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Die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen!

Rede von Birgit Wöllert,

Rede in der Debatte zum Jahresbericht 2015 des Petitionsausschusses.

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer an den Fernsehern und hier im Hause! Meine Kollegen haben es schon gesagt: Das Petitionsrecht ist ein hohes Gut. Es hat Grundgesetzcharakter. Es ist in Artikel 17 des Grundgesetzes verankert. Jede und jeder darf sich beschweren. Das ist ein Ausdruck lebendiger Demokratie.

Ich glaube, wer dieses Beschwerderecht in Anspruch nimmt und sich an der lebendigen Demokratie beteiligt, möchte erleben, dass seine Hinweise Berücksichtigung finden; denn ansonsten bleibt das ein Kummerkasten, wie Corinna Rüffer hier gesagt hat. Das heißt, die Anliegen müssen ernst genommen werden, und das müssen die Petenten auch spüren.

 

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Dass der Bereich Soziales hinsichtlich der Anzahl der Beschwerden an erster Stelle liegt, und das seit Jahren, muss uns im Bundestag als Gesetzgeber sehr zu denken geben. Wir haben noch wichtige Gesetzesvorhaben vor uns. Die Referentenentwürfe liegen vor - ich denke an das Bundesteilhabegesetz -, und schon jetzt gibt es seitens der Vereine und Verbände große Kritik daran. Behandeln wir alle diese Kritik doch einmal so wie berechtigte Petitionen.

 

(Beifall der Abg. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

 

Ich wünsche mir sehr, dass das alle Abgeordneten so handhaben und diese Beschwerden bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs, der uns vorgelegt wird, berücksichtigt werden.

 

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das wäre ein echter Beitrag für eine lebendige Demokratie.

Auf dem dritten Platz, was die Anzahl der Beschwerden angeht, liegt das Bundesministerium für Gesundheit. Wir verzeichnen hier zwar einen leichten Rückgang an Einzelpetitionen, aber die höchste Beteiligung an öffentlichen Petitionen. Da es sich hier nicht um Beschwerden über ärztliche Tätigkeiten handelt, fällt eigentlich auch dieser Beschwerdeteil in den Bereich Soziales. Dabei geht es um alles, was mit Gesundheit und Pflege zu tun hat. Einige Beispiele dazu:

194 226 Menschen forderten ein Gesetz zur Personalbemessung in Krankenhäusern. Das ist eine riesengroße Anzahl von Menschen, denen es auf der Seele brennt, welche Zustände im Pflegebereich in Krankenhäusern nach wie vor herrschen. Leider haben entsprechende Anträge der Opposition, auch von uns Linken, die ein solches Gesetz zur Personalbemessung gefordert haben, nicht die notwendige Berücksichtigung gefunden.

Das Gleiche galt für eine Petition für eine angemessene Vergütung für Pflegekräfte. Auch da sollte uns nachdenklich machen, dass dies einen großen Teil der Bevölkerung tatsächlich sehr interessiert. In beiden Bereichen zeigt die Praxis, dass weiter Handlungsbedarf besteht. Dem sollten wir hier auch Rechnung tragen.

 

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Frau Wöllert, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lauterbach zu?

Birgit Wöllert (DIE LINKE):

Ja, gern.

Dr. Karl Lauterbach (SPD):

Frau Wöllert, Sie wissen aber schon, dass wir beschlossen haben, dass wir in dieser Legislaturperiode sowohl das Anliegen, dass es einen Personalbemessungsschlüssel geben soll, als auch, dass es eine entsprechende Vergütung in der Pflege geben soll, angehen und dass wir dafür eine gemeinsame Kommission eingesetzt haben, an der beispielsweise die Gewerkschaft Verdi, die Sie ja in anderen Zusammenhängen schon häufiger zitiert haben, aber auch die Repräsentanten der Fraktionen und des Bundesgesundheitsministeriums beteiligt sind? Das ist Ihnen doch bekannt?

Birgit Wöllert (DIE LINKE):

Das ist mir bekannt, Kollege Lauterbach.

(Dr. Karl Lauterbach (SPD): Dann verstehe ich das nicht!)

Ihnen hingegen ist aber sicherlich auch bekannt, dass Sie den Antrag auf Personalbemessung hier mit deutlicher Mehrheit abgelehnt haben, mit der Begründung, das sei eigentlich so gar nicht möglich. Wir haben es übrigens auch im Petitionsausschuss in einer öffentlichen Sitzung diskutiert. Ihnen ist ja auch bekannt, dass die Gesetze, die wir hier zur Aufstockung des Personals in den Krankenhäusern verabschiedet haben, auch von den Betroffenen selbst als Tropfen auf den heißen Stein angesehen werden.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Bei der Bearbeitung der Petitionen fällt auf, dass es vor allen Dingen um Petitionen zu Beiträgen zur gesetzlichen und zur privaten Krankenversicherung geht. 204 Beschwerden betrafen allein dieses Gebiet. Weiter fällt auf, dass viele Menschen, wenn sie das Renteneintrittsalter erreicht haben, aus der privaten Krankenversicherung wieder zurück in die gesetzliche Versicherung wollen, weil sie gar nicht mehr in der Lage sind, von ihrer Rente die Beiträge zu bezahlen.

Diese Hinweise ernst zu nehmen, ist eigentlich das Gebot der Stunde. Alle, die sich auf eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung berufen, sollten das auch tun. Diese Mehrheit kann es nämlich geben. Auch hier zeigt sich, ob man wirklich gewillt ist, politischen Willen auch in gesetzgeberisches Handeln umzusetzen. Das ist es, was die Menschen, die sich beschweren, letztendlich auch von uns erwarten. Ich hoffe, dass wir da einen Schritt weiterkommen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Fazit von mir: Einmischen lohnt sich. Es gab eine Petition, die hier heute schon einmal benannt wurde, bei der sich gezeigt hat, dass das auch etwas bewirkt. Sie betraf den Bereich Cannabis als Medizin.

Auch hierzu gab es eine öffentliche Ausschusssitzung. Ich hoffe, dass sich die Betroffenen darauf verlassen können, dass die Therapie mit Cannabis ab 2017 dann auch ärztlich verordnet werden kann.

Ich kann nur alle auffordern: Mischen Sie sich weiter ein! Das brauchen wir alle, Sie auch.

Vielen Dank.

 

(Beifall bei der LINKEN)