109 Staaten haben vor der Bundesrepublik das UNESCO-Übereinkommen zum Kulturgutschutz ratifiziert. Die Vorstellung, dass Kunstwerke, die nach den Gesetzen der anderen Signatarstaaten als Hehlerware gelten, in Deutschland weiterhin frei gehandelt werden können, ist ziemlich unerträglich. Es ist schwer nachvollziehbar, dass in einer Zeit, in der die Plünderungen archäologischer Fundplätze im Irak eine breite Öffentlichkeit auf die Problematik und kriminelle Dimension des Antikenhandels aufmerksam gemacht haben, dem Parlament ein solcher Gesetzentwurf vorgelegt wird. Luc Jochimsen in der zu Protokoll gegebene Rede der Debatte „ Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut“ vom 14. November 1970.
Wir verhandeln heute über ein Gesetz, das seit Jahrzehnten überfällig ist, und deshalb unser Land in eine ganz besondere Situation gebracht hat und bringt. Weil es bei uns bisher so wenig Schutz vor rechtswidriger Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut gab, ist Deutschland zu einem Zentrum für internationales Diebesgut und Hehlerware aus Raubgrabungen geworden. Was nicht gerade unserem Ansehen als europäischer Kulturnation gedient hat. Endlich soll damit nun Schluss gemacht und Schutz für Kulturgüter wirksamer geschützt werden. Aber leistet dies der Gesetzentwurf der Bundesregierung? Wir meinen: Ganz und gar nicht. Man muss sich das einmal vorstellen: Auf einer Liste im Bundesanzeiger sollen in Zukunft „individuell identifizierbare“ Einzelobjekte aufgeführt werden, welche dann geschützt sind. Alles andere aber, insbesondere Plünderungsgut aus undokumentierten Raubgrabungen, die in einer solchen Liste nicht enthalten sein können, könnte man völlig legal kaufen und verkaufen. Den Herkunftsländern wird die Frist von einem Jahr eingeräumt, in der sie „nachträglich“ die Raubgrabungsfunde noch auf die Liste setzen können. Das ist ein geradezu lächerliches Angebot, denn der Beweislast, die der bestohlene Staat in diesem Fall trägt, wird in den allermeisten Fällen ja überhaupt nicht nachgekommen werden können. Darüber hinaus ist vorgesehen, Kulturgut, welches vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes das Herkunftsland verlassen hat, ausdrücklich vom Schutz auszunehmen. Das heißt, der Nachweis, dass das Diebesgut bereits vor diesem Stichtag illegal nach Deutschland kam, würde genügen, um damit straffrei zu handeln. Auch wenn die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf wiederholt die berechtigten Interessen des Handels erwähnt, das kann damit doch nicht gemeint sein. 109 Staaten haben vor uns das UNESCO-Übereinkommen zum Kulturgutschutz ratifiziert. Die Vorstellung, dass Kunstwerke, die nach den Gesetzen der anderen Signatarstaaten als Hehlerware gelten, in Deutschland weiterhin frei gehandelt werden können, ist ziemlich unerträglich. Es ist schwer nachvollziehbar, dass in einer Zeit, in der die Plünderungen archäologischer Fundplätze im Irak eine breite Öffentlichkeit auf die Problematik und kriminelle Dimension des Antikenhandels aufmerksam gemacht haben, dem Parlament ein solcher Gesetzentwurf vorgelegt wird. Wir halten eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Kultur und Medien für unabdingbar - gerade weil wir grundsätzlich für ein Gesetz zum Schutz des Kulturgutes und die überfällige Ratifizierung des UNESCO Übereinkommens mit 36jähriger Verspätung sind. In der vorgelegten Fassung lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Deutschlands Schutz von Kulturgut kommt 36 Jahre zu spät
Rede
von
Lukrezia Jochimsen,