Zum Hauptinhalt springen

Die Bundesregierung geht den Rentnern an die Wäsche!

Rede von Klaus Ernst,

Die alte und neue Bundesregierung haben seit Jahren ihre Finger in den Geldbörsen der Rentner. Da wird das Sicherungsniveau auf 46,3 Prozent reduziert. Es gibt von 2005 bis 2009 faktisch Nullrunden, die eigentlich keine Nullrunden sind. Denn die Regierung weiß ganz genau, dass wir gleichzeitig Inflation und dass wir gleichzeitig eine Mehrwertsteuererhöhung haben. Wenn man dies über vier Jahre summiert, dann ergibt sich in den nächsten vier Jahren real eine Rentenkürzung von mindestens 8 Prozent. Klaus Ernst zum Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung.

"Meine Damen und Herren! Man soll ja positiv denken. Ich möchte das heute einmal versuchen, auch wenn es mir angesichts des Rentenberichts der Bundesregierung äußerst schwer fällt. Aber das Positive zuerst: Man nimmt richtigerweise künftig die 1-Euro-Jobs aus der Berechnung des Rentenwertes heraus. (Beifall bei der LINKEN) Das ist wichtig und gut. Es freut mich, dass Sie unsere Anregung aufgenommen haben. (Lachen bei der CDU/CSU und der SPD) Zum Zweiten. Es geht um ein Gesetz über die Weitergeltung der aktuellen Rentenwerte, das die Bundesregierung eingebracht hat. Jetzt hören wir, dass dieses Gesetz eigentlich überhaupt nicht notwendig sei, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) weil die Renten gar nicht sinken würden, da nämlich die Lohnerhöhung offensichtlich doch noch so hoch sei, dass es für eine Nullrunde reiche und keine Rentensenkung vorgenommen werde. Jetzt frage ich mich natürlich: Warum macht die Bundesregierung ein Gesetz, das eigentlich überflüssig ist? (Beifall bei der LINKEN) Wenn man sich diesem Gedanken nähern will, dann ist es hilfreich, ab und zu im "Handelsblatt" zu blättern. Dort heißt es: Da liegt nicht nur der Verdacht nahe, dass sich die Politik mit einer Shownummer brüsten will. Ganz nebenbei spart sie sich per Gesetz auch die Information der Ruheständler über die Entwicklung ihrer Bezüge, auf die diese eigentlich ein Anrecht haben. Meine Damen und Herren, ich glaube, es geht sogar noch um ein bisschen mehr. Jeder weiß, dass diese Bundesregierung den Rentnern in unerträglicher Weise an die Wäsche geht. (Beifall bei der LINKEN) Jeder weiß, dass die gesetzlichen Maßnahmen, die geplant sind, zu massiven Einschnitten bei den Rentnern führen würden. Wenn man jetzt ein Gesetz veröffentlicht, über das die Presse schreiben kann, dass die Bundesregierung diejenige ist, die die Rente eigentlich sichert, dann deutet das darauf hin, dass sich die Bundesregierung damit möglicherweise einen Imagevorteil verschaffen will. Das ist ein Etikettenschwindel genau wie vor der Bundestagswahl, Herr Müntefering. So betreiben Sie hier in diesem Hause Politik. (Beifall bei der LINKEN) Nun kommen wir zum eigentlichen Punkt, nämlich zum Rentenversicherungsbericht. Alte und neue Bundesregierung haben seit Jahren ihre Finger in den Geldbörsen der Rentner. Da wird das Sicherungsniveau auf 46,3 Prozent reduziert. Es gibt von 2005 bis 2009 faktisch Nullrunden. Herr Müntefering, eigentlich sind es keine Nullrunden. Denn Sie wissen ganz genau, dass wir gleichzeitig Inflation und dass wir gleichzeitig eine Mehrwertsteuererhöhung haben. Wenn man dies über vier Jahre summiert, dann ergibt sich in den nächsten vier Jahren real eine Rentenkürzung von mindestens 8 Prozent. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie glauben, dass das sozialdemokratische Politik ist, dann glauben Sie auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten, Herr Müntefering. (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie gleichzeitig auch noch den Bundeszuschuss senken, wenn Sie gleichzeitig die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre einführen wollen, dann kann ich nur sagen, dass das mit einer vernünftigen Sozialpolitik überhaupt nichts mehr zu tun hat. Die Schwankungsreserve ist inzwischen aufgebraucht; sie ist eigentlich gleich null. Reden Sie also nicht mehr von Schwankungsreserve! Was nicht mehr vorhanden ist, kann doch auch nicht mehr schwanken. Das ist doch weg, meine Herren und Damen. (Beifall bei der LINKEN) Auch dieser Etikettenschwindel wird von der Bundesregierung betrieben. Sie denken darüber nach, wie Sie in dem Ausmaß, in dem die Renten in diesem Lande aufgrund Ihrer Berechnungsmethoden sinken, die Diäten für die Abgeordneten nach einer anderen Berechnungsmethode erhöhen könnten. (Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]) Das würde dazu führen, dass ein Abgeordneter 1,3 Prozent mehr Diäten bekommen soll. Das kann zwar uns als Abgeordnete freuen. Aber draußen versteht das kein Mensch mehr. (Beifall bei der LINKEN) Hier wird eine Politik betrieben, die immer andere betrifft, aber die eigenen Taschen füllt. Das ist verwerflich und nicht zu akzeptieren, Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der LINKEN) Herr Müntefering, bei Ihren Berechnungen bauen Sie auf Sand. Die Zahl der Arbeitslosen, so lese ich in Ihrem Bericht, soll von 2005 