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Die Bundesregierung darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen

Rede von Diana Golze,

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in, sehr geehrte Damen und Herren

„Bundeskabinett beschließt Bundeshaushalt. Bundesfamilienministerium investiert mehr als 400 Millionen Euro zusätzlich in die frühkindliche Bildung“ titelte das Familienministerium in seiner gestrigen Pressemitteilung. In der gleichen Pressemitteilung heißt es dann auch, „dass in den nächsten vier Jahren zusätzlich insgesamt rund 400 Millionen Euro in die Qualität der frühkindlichen Bildung investiert werden.“ Das klingt schön - aber nur solange, wie man die Realitäten in Punkto Ausbau von Kindertagesbetreuung in den Größenordnungen ausblendet, wie es die Bundesregierung nun schon seit einigen Jahren und auch weiterhin tut.

Die Mittel, die hier vollmundig als zusätzlich eingestellt angekündigt werden, sind sicher gut, aber leider alles andere als zusätzlich. Den Kinderbetreuungsausbau bezahlen nach Rechenart der Bundesregierung nämlich die, die eigentlich ohnehin schon nichts haben: Familien, die von ALG II leben müssen, denen sie nun das Elterngeld auf diese Leistung anrechnen. Diese Anrechnung aber bedeutet für die Betroffenen eine faktische Streichung dieser familienpolitischen Leistung. Hier ist nicht nur etwas faul im Staate, das ist eine schreiende Ungerechtigkeit! In der Bundesrepublik wird die Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige ausgerechnet von denen bezahlt, die die volle Wucht des Sozialabbaus der letzten Jahre am meisten zu spüren bekommen haben. Deren Kinder außerdem derzeit bis zum dritten Lebensjahr häufig noch nicht einmal einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Kita haben und möglicherweise auch 2013 die größten Verlierer sein werden. Denn die Plätze werden voraussichtlich nicht für alle reichen. Eine solche Politik macht einmal mehr deutlich, dass Kindertagesbetreuung und deren bitter notwendiger Ausbau nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet wird und die öffentliche Hand in Persona der Bundesregierung sich immer mehr aus ihren Aufgaben stiehlt.

Meine Damen und Herren,

ich bin den Grünen sehr dankbar dafür, dass sie mit ihrem Antrag der Debatte um die Finanzierung des Ausbaus der Kinderbetreuung mehr Gewicht geben und sich der Bundestag nun wiederholt mit dieser Frage befassen muss. Vor allem bin ich dankbar, dass neben der LINKEN eine weitere Bundestagsfraktion Wege unsozialen Politik der vergangenen Jahre sucht, in dem sie fordert, dass der Staat für einen ausgewogenen Finanzausgleich sorgt und nicht die Bürgerinnen und Bürger immer wieder zur Kasse gebeten werden. Auch DIE LINKE fordert seit langem, dass der Bund sich endlich dauerhaft und in größerem Umfang als bisher an der Finanzierung der Kindertagesbetreuung beteiligen muss. Er darf Länder und Kommunen mit dieser Aufgabe nicht länger allein lassen!

Es ist nicht nur selbstverständlich, dass der Bund sich mit 4 Milliarden Euro an dem Sondervermögen, dass für den Ausbau der Kinderbetreuung eingerichtet wurde, beteiligt.

Gleiches wird von den Ländern und Kommunen ja auch verlangt. Der Umfang des Sondervermögens reichte von Beginn an vorn und hinten nicht aus, um die Mammutaufgabe zu bewältigen, vor der viele Kommunen stehen. Von dort kommen seit längerem deutliche Signale, die zu überhören ein sträflicher Fehler wäre. Wenn es vom Vorsitzenden des Deutschen Städtetages Stephan Articus heißt: ”Uns geht es nicht darum, den Rechtsanspruch ab 2013 in Frage zu stellen, aber es fehlen noch Milliardenbeträge, um ihn zu verwirklichen.” sollte man diesen Hilferuf ernst nehmen. Denn die Bundesregierung hat mit einem zu begrüßenden Rechtsanspruch Fakten geschaffen. Die Kommunen sollen offenbar am Ende die Rechnung begleichen, denn dort werden die Eltern 2013 ihre berechtigte Forderung nach einem Kita-Platz aufmachen.

Mit der Frage, wie Umsatzsteueranteile gerechter verteilt werden, um Kommunen endlich die nötigen finanziellen Mittel zur Bewältigung ihrer Aufgaben zu geben, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht. Dass dies auch mit einer spürbaren Erhöhung dieses Steueranteils für die Kommunen einhergehen und dass man auch noch nach weiteren Finanzierungsmodellen suchen muss, werden wir hoffentlich in der nun folgenden Debatte diskutieren und ausloten. In den Kommunen wir dies schon lange getan!

Vielen Dank.