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Deutsche Einheit, aber nicht bei erbrechtlicher Gleichstellung nichtehelicher Kinder

Rede von Jörn Wunderlich,

Entgegen der Aufforderung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bleibt die Ungleichbehandlung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern im Erbfall Dank FDP und ihrem Koalitionspartner bestehen.

Jörn Wunderlich (DIE LINKE):

Ungleichbehandlung beenden! Das war die Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vor nunmehr knapp zwei Jahren. Dies bezog sich auf die bis dahin im deutschen Erbrecht vorgesehene Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden. Nach dem überarbeiteten Gesetzentwurf soll dies korrigiert werden und sollen alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder künftig auch gesetzliche Erben ihrer Väter werden.

An der kuriosen Erbrechtsgeschichte hat sich nichts geändert; ich möchte sie nochmals anführen: Nichteheliche Kinder, die vor dem 01. Juli 1949 geboren sind, hatten nach der bislang gültigen Rechtslage grundsätzlich kein Erbrecht nach ihrem Vater und dessen Verwandten. Umgekehrt genauso: Auch der Vater des verstorbenen nichtehelichen Kindes konnte nicht dessen Erbe sein. Beide galten als nicht verwandt, Art. 12 § 10 Nichtehelichengesetz. Dies ist jetzt leider nicht umfassend, wie von der Linken gefordert, sondern nur teilweise geändert worden.

Zunächst bestand die Hoffnung – da in den Berichterstattergesprächen sich fast alle Beteiligten fraktionsübergreifend einig waren –, nichteheliche Kinder und eheliche Kinder erbrechtlich umfassend gleichzustellen. Diese Hoffnung schwand, als die FDP dann wieder umfiel und sich gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner darauf einigte, die Fälle derart zu beschränken, dass das nur ab dem Stichtag der Verkündung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gelten soll. Wieder mal umgefallen! Deshalb bleiben, dank des Stichtages 29. Mai 2009, doch noch Ungerechtigkeiten, weshalb die deutlichen Verbesserungen im Gesetz nicht ausreichen, um dem Gesetz zustimmen zu können.

Nach wie vor wird bei Kindern, welche in der DDR geboren sind, unterschiedlich gehandelt, soweit es das Erbrecht angeht. Denn nur, wenn der nichteheliche Vater seinen Aufenthalt auf dem Hoheitsgebiet der DDR hatte, war das Kind von ihm auch erbberechtigt. Dazu möchte ich zitieren:

Der Vater des nichtehelichen Kindes hatte am 2. Oktober 1990 (24 Uhr) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der ehemaligen DDR. Dann ist auch auf einen späteren Erbfall das Erbrecht der DDR anzuwenden, wonach das nichteheliche Kind und der Vater gegenseitig erb- und pflichtteilsberechtigt sind, Art. 235 § 1 EGBGB; §§ 365, 367, 396 DDR-ZG. Der Aufenthalt des Kindes ist dabei nicht maßgeblich.

Ich finde es schade, dass die ursprüngliche Mehrheit der Berichterstatter sich nicht durchsetzen konnte, die Stichtagsregelung entfallen zu lassen, um wirklich alle Kinder zu erfassen.

Dass hier der Vertrauensschutz seitens des Ministeriums in den Vordergrund gespielt wurde, lässt Fragen offen, die auch nicht dadurch ausgehebelt werden, dass es bei Aufhebung des Stichtages zu neuen Ungerechtigkeiten kommen könnte. Insgesamt kann die Argumentation der Koalition meine Fraktion und mich nicht restlos überzeugen. Mit dem eingebrachten Änderungsantrag wurde zwar die erbrechtliche Gleichstellung auch auf die Nachkommen nichtehelicher Kinder erstreckt, wenn der nichteheliche Erblasser zum Zeitpunkt des Stichtages bereits verstorben war, und auch die sogenannte Monatsanfangsproblematik wurde durch die weiteren Ergänzungen beseitigt. Ob allerdings auch weiterhin gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen wird und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es zu weiteren Verurteilungen Deutschlands durch den EGMR kommen kann, müssen gegebenenfalls die Gerichte prüfen.

Bei all den positiven Änderungen, welche durch das Gesetz eingeführt werden, können wir dem Gesetz aber aus den vorgenannten Gründen nicht zustimmen.