bis 2009 um 650 000 sinken. Wie wollen Sie dies, bitte schön, erreichen? Die Vorschläge, wie Sie die Arbeitslosigkeit reduzieren wollen, bleiben Sie schuldig. Jeder weiß, dass Ihre Politik eher dazu führen wird, dass die Arbeitslosigkeit weiter zunimmt. Diese Milchmädchenrechnung, die Sie hier aufmachen, glaubt Ihnen doch keiner mehr. Woher nehmen Sie beispielsweise Ihre Annahme, dass die Entgelte ab 2010 statt um 3 Prozent immer noch um 2,5 Prozent steigen sollen? Ich habe den Eindruck, Sie haben sich zum Kaffeesatzlesen getroffen und dann Ihren Bericht veröffentlicht. Mit Ihrer Politik zerstören Sie die Grundlagen dieses Sozialstaats. Sozialstaat ist nämlich nicht nur Armenküche, Sozialstaat ist nicht nur die Verteilung von Suppen an Bedürftige. Sozialstaat hat auch etwas mit Organisation zu tun. Wenn man eine Versicherung hat, dann entsteht ein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Leistung dadurch, indem man einzahlt. Sie haben aber letztendlich vor, dieses Niveau so weit nach unten zu drücken, dass jeder, der irgendwann in seinem Leben ein Hartz-IV-Empfänger wurde und nicht privat vorsorgen konnte, an die Armutsgrenze gedrückt wird. Das ist keine Sozialpolitik, sondern eine gezielte Verarmung künftiger Generationen. (Beifall bei der LINKEN) Um es noch einmal deutlich zu machen, will ich jemanden zitieren, der zumindest in der CDU noch bekannt sein müsste, auch wenn es einigen von Ihnen schwer fällt, sich an ihn zu erinnern. Er hat nämlich gesagt: Wenn Armutsvermeidung zur Hauptaufgabe des Sozialstaates wird, verwandelt sich dieser in eine Bedürfnisprüfungsanstalt, weil er - bevor er Hilfe leistet - ständig fragen muss: "Bist du reich, bist du arm?" Das war Ihr Herr Blüm, der das gesagt hat. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha!) Wo er Recht hat, hat er Recht, auch wenn Sie ihn heute, wie Herrn Kirchhof, am liebsten wegsperren würden. So ist doch die Realität. (Beifall bei der LINKEN) Die Rente hat schon jetzt ein Niveau erreicht, von dem viele nicht mehr vernünftig leben können. Sie machen Politik nicht für die Menschen, sondern offensichtlich für Zahlen. Ihr oberstes Ziel ist die Beitragssatzstabilität. Aber Sie vergessen dabei, wie es den Leuten geht, die von ihrer Rente letztendlich leben müssen. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Von den Arbeitnehmern reden Sie nicht!) Ihr Ziel ist übrigens - das ist der nächste Etikettenschwindel - nicht Beitragssatzstabilität. Sie können es noch so oft behaupten: Das glaubt Ihnen kein Mensch mehr. Denn die einzige Gruppe, für die der Beitragssatz tatsächlich stabil bleibt, sind die Unternehmen. Aber für die Arbeitnehmer bleibt der Beitragssatz nicht stabil, wenn sie privat vorsorgen müssen. (Beifall bei der LINKEN) Private Vorsorge bedeutet, dass zwar die Arbeitgeberbeiträge auf unterem Niveau eingefroren werden, dass aber gleichzeitig die Arbeitnehmer durch ihre private Zusatzversicherung, die sie abschließen müssen, weniger in der Tasche haben als vorher. Beitragssatzstabilität findet nur für die Arbeitgeber statt, aber nicht für die Bevölkerung und nicht für die Versicherten. Deshalb sage ich: Wenn Sie das so machen, ist das, was Sie der Bevölkerung suggerieren, Etikettenschwindel. Sie entlasten die Arbeitgeber, ohne dass es einen Effekt hat. Ich sage Ihnen: Die eigentliche Ursache für die Probleme in der Rentenversicherung liegt darin, dass die Löhne in diesem Lande nicht mehr steigen. Sie steigen unter anderem deshalb nicht, weil Sie durch Ihre Politik dazu beigetragen haben, dass die Gewerkschaften in einer Art und Weise geschwächt werden, dass Lohnerhöhungen kaum durchsetzbar sind. Ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger weiß, was er bekommt. Diejenigen, die noch keine Arbeitslosengeld-II-Empfänger sind, die noch in Arbeit sind, wissen, was ihnen blühen würde, wenn sie Arbeitslosengeld II bekommen würden. Deshalb ist es natürlich so, dass die Widerstandskraft in den Betrieben bzw. bei den Beschäftigten gesunken ist. Deshalb haben wir Nullrunden und letztendlich auch ein Problem in der Rentenversicherung. Weil es inzwischen 6 Millionen Menschen gibt, die mit prekären Arbeitsverhältnissen, mit Billigjobs abgespeist werden, wird unzureichend in die Sozialkassen eingezahlt. Wenn Sie das ändern, würden Sie das Übel tatsächlich an der Wurzel packen und nicht permanent die kleinen Leute schröpfen, Herr Müntefering. (Beifall bei der LINKEN) Ich komme damit zum Schluss. Sie haben gesagt: Die Menschen sollen Vertrauen haben. Herr Müntefering, worin denn? Ihrer Politik zu vertrauen ist so, als würde man den Würger von Boston um eine Halsmassage bitten. Das wäre genau dasselbe. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Veronika Bellmann [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!) Wer Ihnen traut, hat künftig dafür zu sorgen, dass er irgendwie über die Runden kommt. Mit der Rente wird es jedenfalls bei dieser Politik der Bundesregierung nicht mehr klappen. Die Rente wird von dieser Regierung kaputtgemacht. (Beifall bei der LINKEN)"