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Design für Alle

Rede von Ilja Seifert,

Rede zu Protokoll des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert

Bundestag, 18. April 2013

TOP 19, Antrag der SPD „Teilhabe ermöglichen – Forschung und Entwicklung von Technologien und Design für Alle intensivieren“, Drs. 17/13085

 

Das in Deutschland noch immer zu wenig beachtete Konzept Design für Alle (auch Universelles Design oder Nutzen-für-alle-Konzept genannt) hat eine inklusive Gesellschaft im Blick. Wesentlicher Aspekt dabei ist Barrierefreiheit auf allen Ebenen. Bauten, Gebrauchsgegenstände, Informations- und Kommunikationssysteme sowie Dienstleistungs- und Verkehrsangebote sollen für möglichst alle Menschen leicht erreichbar, zugänglich und nutzbar sein. Design für Alle versteht sich als Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunftsentwicklung, welche die Verschiedenartigkeit und Lebensqualität aller Menschen berücksichtigt. Barrieren, die Menschen an der gesellschaftlichen Teilhabe behindern, werden als Diskriminierung identifiziert.

Design für Alle fordert darüber hinaus eine Analyse der individuellen Bedarfe, die Einbindung der Endverbraucherinnen und Endverbraucher in Entstehungsprozesse und insgesamt eine nachhaltige Gestaltung aller Lebensbereiche inklusive einer teilhabeorientierten Stadtentwicklung. So sollen zum Beispiel Gebäude nicht nur barrierefrei, sondern auch dergestalt entworfen sein, daß sie soziale Interaktion fördern. Auf Initiative des Europäischen Rates für behinderte Menschen erarbeitete das Netzwerk des Design für Alle, in dem Architekten, Designer, Ingenieure, Stadtplaner, Behindertenverbände u. a. zusammengeschlossen sind, ein Europäisches Konzept für Zugänglichkeit, das in einigen Ländern der Überarbeitung nationaler Richtlinien dient.

Ich meine: Die systematische Schaffung von Barrierefreiheit soll nicht länger als „lästiges Übel“ mißverstanden, sondern als Herausforderung an die Kreativität von Designern, Architekten, Ingenieuren usw. angenommen werden. Menschen mit Behinderungen und ihre Organisationen als Experten in eigener Sache müssen dabei als gleichberechtigte und gleichkreative Mitgestalterinnen und Mitgestalter aktiv einbezogen, ja hoch willkommen sein. Dann entstehen im Ergebnis innovative Produkte, die für jeden Mann und jede Frau leicht handhabbar sind. Der Nutzen liegt also bei allen.

Nach der UN- Behindertenrechtskonvention (Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe f) ist die Bundesregierung verpflichtet, Forschung und Entwicklung für Güter, Dienstleistungen, Geräte und Einrichtungen in universellem Design zu fördern sowie sich bei der Entwicklung von Normen und Richtlinien für universelles Design einzusetzen.

Dies wissen manche in der Bundesregierung leider immer noch nicht. Ein Beispiel: Auf meine Frage: „In welcher Weise begleitet und unterstützt die Bundesregierung die Schaffung von Barrierefreiheit im nationalen sowie im grenzüberschreitenden Fernbuslinienverkehr?“ im Bundestag am 20. Februar d.J antwortete die Bundesregierung: „Nach § 42 b in Verbindung mit § 62 Abs. 3 Personenbeförderungsgesetz müssen neue Omnibusse ab dem 1. Januar 2016 mit mindestens zwei Stellplätzen für Rollstuhlnutzer ausgerüstet sein. Ab dem 1. Januar 2020 gilt dies für alle Omnibusse, die im Fernbuslinienverkehr eingesetzt werden. Diese Vorschrift gilt nicht für den grenzüberschreitenden Linienverkehr innerhalb der Europäischen Union. Die Bundesregierung wird auf der Grundlage eines vom Deutschen Bundestag in seiner 195. Sitzung am 27. September 2012 verabschiedeten Entschließungsantrags und nach dessen Maßgaben prüfen, ob auf EU-Ebene Regelungen geschaffen oder verbessert werden sollen, die einen europaweit einheitlichen barrierefreien Fernbuslinienverkehr gewährleisten. Je nach Ergebnis der Prüfung wird die Bundesregierung gegebenenfalls die Initiative für eine Änderung der betreffenden Regelungen ergreifen...“ Mal abgesehen von den vielen – für mich unakzeptablen - Einschränkungen und Ausnahmeregelungen im Personenbeförderungsgesetz: Begleitende Maßnahmen zur Forschung und Entwicklung barrierefreier Busse und für eine Anschubfinanzierung gibt es nicht. Bundesverkehrsministers Dr. Ramsauer (CSU) läßt die Busunternehmen und Bushersteller in dieser Frage allein.

Wie es mit der diesbezüglichen Umsetzung in Deutschland steht, hat die Fraktion DIE LINKE. die Bundesregierung in einer Kleine Anfrage „Nutzen-für-alle-Konzept umsetzen“ bereits am 15. 12. 2009 (Drucksache 17/293) gefragt. Nimmt man die Antworten (Drucksache 17/631 vom 03.02.2010), ist die Bundesregierung engagiert und auf der Höhe der Zeit. Vergleicht man die Antworten mit dem wirklichen Leben, mit den Alltagserfahrungen von mir und vielen weiteren Menschen mit Behinderungen, tun sich Widersprüche und Fragen auf.

Deswegen unterstützt DIE LINKE den nun vorliegenden Antrag der SPD, der ebenso wie die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD zum universellen Design (Drucksache 17/11793 vom 10.12.2012) die Diskussion in Politik, Verwaltungen, Wirtschaft, Wissenschaft und andere Bereiche der Gesellschaft befördern wird. Zum Nutzen aller!