drs. 16/856).
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Antrag der Linken kommt ein weiterer Grund hinzu, warum es gut ist, dass es die Fraktion Die Linke in diesem Hause gibt. (Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften haben durch uns wieder eine Stimme im Bundestag. Das ist ein großer Fortschritt für dieses Haus. (Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der FDP) Insbesondere die SPD hat in ihrer Regierungszeit seit 1998 trotz entsprechender Wahlaussagen und Parteibeschlüsse die Chance verpasst, den Antistreikparagrafen abzuschaffen. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass die SPD in Wahlkampfzeiten die Arbeitnehmer entdeckt und dann in ihrer Regierungsverantwortung das Gegenteil ihrer Wahlversprechen macht. (Zuruf von der LINKEN: Pfui!) Gerade im Zeitalter der Globalisierung ist es wichtig, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich in Gewerkschaften organisieren und für ihre Rechte streiken können. Dies stärkt den Sozialstaat und die Demokratie. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Manfred Grund (CDU/CSU): Jeder Streik stärkt den Sozialstaat!) Mit dem § 146 SGB III ist die gleiche Augenhöhe zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht mehr gewährleistet. (Beifall bei der LINKEN - Paul Lehrieder (CDU/CSU): Das stimmt gar nicht!) Die Regierung Kohl war es, die 1986 trotz massiver Widerstände der Gewerkschaften diese gesetzliche Änderung bewirkt hat mit dem Ziel, die Gewerkschaften zu schwächen. Die Regierung Schröder hat diesen Paragrafen trotz mehrfacher Ankündigungen in der ersten Amtszeit nicht verändert. (Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): In der zweiten waren sie zu müde!) Man ist wie so oft vor den Wünschen der Arbeitgeber- und der Wirtschaftsverbände eingeknickt, obwohl - wir erinnern uns - 202 SPD-Abgeordnete und vier SPD-geführte Länder vor das Verfassungsgericht zogen. Für die SPD-Fraktion steht heute einmal mehr die Glaubwürdigkeit ihrer Politik auf dem Spiel. (Beifall bei der LINKEN) Ohne ein wirksames Streikrecht kann die Tarifautonomie auf Dauer nicht funktionieren. (Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Fragt sich nur, wie!) Die Chancengleichheit in Arbeitskämpfen muss wieder hergestellt werden. Wir brauchen die Wiedereinführung des alten § 116 Arbeitsförderungsgesetz in das Sozialgesetzbuch. (Beifall bei der LINKEN) Durch die Möglichkeit der kalten Aussperrung ist die Chancengleichheit in Tarifauseinandersetzungen nicht mehr gegeben. Insoweit stützen wir unseren Antrag auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 1995. Das Gericht hatte ausdrücklich festgestellt, dass die Verwehrung von Kurzarbeitergeld die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften einschränkt. Eine verfassungswidrige Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wurde noch nicht festgestellt. Sollte diese aber eintreten, wäre der Gesetzgeber aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zur Wahrung der Tarifautonomie zu treffen. (Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das sagt ihr jetzt!) Jeden Tag können wir in der Zeitung lesen, dass Unternehmen trotz Rekordgewinnen Massenentlassungen ankündigen und dass trotz der guten Ertragssituation die Einkommen in vielen Branchen dieser Entwicklung hinterherhinken, und zwar zum Leidwesen der Binnenwirtschaft und der Sozialversicherung. Angesichts dieser Tatsache muss der Gesetzgeber in diesem Jahr handeln. (Beifall bei der LINKEN) Niemand muss Angst davor haben, dass unsere Gesetzgebung zu einem ständigen Arbeitskampf führen wird. Internationale Vergleiche zeigen - das wird auch derzeit am Beispiel Verdi deutlich , dass die deutschen Gewerkschaften den Streik immer als letztes Mittel eingesetzt haben. Das ist gut und war auch schon vor Einführung des Antistreikparagrafen so. (Patrick Döring (FDP): Na ja!) Nun zum Antrag der FDP. (Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist ein guter Antrag!) Wer wie Sie Gewerkschaften als „Plage für dieses Land“ bezeichnet, muss ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie haben. (Beifall bei der LINKEN - Detlef Parr (FDP): Reden Sie mal mit denen in Baden-Württemberg!) In diesem Kontext werten wir auch Ihren populistischen Antrag. Wer die Angst der Menschen vor der Vogelgrippe gegen die Gewerkschaften instrumentalisieren will, der will einen anderen Staat: ein Land ohne Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte. Nicht mit uns! (Beifall bei der LINKEN - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wenn Sie einen Müllberg mit Ratten darauf vor der Haustür hätten, würden Sie das vielleicht auch anders sehen, Herr Kollege!) Dass Sie einen solchen Zustand wollen, dazu passt auch die Aussage Ihres Wirtschaftsministers in Rheinland-Pfalz, der tatsächlich beabsichtigt, mit disziplinarischen Maßnahmen gegen die Streikenden im öffentlichen Dienst vorzugehen. (Patrick Döring (FDP): Ja, richtig so! - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Jawohl! Da hat Brüderle Recht!) Nein, das ist nicht die gleiche Augenhöhe. Wie sollen sich die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denn sonst gegen die Angriffe auf den öffentlichen Dienst wehren? Demnächst kommt es wahrscheinlich auch in der Metall- und Elektroindustrie zu einem Streik. Wir wollen in diesem Land starke Gewerkschaften und umfangreiche Arbeitnehmerrechte. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Deshalb fordere ich Sie auf: Unterstützen Sie unseren Gesetzentwurf! Die SPD müsste das eigentlich folgenlos tun können. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN - Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): Ja, genau! Das müssten sie! Wenn sie denn da wären, Alexander!)
Die Chancengleichheit in Arbeitskämpfen muss wieder hergestellt werden
Rede
von
Alexander Ulrich,