Zum Hauptinhalt springen

Deutschland steht bei internationalen Verträgen zum Seerecht auf der Bremse

Rede von Herbert Behrens,

Rede zu Protokoll, TOP 35, 27.09.2012

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

das deutsche Seehandelsrecht ist veraltet und schwer verständlich. Diese Feststellung im Gesetzentwurf der Bundesregierung trifft zu. Aber das sollte kein Grund sein, acht Jahre lang dafür zu brauchen, um ein aktuelles und verständliches Seehandelsrecht auf den Weg zu bringen.

3666 Schiffe gehören deutschen Eignern, die deutsche Handelsflotte gehört zu den größten weltweit. Trotzdem tun sich die Bundesregierungen sehr, sehr schwer damit, internationale Übereinkommen in nationales Recht zu übertragen.
Heute wird uns ein Gesetzentwurf zur Reform des Seehandelsrecht vorgelegt, an dem seit 2004 geschraubt wird. Zwischenzeitlich war man international schneller und hat bereits Ende 2008 eine „UN-Konvention über Verträge über die internationale Beförderung von Gütern ganz oder teilweise auf See“ verabschiedet, die so genannten Rotterdam-Regeln. Mit diesen Regeln sollte ein modernes und international einheitliches Seefrachtrecht ermöglicht werden.

Dieses Abkommen ist jedoch nicht in Kraft, weil die unterzeichneten Staaten das Abkommen nicht ratifiziert haben. Deutschland aber hat diese Konvention noch nicht mal unterzeichnet. Die Deutsche Verkehrs-Zeitung DVZ kommentiert, mit dem Entwurf des neuen Seehandelsgesetz gehe Deutschland einen Sonderweg und koppele sich damit von der internationalen Rechtsentwicklung ab.

Interessant ist die Begründung. Ich zitiere: „Von einer vollständigen Einarbeitung der Rotterdam-Regeln in das Handelsgesetzbuch soll dagegen abgesehen werden. Diese sollte erst dann überhaupt in Erwägung gezogen werden, wenn die Rotterdam-Regeln von Deutschland auch ratifiziert werden. Eine Entscheidung über eine Ratifikation macht aber erst dann Sinn, wenn absehbar ist, dass sie völkerrechtlich in Kraft treten und zu den Vertragsparteien wichtige Seehandelsnationen der Welt zählen werden.“ Also hält sich die wichtige Seehandelsnation Deutschland zurück, wie auch andere? Soll damit ein internationales Übereinkommen ausgebremst werden?

Frau Ministerin, Sie legen uns einen 250-seitigen Referentenentwurf zur Reform des Seehandelsrechts vor, der im Vorfeld wegen teils massiver Bedenken der Seefrachtrechtsexperten und der ­interessierten Verbände überarbeitet werden musste, nun aber wohl akzeptiert werden konnte.

Kommen wir zu einigen Details: Zukünftig sollen auch Subunternehmer eines Verfrachters für ihren Part direkt gegenüber dem Eigentümer der Ladung haften, nicht nur auf See, sondern auch beim Umschlag im Hafen. Bislang musste ein Betreiber eines Containerterminals nicht für Schäden haften, die bei der Entladung entstanden. Bislang musste der Verfrachter auch weder für nautische Fehler der Besetzung noch für Feuer an Bord haften, selbst wenn es durch sie verschuldet war. Dies wird formal abgeschafft, darf aber durch die Hintertür in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beförderer doch wieder ausgeschlossen werden. Damit bleibt es faktisch beim Alten.
Es gibt weitere Regelungen zur Zeitcharter, zur Haftung im Falle eines Zusammenstoßes von Schiffen, über die Bergung, über die Große Haverei, über Schiffsgläubigerrechte u.v.m. Eine Haftung für die verspätete Ablieferung von Gütern oder die Einführung eines elektronischen Seefrachtbrief sind sicher gute Ideen. Letzteres natürlich unter der Voraussetzung dass die datenschutzrechtlichen Vorgaben gewährleistet werden können. Das sind notwendige Regelungen für einen rechtssicheren Seehandel.
Nachdem Sie, Frau Ministerin, ja nun beide großen Arbeitsgebiete wie das Seearbeitsrecht und das Seehandelsrecht umgestalten und zusammenfassen, hat es uns dann doch sehr gewundert, dass das neue Gesetz zum Seehandelsrecht kein Verweis auf das Seearbeitsübereinkommen enthält. Wird da in unterschiedlichen Abteilungen aneinander vorbei gearbeitet? In Paragraph 4876-480 zu dem Abschnitt „Personen der Schifffahrt“ gehört hier zwingend der Verweis auf die geltenden Vorschriften des Seearbeitsübereinkommens hinein.

Abschließend möchte ich mit einem Appell zur Orientierung des Seehandelsrechts an die zukünftigen Internationalen Regeln. Ihr Zögern bei der Übernahme der Rotterdamer Regeln haben Sie, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, im Mai diesen Jahres zur Vorstellung Ihres Kabinettsentwurfes damit begründet, dass Deutschland ja sonst internationale Verpflichtungen eingehen würde, die andere erst etwas später treffen und unsere Reeder dann leichte Wettbewerbsnachteile hätten, bis sich das Abkommen durchsetzt. Also das ist doch keine inhaltliche Argumentation. Mit dieser Logik könnten sich doch nie rechtliche Verbesserungen international durchsetzen. Wir erwarten von der deutschen Bundesregierung bei einer grundlegenden Überarbeitung hier keine rückwärtsgewande Politik sondern ein Voranschreiten.